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AHO Aktuell - 07.02.2006

Jungebermast - eine Alternative zur Ferkelkastration?


Agroscope Liebefeld-Posieux (aho) - Das Schweizer Parlament hat die
Kastration von Ferkeln ohne Betäubung ab dem Jahr 2009 verboten.
Sollte bis zu diesem Zeitpunkt "keine praxistaugliche
Alternativmethode zur Verfügung stehen", kann der Bundesrat das
Inkrafttreten dieses Verbots um zwei Jahre hinausschieben. Agroscope
Liebefeld-Posieux (ALP), die Eidgenössische Forschungsanstalt für
Nutztiere und Milchwirtschaft, sucht in Zusammenarbeit mit anderen
Partnern Alternativen zur Ferkelkastration.

Trotz der Vorteile, die die Ebermast mit sich bringt, stehen ihr
viele Beteiligte aus der Fleischbranche skeptisch gegenüber, da sich
Eberfleisch geschmacklich von normalem Schweinefleisch unterscheiden
kann. Man spricht hier üblicherweise von Ebergeruch.

Androstenon- und Skatolkonzentrationen

Androstenon, ein Pheromon, und Skatol, eine im Darm des Ebers
produzierte Substanz, werden im Fettgewebe des Tieres eingelagert und
sind hauptsächlich für den Ebergeruch verantwortlich. Befasst man sich
mit der Problematik des Ebergeruchs, so kommen verschiedene Faktoren
ins Spiel. Erstens sind die Androstenon- und Skatolkonzentrationen,
auf die der Ebergeruch zurückzuführen ist, von Tier zu Tier sehr
unterschiedlich. Zweitens empfinden nicht alle Menschen diesen Geruch
als unangenehm und drittens nehmen bestimmte Personen Androstenon
überhaupt nicht wahr. Dies erklärt die Komplexität des Problems und
ist der Grund, weshalb die Schweinebranche dem Eberfleisch gegenüber
sehr skeptisch eingestellt ist. Es wird vor allem befürchtet, dass
sich dieses neue Produkt ungünstig auf den allgemeinen Verzehr von
Schweinefleisch auswirkt.

Home-Use-Test

Bis anhin gab es in der Schweiz noch kein Projekt, um die Akzeptanz
von Eberfleisch bei den Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten zu
überprüfen. Deshalb hat ALP eine Konsumentenstudie in Form eines
Home-Use-Tests durchgeführt, d.h. zu Hause bei den Konsumentinnen und
Konsumenten. Für diese Studie wurden insgesamt 379 Personen
ausgewählt. 77 % stammten aus der deutschsprachigen und 23 % aus der
französischsprachigen Schweiz. Der Anteil an Frauen belief sich auf 52
% (Männer: 48 %). Die grosse Mehrheit der Studienteilnehmenden (89 %)
war im Alter zwischen 25 und 69 Jahren (jünger als 25 Jahre: 5 %;
25-39 Jahre: 34 %; 40-54 Jahre: 32 %; 55-69 Jahre: 23 %; älter als 70
Jahre: 6 %).

Es wurden nur Konsumentinnen und Konsumenten ins Panel aufgenommen,
die fähig waren, Androstenon wahrzunehmen. Alle Studienteilnehmenden
erhielten während 6 Wochen 6 Fleischstücke vom Hals. Eines stammte von
kastrierten männlichen Schweinen, die 5 übrigen waren Eberfleisch. Die
Eberfleischstücke wiesen unterschiedlich hohe Androstenongehalte auf,
die auf der Werteskala von unter 0,25 ppm bis 1 ppm reichten. Das
Fleisch mit der geringsten Androstenonkonzentration wurde zwei Mal, zu
Beginn und am Ende der Studie verschickt, um zu überprüfen, ob sich
die Bewertung des Fleisches im Verlaufe der Studie ändert. Der
Skatolgehalt des Fleisches war gering.

Das degustierte Fleisch wurde im Allgemeinen, unabhängig vom
Geschlecht und Alter der Testpersonen, sowohl in der
deutschsprachigen als auch in der französischsprachigen Schweiz
positiv beurteilt. Die Befürchtungen der Fleischbranche konnten
folglich nicht bestätigt werden.

Ebergeruch und elektronische Nase

Wenn in der Schweiz von Zeit zu Zeit Eber geschlachtet werden, ist es
generell die Aufgabe des Tierarztes im Schlachthof zu entscheiden, ob
das Fleisch in Bezug auf den Ebergeruch zum Verzehr geeignet ist; dies
geschieht mittels eines Kochtestes. Es werden Proben von jedem
Schlachtkörper einzeln durch Geruchswahrnehmung geprüft. Folglich
befinden sich an manchen Tagen einige Dutzend Eberschlachtkörper unter
dem Schweinefleisch, mit welchem der Markt beliefert wird. Die wenigen
Schlachtkörper, bei denen Ebergeruch festgestellt wird (bis zu 10 %
aller Eber), werden spezialisierten Fleischverarbeitungsbetrieben
zugeführt.

Es wäre unmöglich, jede Minute und den ganzen Tag lang an
Schlachtkörpern zu riechen, um diese Auswahl bei der Gesamtheit aller
tagtäglich geschlachteten männlichen Schweine zu treffen. Nur ein
Gerät kann diese unattraktive Arbeit objektiv, schnell und zuverlässig
erledigen.

Das von ALP untersuchte System sollte ermöglichen, eine Globalanalyse
sämtlicher im Schlachtkörper befindlichen Komponenten des Ebergeruchs
durchzuführen. Dieses Gerät, eine elektronische Nase, die auf der
Massenspektroskopie basiert, ist an eine Pyrolyseanlage gekoppelt. Die
Fettkomponenten einschliesslich der an den Ebergeruch gebundenen
Substanzen wie Androstenon, Skatol und Indol sind flüchtig und
fragmentiert. Diese Fragmentmischung in der Gasphase wird sofort in
die Ionisationskammer des Massenspektrometers übertragen. Die
verschiedenen ionischen Fragmente werden folglich in Form eines für
jede Probe charakteristischen Massenspektrums nachgewiesen. Jedes
Massenspektrum wird von chemometrischen (statistischen) Programmen mit
Hilfe vorherbestimmter Modelle behandelt, um zu definieren, ob die
Probe zur Normalgruppe oder gegebenenfalls zur Gruppe mit Ebergeruch
gehört.

Jungebermast

Die Jungebermast entspricht nicht nur den Ansprüchen der Tierschützer,
sondern auch den wirtschaftlichen Erfordernissen. Der Fleischanteil
ist bei unkastrierten Tieren höher, das Wachstum ist größer und sie
haben eine bessere Futterverwertung.

Von 1979 bis 1985 hat ALP Versuche zur Jungebermast in der Schweiz
durchgeführt. Eine Feldstudie zeigte, dass die Jungebermast ohne eine
objektive Methode zur Erkennung von Ebergeruch in der Praxis keine
Erfolgsaussichten hatte.

Im Jahr 2002 wurden in England und Irland 100 % und in Spanien 90 %
aller männlichen Ferkel als Eber gemästet. In Frankreich, Deutschland,
Schweden und der Schweiz waren es hingegen weniger als 1 %.


 



 

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