Aktuelle Meldungen  -  Nachrichten suchen  -  kostenloses Abo  -   Nachricht weiterempfehlen

 

AHO Aktuell - 03.11.2006

Gewässer bedroht: Altarzneimittel werden oft über die Toilette entsorgt


Frankfurt (aho/lme) - Wissenschaftler des Frankfurter Instituts für
sozial-ökologische Forschung (ISOE) haben innerhalb eines vom BMBF
geförderten Projekts zum Umgang mit Arzneimittelwirkstoffen im
Trinkwasser die Entsorgungswege nicht verbrauchter Medikamente
erfasst. In einer bevölkerungsrepräsentativen Umfrage wurden im Juli
2006 1.977 Personen über 18 Jahre zu ihrem Entsorgungsverhalten
befragt. Ziel der Befragung war es, erstmalig eine gesicherte
Datenlage zur Entsorgung von unverbrauchten Medikamenten über die
häuslichen Abwässer zu erheben.

Arzneimittelwirkstoffe werden in den letzten Jahren immer
häufiger in Flüssen, im Grundwasser und vereinzelt auch im Trinkwasser
nachgewiesen.
In Deutschland lässt sich ein breites Spektrum
von Wirkstoffen mittlerweile in nahezu allen Oberflächengewässern
finden
. Der Haupteintrag erfolgt über die kommunalen Kläranlagen:
Nach der Einnahme werden die Wirkstoffe zum Teil unverändert
ausgeschieden und gelangen so in die Abwässer. "Inwieweit jedoch auch
die unsachgemäße Entsorgung von Medikamentenresten über Toilette oder
Spüle zu den gemessenen Umweltkonzentrationen beiträgt, ist für
Deutschland bisher weitgehend ungeklärt - aussagekräftige Daten zum
Entsorgungsverhalten der Bevölkerung liegen kaum vor.", betont
Projektleiter Dr. Florian Keil vom Institut für sozial-ökologische
Forschung (ISOE). " Aus diesem Grund hat das Forschungsprojekt start
im Juli 2006 eine empirische Studie durchgeführt, die die
Entsorgungswege nicht verbrauchter Medikamente detailliert erfasst."

Entsorgungsroutinen

Die bevölkerungsrepräsentative bundesweite Befragung von 1.977
Personen über 18 Jahren zeigt, dass bei mehr als 90 % der Befragten
Medikamente im Haushalt vorhanden sind. Ungefähr die Hälfte der
Befragten hat dabei einen Vorrat von 6 bis 20 Medikamenten in der
Hausapotheke. Rund 75 % der Befragten haben gewisse
Entsorgungsroutinen ausgebildet und räumen regelmäßig mindestens
einmal oder häufiger pro Jahr ihre Hausapotheke auf bzw. betreiben
erst gar keine Medikamenten-Vorratshaltung, sondern entsorgen ihre
nicht verbrauchten Medikamente sofort.

Entsorgung über die Toilette

Der Anteil an Personen, die nicht verbrauchte Tabletten über die
Toilette entsorgen, liegt bei insgesamt 16 % (davon tun 3 % dies immer
oder häufig und 13 % manchmal oder selten). Dagegen werden Reste von
flüssigen Arzneimitteln wesentlich häufiger über die häuslichen
Abwässer entsorgt: Insgesamt 43 % der Befragten geben an, dass sie
dies zumindest gelegentlich tun, während nahezu 20 % die flüssigen
Arzneimittelreste immer oder häufig über die Spüle oder die Toilette
entsorgen. Grund für diesen hohen Anteil - auch dies bestätigt die
Befragung - ist die stark ausgeprägte Glas-Recyclingbereitschaft
deutscher Haushalte. Im Zuge der getrennten Entsorgung der
Glasbehälter werden diese vorab entleert und ausgespült.

Entsorgung über Apotheken oder Restmüll

Die allgemein geltende Empfehlung, nicht verbrauchte Medikamente in
der Apotheke abzugeben, hat für zwei Drittel der Befragten
Handlungsrelevanz wobei jedoch lediglich 29 % immer so mit nicht
verbrauchten Medikamenten verfahren. Die Entsorgung von
Medikamentenresten samt Verpackung über den Restmüll wird von 16 % der
Befragten immer oder häufig betrieben, während 27 % dies immerhin
manchmal oder selten tun.

"Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass die unsachgemäße Entsorgung
von unverbrauchten Medikamenten über die häuslichen Abwässer in
deutlichem Umfang erfolgt.", erläutert Projektleiter Dr. Florian Keil.
"Die erhobenen Daten legen die Vermutung nahe, dass der direkte
Eintrag der Arzneimittelwirkstoffe in den Abwasserstrom einen nicht zu
vernachlässigenden Anteil an den gemessenen Konzentrationen in den
Gewässern darstellt. Eine genauere Bestimmung dieses Anteils ist
jedoch insbesondere wegen der unzureichenden Datenlage bei
Produktions- und Verbrauchsmengen für einzelne Wirkstoffe nur unter
erheblichen Unsicherheiten möglich. Die Erhebung zeigt aber auch, dass
in der Bevölkerung Unklarheit über die sachgemäße Entsorgung von nicht
verbrauchten Arzneimitteln besteht." Vor allem erscheint es den
Wissenschaftlern daher geboten, eine verbesserte öffentliche
Kommunikation zum richtigen Umgang mit Medikamentenresten zu
erreichen. Sie kann ein einfaches aber wirksames Instrument zur
Verringerung von Gewässerbelastungen mit Arzneimittelwirkstoffen sein.
"Strategien zur Reduktion von Arzneimittelwirkstoffen im
Wasserkreislauf müssen aber über eine verbesserte öffentliche
Kommunikation hinausgehen.", betont Keil.

Das Forschungsprojekt "Strategien zum Umgang mit
Arzneimittelwirkstoffen im Trinkwasser - start" verfolgt daher das
Ziel, vorsorgende Handlungsstrategien zu entwickeln, die das gesamte
Spektrum der relevanten gesellschaftlichen Akteure erfassen. Dabei
werden die Einsatzmöglichkeiten innovativer Abwasserreinigungs- und
Trinkwasseraufbereitungsverfahren und Maßnahmen zur Änderung von
Verschreibungspraktiken, Gebrauchs- und Entsorgungsmustern von
Medikamenten ebenso untersucht wie die Potenziale eines nachhaltigen
Wirkstoffdesigns. Die Entwicklung der Handlungsstrategien erfolgt in
Kooperation mit Praxispartnern aus pharmazeutischer Industrie,
Wasserwirtschaft, Ärzte- und Apothekerverbänden, Krankenkassen,
Verbraucherverbänden und Behörden.



 



 

  zum Seitenbeginn


© Copyright

AHO Aktuell ist ein Service von ANIMAL-HEALTH-ONLINE und @grar.de