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AHO Aktuell - 26.02.2006

Katastrophenforscher kritisiert Behörden im Umgang mit der Vogelgrippe


Berlin (aho) - Der Leiter der Katastrophenforschungsstelle der
Universität Kiel, Dr. Wolf Dombrowsky (57), hat die ersten Maßnahmen zur
Bekämpfung der Vogelgrippe auf Rügen kritisiert und mit dem schlechten
Zustand des deutschen Katastrophenschutzes begründet. "Die Ereignisse
von Rügen zeigten wieder mal, dass unser Katastrophenschutz eine
einzige Katastrophe ist", sagte er der "Bild am Sonntag" (BamS). Im
Katastrophenschutz herrsche "Chaos und Kompetenz-Wirrwarr".
"Eifersüchteleien der Länder" hätten dafür gesorgt, dass das Bundesamt
für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe so gut wie keinen
Einfluss habe, sagte Dombrowsky dem Blatt. Als Leiter der
Katastrophenforschungsstelle der Uni Kiel hat er selbst am
"Pandemieplan Deutschland" mitgearbeitet. Und kann nicht fassen, dass
die "bis ins Detail ausgearbeiteten Notfallpläne offenbar nicht in
allen Landratsämtern angekommen sind".

Der Kieler Experte fordert politische Konsequenzen: Die Länder
bräuchten ein Weisungsrecht, wie es der Bund bei gravierenden Fehlern
der Länder hat ("Bundeszwang"): "Wenn Landräte sich mit ihren
Krisenstäben nicht entsprechend auf Katastrophenfälle vorbereiten,
sollten sie dazu gezwungen werden - oder aus dem Amt fliegen. Man kann
doch nicht mit der Gesundheit eines ganzen Volkes herumtolpatschen."
Dabei fehlt es nicht an politischem Willen: Nach den Terroranschlägen
von New York wurden die Budgets für den Katastrophen- und Zivilschutz
kräftig aufgestockt. Dombrowsky: "Das Dilemma ist nicht mehr das Geld,
sondern die heillose Desorganisation. Die Ausbildung ist nicht
optimal, die Übungen taugen nichts." Man könne nur hoffen, dass die EU
bald - wie angekündigt - das deutsche System mit überwiegend
ehrenamtlichen Einsatzkräften auf den Prüfstand stellt: "Von all den
Helfern, die in den Akten geführt werden, ist maximal ein Drittel top,
körperlich in Bestverfassung, fachlich auf höchstem Niveau. Der Rest
ist mehr oder weniger statistisches Material." Dombrowsky schlug vor,
eine hauptberufliche Spezialtruppe, "eine Art GSG 9 des
Katastrophenschutzes" zu gründen.

Dombrowsky, der Hunderte von Katastrophenfällen untersucht hat, rät
der Bevölkerung grundsätzlich zu mehr Eigenvorsorge, anstatt sich auf
den "hundsmiserablen" Katastrophenschutz zu verlassen: "Wir
kritisieren seit Jahren, dass es nicht einmal eine einheitliche
Grundausbildung und eine Ausstattung an Fahrzeugen und Geräten gibt.
Nichts passt zusammen. Es gibt nicht mal eine einheitliche
Kennzeichnung von Führungskräften vor Ort", wird der in der BamS
zitiert

Das Chaos im Kampf gegen die Vogelgrippe war laut BamS programmiert.
Schon im April 2003 machte die EU-Gesundheitsbehörde bei einer
Inspektionsreise durch Deutschland Mängel in der Seuchenbekämpfung
aus. Der Abschlußbericht, der der BamS angeblich vorliegt beklagt
"Schwachpunkte in den Notstandsplänen vor allem auf Länderebene".
Weiter heißt es: "Die größten Schwächen betrafen fehlende Mittel für
Tierseuchenübungen, den Umfang solcher Übungen, fehlende
Seuchenszenarien und die Frage der Sicherstellung der Belieferung mit
notwendigem Material" - etwa mit Laborgerät. Die Seuchenübungen
reichten nicht aus, "um sicherzustellen, dass die bestehenden
Sicherungssysteme bei einem ernsthaften Seuchenausbruch
funktionieren". Die EU kontrollierte laut BamS auch
Mecklenburg-Vorpommern - und stellte der Landesregierung kein gutes
Zeugnis aus: "Der Informationsfluss und die Zusammenarbeit mit der
zentralen Bundesbehörde (. . .) waren nicht sehr ausgereift und noch
nie für den Ernstfall geprüft worden." Zudem sehe der Notfallplan
keine regelmäßigen Kontrollen der Materialreserven vor: "Das hatte zur
Folge, dass in einem Landkreis abgelaufene Desinfektionsmittel
gefunden wurden."


 



 

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