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AHO Aktuell - 12.06.2006

Schweinepraxis: Lokalanästhesie bei Ferkelkastration verursacht Schmerzen


München (aho) - Die Kastration von männlichen Ferkeln ist ein
tierschutzrechtlich und von Tierfreunden emotional diskutiertes Thema.
Entsprechend der EU - Richtlinien 2001/88/EG und 2001/93/EG dürfen
männliche Schweine nach dem siebten Lebenstag nur durch einen Tierarzt
unter Anästhesie und anschließender Verwendung schmerzstillender
Mittel kastriert werden. Veterinärmediziner der Klinik für Schweine
der Ludwig-Maximilians-Universität München haben untersucht, wie sich
eine intratestikuläre (in den Hoden) Injektion eines
Lokalanästhetikums auf den Serum-Kortisolgehalt bei der Kastration
auswirkt. Wie in der Literatur beschrieben, ist der Anstieg der
Konzentration des Stresshormons Kortisol im Serum ein geeigneter
Parameter, um Kastrationsschmerzen zu quantifizieren und die
Wirksamkeit verschiedener Methoden der Schmerzausschaltung zu
vergleichen

Für diese Untersuchung erhielten 30 Saugferkel 15 Minuten vor der
Kastration eine intratestikuläre Injektion des Lokalanästhetikums
Procainhydrochlorid. Blutproben wurden vor der Kastration sowie eine,
vier und 28 Stunden nach dem Eingriff entnommen und auf den
Kortisolgehalt untersucht. Als Kontrolltiere dienten 48 Ferkel, bei
denen eine Kastration ohne Medikation vorgenommen wurde, sowie 46
Ferkel, die nur einer Fixation ohne Operation unterlagen.

Die Ergebnisse sind bemerkenswert: Eine und vier Stunden nach der
Kastration bestanden keine signifikanten Unterschiede der
Kortisolwerte zwischen Ferkeln, die mit Lokalanästhesie
(Procainhydrochlorid) operiert wurden, und Ferkeln, bei denen der
Eingriff ohne Arzneimitteleinsatz erfolgte. Die Wissenschaftler
folgern, dass die Kastration unter Lokalanästhesie für die Ferkel eine
zum Eingriff ohne Verwendung des Lokalanästhetikums vergleichbare
Belastung darstellt. Die Forderung nach einer Verringerung der
Schmerzen bei der Kastration von Saugferkeln wird durch die
intratestikuläre Lokalanästhesie nicht erfüllt, da zwischen
anästhesierten und nichtanästhesierten kastrierten Tieren anhand der
Kortisolkonzentration kein Unterschied hinsichtlich der endogenen
kastrationsbedingten Schmerzreaktion nachzuweisen ist. Die
Veterinärmediziner resümieren, dass die intratestikuläre Injektion zur
Schmerzausschaltung zu erheblichen Schmerzen führt. Die Forderung nach
einer Schmerzreduktion bei der Kastration von Saugferkeln wird durch
eine intratestikuläre Lokalanästhesie mit Procainhydrochlorid nicht
erfüllt, da der Injektionsschmerz eine gleiche Kortisolausschüttung
bedingt wie die Kastration selbst.

Hintergrund:

Für eine Allgemeinanästhesie stehen beim Schwein Azaperon, Ketamin
und nach Umwidmung auch Thiopental und Isofluran zur Verfügung. In den
Niederlanden empfiehlt die Arbeitsgruppe "Alternativen zur
Ferkelkastration" dem Landwirtschaftsministerium, ab 2006 Ferkel nur
noch unter örtlicher Betäubung zu kastrieren. Das norwegische
Parlament verbietet ab 2009 die Kastration von Ferkeln vollständig und
erlaubt bis dahin deren Kastration nur von einem Tierarzt unter
angemessener Schmerzausschaltung. Deshalb wird in Norwegen die
Kastration meist erst nach intratestikulärer Injektion eines
Lokalanästhetikums (Lidocain) von einem Tierarzt durchgeführt. Die in
der Schweiz praktizierte Kastration unter Halothannarkose ist in der
Europäischen Union nicht durchführbar, da Halothan für die Anwendung
beim Schwein keine Zulassung besitzt.



S. Zöls, M. Ritzmann, K. Heinritzi
Einsatz einer Lokalanästhesie bei der Kastration von Ferkeln
Tierärztl Prax 2006; 34 (G): 103-6



 



 

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