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AHO Aktuell - 27.01.2006

Bayerischer Wildfleisch-Skandal wird zum Behörden-Skandal


Passau / Berlin (aho/lme) - Der Skandal um gammliges Wildfleisch in
Bayern wird vom Bundeslandwirtschaftsministerium als "ravierend"
eingestuft. Wenn es zutreffe, dass der Betrieb in der Vergangenheit
mehrfach kontrolliert worden ist, deute das auf schwere Defizite bei
den Kontrolleuren hin, sagte Gerd Müller, Staatssekretär im
Bundeslandwirtschaftsministerium der "Passauer Neuen Presse" (PNP).
Die Zeitung berichtet in ihrer aktuellen Ausgabe über unglaubliche
Schlampereien und langjährige Versäumnisse.

Demnach haben die Behörden offenbar bereits seit Juli 2004 von den
Machenschaften bei der Passauer Firma Berger Wild gewusst. Damals
seien Mitarbeiter des Hauptzollamtes Landshut bei ihren Ermittlungen
wegen Schwarzarbeit gegen Berger auf Manipulationen gestoßen, sagte
Alfons Völk, Sprecher der Regierung von Niederbayern, gestern
gegenüber der PNP. So sei festgestellt worden, dass Berger
offensichtlich Ware umetikettiere, Haltbarkeitsdaten verlängere und
Tiefkühlfleisch als Frischfleisch ausgebe. "Wildschaf wurde als
Gamsedelgulasch verkauft", sagte Völk der Zeitung. Das Ganze sei
damals auch der Staatsanwaltschaft Landshut mitgeteilt worden. Von
Hygienemängeln sei zu diesem Zeitpunkt allerdings nie die Rede
gewesen, betonte Völk. Die Landshuter Staatsanwaltschaft ermittelt
inzwischen wegen Verstoßes gegen das Lebensmittelrecht gegen Berger.
Völk schloss gestern nicht aus, dass es vor eineinhalb Jahren
Versäumnisse in seiner Behörde gegeben habe. "Die Sonderkommission
muss nun klären, ob Handlungsbedarf gewesen wäre", betonte er. Die
Regierung sei damals gebeten worden, Stillschweigen zu bewahren, um
die laufenden Ermittlungen nicht zu gefährden.

Das Hauptzollamt habe im Jahr 2004 beim Passauer Landrats- und
Veterinäramt nachgefragt, "was über Berger Wild bekannt ist", wird
Verena Schwarz, Abteilungsleiterin für öffentliche Sicherheit und
Ordnung beim Landratsamt, in der PNP zitiert. Mit mehr als einer
verwaltungsgerichtlichen Angelegenheit sei die Firma bis dahin aber
nicht aufgefallen gewesen - und das habe man dem Hauptzollamt auch
mitgeteilt.

Dem Bayerischen Rundfunk liegt indes ein Schreiben der
Kriminalpolizei Passau vom 13. Juli 2005 vor, in dem angeblich
Hygiene- und Qualitätsmängel bei Berger detailliert aufgelistet sind.
Passaus Landrat Hanns Dorfner ist dieses Schreiben eigener Aussage
nach nicht bekannt. Die Landshuter Staatsanwaltschaft erklärte, dass
es seit der zweiten Jahreshälfte 2005 erste Hinweise auf Verstöße
gegeben habe.

Die jüngst bekannt gewordenen Zustände und Machenschaften bezeichnete
Dorfner gestern als eine "Riesensauerei." Bei Europas größtem
Wildhändler sei "offensichtlich ganz bewusst manipuliert worden",
betonte Dorfner laut PNP. "Wenn das alles so stimmt, dann deutet das
auf kriminelles Verhalten hin." Dorfner spielte damit auf die internen
E-Mails an, die der Kripo Anfang Januar im Rahmen ihrer Ermittlungen
wegen illegaler Beschäftigung bei Berger in die Hände fielen. "Soll
ich wirklich Wildenten aus den Fasanen machen?", lasen die Ermittler.
Ebenso soll es Tipps gegeben haben, wie Frostbrand bei Straußensteaks
am besten zu verstecken ist - mit bedruckten Fensterbeuteln, "damit
man nicht so viel vom Fleisch sieht".

Mögliche Versäumnisse seitens seiner Behörde verneinte der Landrat
vehement gegenüber der Zeitung. "Ich lege für meine Leute die Hand ins
Feuer." Zwei zuständige amtliche Veterinäre - sie sind niedergelassene
Tierärzte und arbeiten im Auftrag des Landratsamtes - entband Dorfner
zwischenzeitlich von ihren Aufgaben. Eine der Hauptfragen ist nun,
warum die amtlichen Tierärzte, die offenbar täglich in den Betrieben
waren, von den katastrophalen Zuständen nichts bemerkt haben wollen.
"Sie glaubten wohl, gewisse Dinge vor Ort selber regeln zu können und
wandten sich nicht an das Veterinäramt", mutmaßte Dr. Angelika Jähde,
Leiterin des Passauer Veterinäramtes im Gespräch mit der Passauer
Neuen Presse. Landrat Dorfner hat eine weitere Vermutung: "Berger
versuchte, die Veterinäre auszutricksen." So seien auch E-Mails
aufgetaucht, in denen die Mitarbeiter aufgefordert wurden, "das noch
zu machen, bevor der Tierarzt kommt", sagte Dorfner gestern zur PNP.
Auch seien beispielsweise vier Wildschweine, die die Tierärzte nicht
begutachtet hatten, unter die von den Veterinären abgestempelten Tiere
geschmuggelt worden. "Die Verantwortung dafür trägt Herr Berger",
stellte Dorfner klar. "Nicht das Veterinäramt oder ein Tierarzt."

Die Kontrolleure des Landratsamtes, die die Betriebsstätten
"sporadisch" überprüften, hätten solch schlimme hygienischen Zustände
wie jetzt "noch nie vorgefunden", betonte Dr. Jähde. Katastrophal sei
es im Hinterhainberger Betrieb zugegangen. Dort wurden in den
vergangenen drei Monaten 21 000 Fasane verarbeitet - "und das ohne
genügend Personal und Führungskraft", erklärte Dorfner. Der dortige
Schichtführer hatte das Unternehmen im Januar verlassen. Doch wie
erklärt eigentlich der Chef, der im ersten Stock des Betriebs in
Hinterhainberg wohnt, die Ekel erregenden Zustände? "Er sei so stark
mit der Geschäftsführung beschäftigt, dass er es sich abgewöhnt habe,
durch den Betrieb zu gehen", wird Karl Bergers Antwort gegenüber dem
Veterinäramt in der PNP zitiert.


 



 

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