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AHO Aktuell - 23.11.2006

Bundesverwaltungsgericht: Muslime dürfen weiter schächten


Leipzig (aho) - Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute
entschieden, dass die Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel in das
Grundgesetz es nicht ausschließt, einem muslimischen Metzger eine
Ausnahmegenehmigung zum betäubungslosen Schlachten (Schächten) von
Rindern und Schafen zu erteilen, um seine Kunden entsprechend ihrer
Glaubensüberzeugung mit Fleisch zu versorgen.

Das Tierschutzgesetz verbietet grundsätzlich das betäubungslose
Schlachten. Es sieht aber eine Ausnahmegenehmigung vor, um den
Bedürfnissen der Angehörigen von Religionsgemeinschaften zu
entsprechen, denen zwingende Glaubensvorschriften den Genuss des
Fleisches von Tieren verbietet, die vor der Schlachtung betäubt worden
sind.

Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und sunnitischer Muslim.
Er lebt seit ca. 25 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland und
betreibt eine Metzgerei. Er macht geltend, zwingende religiöse
Vorschriften untersagten ihm und seinen muslimischen Kunden den
Verzehr von Fleisch vor der Schlachtung betäubter Tiere. Für die
Versorgung seiner muslimischen Kunden erhielt er deswegen bis Anfang
September 1995 Ausnahmegenehmigungen zum Schlachten ohne Betäubung.
Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.
Juni 1995, mit dem die Versagung einer zur Versorgung von sunnitischen
Muslimen mit Fleisch- und Wurstwaren begehrten Ausnahmegenehmigung für
rechtmäßig befunden worden war, verweigerte der Beklagte dem Kläger
die Erteilung weiterer Ausnahmegenehmigungen. Nach Erfolglosigkeit der
hiergegen eingelegten Rechtsmittel erhob der Kläger
Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht. Das
Bundesverfassungsgericht hob durch Urteil vom 15. Januar 2002 die
klageabweisenden Gerichtsentscheidungen auf und verwies die Sache an
das Verwaltungsgericht zurück. Es stellte fest, dass die
Entscheidungen, die die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum
Schächten ablehnten, den Kläger in seinen Grundrechten verletzten. Die
Vorinstanzen haben daraufhin den Beklagten dem Grunde nach
verpflichtet, dem Kläger eine Ausnahmegenehmigung zum Schlachten ohne
vorherige Betäubung zu erteilen. Hiergegen hat der Beklagte Revision
mit der Begründung eingelegt, mit der Einfügung des Tierschutzes als
Staatszielbestimmung in das Grundgesetz hätten sich die Gewichte
zugunsten des Tierschutzes verschoben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision zurückgewiesen. Das
Gesetz beabsichtige, sowohl den betroffenen Grundrechten als auch den
Zielen des ethischen Tierschutzes Rechnung zu tragen. Dem diene die an
enge Voraussetzungen zum Schutz der Religionsfreiheit geknüpfte
Ausnahmevorschrift für ein betäubungsloses Schlachten. Hieran habe
sich durch die Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz nichts
geändert. Eine andere Betrachtung würde einen vom Gesetzgeber nicht
beabsichtigten Vorrang des Tierschutzes bedeuten.

BVerwG 3 C 30.05 - Urteil vom 23. November 2006



 



 

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