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AHO Aktuell - 22.11.2006

Wann ist ein Tier >neu<, wann >gebraucht


Karlsruhe (aho) - Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte über die Frage zu entscheiden,
ob ein sechs Monate altes Fohlen "gebraucht" im Sinne der Vorschriften
des Bürgerlichen Gesetzbuches über den Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff.
BGB) ist. Tiere sind zwar keine Sachen und demzufolge auch keine
"Verbrauchsgüter", jedoch sind die dafür geltenden Vorschriften auf
Tiere entsprechend anzuwenden (§ 90a Satz 3 BGB). Die Unterscheidung
zwischen "neuen" und "gebrauchten" Tieren - in der Praxis handelt es
sich meist um Pferde - ist für die Frage von Bedeutung, ob beim
Verkauf eines Tieres durch einen Unternehmer an einen Verbraucher die
zweijährige Verjährungsfrist für Mängelansprüche des Käufers (§ 438
Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB) auf ein Jahr abgekürzt werden kann, was nur
beim Verkauf gebrauchter Sachen oder Tiere möglich ist (§§ 475 Abs. 2,
90a BGB).

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall erwarb der Kläger am
27. Oktober 2002 von der Beklagten auf einer von ihr veranstalteten
Auktion ein sechs Monate altes Hengstfohlen, welches nach einem
medizinischen Untersuchungsprotokoll keine Gesundheitsschäden aufwies.
Die von der Beklagten verwendeten Auktionsbedingungen bestimmen, dass
die Pferde als "gebrauchte Sachen im Rechtssinne" verkauft werden und
dass Gewährleistungsrechte des Käufers innerhalb von zwölf Monaten
nach Gefahrübergang verjähren. Am 13. Oktober 2004 - nach Ablauf der
Zwölfmonatsfrist, aber vor Ablauf von zwei Jahren - erklärte der
Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag mit der Begründung, das Fohlen
leide an einem angeborenen Herzfehler und sei deshalb mangelhaft. Die
Beklagte lehnte die Rückabwicklung des Kaufvertrags unter Berufung auf
die in ihren Auktionsbedingungen vorgesehene Verjährungsfrist von
zwölf Monaten ab.

Die daraufhin erhobene Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen
Rückgabe des Fohlens sowie auf Aufwendungsersatz wies das Landgericht
wegen Verjährung ab. Es sah das Fohlen als "gebrauchte Sache" an und
hielt deshalb die Abkürzung der Verjährungsfrist auf zwölf Monate für
wirksam. Das Oberlandesgericht wies die hiergegen gerichtete Berufung
des Klägers zurück. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des
Klägers führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur
Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Oberlandesgericht.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Kläger den Rücktritt
rechtzeitig, nämlich innerhalb der hier maßgeblichen zweijährigen
Verjährungsfrist erklärt hat. Die Abkürzung der Verjährungsfrist auf
ein Jahr in den Auktionsbedingungen der Beklagten ist zum einen schon
deshalb unwirksam, weil es sich bei der betreffenden Klausel um eine
von der Beklagten verwendete Allgemeine Geschäftsbedingung handelt,
die ohne Ausnahme alle Gewährleistungsrechte des Käufers und damit
unter anderem auch etwaige auf einen Mangel des verkauften Pferdes
zurückzuführende Schadensersatzansprüche erfasst. Für derartige
Ansprüche, soweit sie auf Ersatz von Körper- und Gesundheitsschäden
gerichtet oder auf grobes Verschulden gestützt sind, kann die Haftung
in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht wirksam begrenzt werden (§
309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB). Eine hiernach unzulässige
Haftungsbegrenzung stellt auch die Abkürzung der Verjährungsfrist für
die betreffenden Ansprüche dar. Der Verstoß gegen § 309 Nr. 7 BGB hat
zur Folge, dass die Abkürzung der Verjährungsfrist insgesamt - auch
für den Rücktritt des Käufers wegen des behaupteten Mangels -
unwirksam ist.

Zum anderen ist die Verjährungsregelung in den Auktionsbedingungen der
Beklagten aber auch deswegen unwirksam, weil die Verjährungsfrist bei
einem Verbrauchsgüterkauf im Fall des Verkaufs neuer Sachen und Tiere
nicht auf weniger als zwei Jahre abgekürzt werden kann (§ 475 Abs. 2
BGB). Das Fohlen war zur Zeit der Auktion nicht "gebraucht", weil es
bis dahin weder als Reittier noch nur Zucht verwendet worden war.
Einer in der rechtswissenschaftlichen Literatur verbreiteten
Auffassung, wonach Tiere stets als "gebraucht" im Sinne der
Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf anzusehen seien, ist der
Bundesgerichtshof nicht gefolgt. Er konnte auch offen lassen, ob und
wann ein Tier unabhängig von der Frage, welchem Zweck es dienen soll
und ob es dafür schon verwendet worden ist, allein durch Ablauf einer
gewissen Zeitspanne nach der Geburt zur "gebrauchten" Sache wird. Nach
dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachten Willen des
Gesetzgebers ist auch beim Tierkauf zwischen "neuen" und "gebrauchten"
Kaufobjekten zu unterscheiden; jedenfalls junge Haustiere sollen
danach nicht als "gebraucht", sondern als "neu" anzusehen sein
(BT-Drucks. 14/6040, S. 245). Der bloße Zeitablauf ist daher
unerheblich, solange das Tier noch "jung" ist. Das war bei dem im
Zeitpunkt des Verkaufs erst sechs Monate alten Fohlen, das sich
überdies noch nicht von der Mutterstute "abgesetzt" hatte, ohne
Zweifel der Fall.

Ob eine Sache oder ein Tier neu oder gebraucht ist, bestimmt sich
nach einem objektiven Maßstab; anders als Berufungsgericht gemeint
hat, konnten die Parteien somit auch nicht rechtswirksam vereinbaren,
dass es sich bei dem verkauften Fohlen um ein gebrauchtes Tier
handele, weil durch eine solche Vereinbarung der vom Gesetzgeber
beabsichtigte Verbraucherschutz ausgehöhlt würde.

Das Oberlandesgericht wird nunmehr festzustellen haben, ob das
Fohlen, wie vom Kläger behauptet, an einem Herzfehler leidet, der
bereits zur Zeit der Auktion vorhanden war.

Urteil vom 15. November 2006 - VIII ZR 3/06

Landgericht Kiel - 4 O 279/04 ./. Schleswig-Holsteinisches
Oberlandesgericht - 3 U 42/05 (unter anderem abgedruckt in OLGReport
Schleswig 2006, 193).



 



 

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