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AHO Aktuell - 18.06.2003

Experte: 11. Novelle des Arzneimittelgesetzes nicht verfassungskonform


Bonn (aho) – Die erst kürzlich in Kraft getretene 11. Novelle des
Arzneimittelgesetzes ist mit einer Vielzahl von handwerklichen und fachlichen
Fehler gespickt. Zu diesem Urteil kommen unabhängig voneinander Experten bei der
Analyse der Rechtsnovelle. So kommt ein vom Bundesverband Praktizierender
Tierärzte e.V. in Auftrag gegebenes Gutachten des Verfassungsrechtlers Professor
Jörn Ipsen zur 11. AMG-Novelle zu dem Fazit, daß weite Passagen des Rechtsaktes
nicht verfassungskonform sind.

Verfassungsrechtlich im höchsten Grad bedenklich sind nach Auffassung des
Gutachters:

- Einzelregelungen der Novelle, die durch die Gesetzgebungskompetenz des Bundes
nicht gedeckt sind

- nicht hinreichend gerechtfertigte, die Berufsausübungsfreiheit einschränkende
Regelungen zum Dispensierrecht

- die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzende, fehlende Differenzierung
zwischen Arzneimitteleinsatz bei Gesellschaftstieren und Arzneimittel bei
lebensmittelliefernden Tieren in Einzelbestimmungen

- die unter Strafe gestellten Handlungen, die aufgrund der kompetenzrechtlichen
Bestimmungen nicht in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen und damit das
aus dem Grundgesetz folgende,strafrechtliche Bestimmtheitsgebots verletzen.

Insbesondere sind nach Meinung des Verfassungsrechtlers hinsichtlich der
eingeschränkten Gesetzgebungskompetenz des Bundes wie auch der grundgesetzlich
garantierten Berufsausübungsfreiheit nicht haltbar: das weitgehende Herstellverbot
von Arzneimitteln durch Tierärzte, die Verlagerung der Herstellung von
Tierarzneimitteln aus apothekenpflichtigen Stoffen in die öffentliche Apotheke,
die 7-Tage-Regelung sowie das Bezugsverbot apothekenpflichtiger Rohstoffe. Ebenso
sind die Vorschriften, die die Anwendung mit Arzneimitteln betreffen, rechtlich
nicht haltbar.

Der bpt fordert deshalb eine umgehende Überarbeitung des Gesetzes, die
Sicherstellung, dass nach medizinischer Notwendigkeit ordnungsgemäß arbeitende
Tierärzte nicht wegen rechtlich unhaltbarer Vorschriften kriminalisiert werden und
mittelfristig ein eigenes, auch den Maßgaben des EU-Rechtes folgendes
Tierarzneimittelgesetz.

Laut einer Pressemitteilung des Tierärzteverbandes wurde Frau Bundesministerin
Künast inzwischen um einen Termin zur Erörterung der Sachlage gebeten.

Von verschiedener Seite wurden auf Unstimmigkeiten und fachliche Fehler in der 11.
AMG-Novelle hingewiesen. So kommt eine Studie, die von Prof. H. Grygo von
der Fachhochschule Osnabrück und Prof. Th. Blaha von der Außenstelle der
Tierärztlichen Hochschule Bakum
durchgeführt wurde, daß der durch die
Rechtsnovelle erhöhte zeitliche Aufwand für eine erweiterte Dokumentation der
Behandlungen und eine erhöhte Besuchsfrequenz auf den Betrieben. Wie die
Professoren darlegen, werden durch diesen Mehraufwand insbesondere kleine
landwirtschaftliche Betriebe benachteiligt. Hier ist der Zeitaufwand bis zu 200
Prozent gestiegen. Die tierärztliche Betreuung von Klein- und Kleinstbeständen ist
laut dieser Studie aufgrund des zeitlichen Mehraufwandes und der daraus
resultierenden Mehrkosten akut gefährdet.

Ebenso zeigt die Mischfutterindustrie wenig Interesse an der Herstellung von
Fütterungsarzneimitteln, wie diese in der 11. AMG-Novelle neu geregelt wurde.


Nicht zuletzt wird von verschiedener Seite vor dem Hintergrund der angespannten
Haushaltslage beim Bund und Ländern auf die jetzt schon im Rahmen des
Gesetzgebungsverfahren angefallenen Millionenkosten hingewiesen, die vom
Steuerzahler aufgebracht werden müssen. Ebenso dürften bei Tierärzten und
Landwirten bisher Kosten in nicht geringer Höhe angefallen sein.

Eine Zusammenfassung des Rechtsgutachtens kann hier geladen werden.

 



 

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