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AHO Aktuell - 19.01.2006

Agrarminister Seehofer informiert zur aktuellen Lage bei Vogelgrippe


Deutscher Bundestag: Rede des Bundesministers für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Horst Seehofer, zur akt.
Entwicklung im Hinblick auf die Vogelgrippe und Schutzmaßnahmen der
Bundesregierung vor dem Deutschen Bundestag am 18. Januar 2006 in
Berlin:
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Herr Präsident!

Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Die große Zahl neuer Fälle des Ausbruchs der Vogelgrippe in der
Türkei hat auch bei uns im Lande die Gefahrenlage erhöht. Die Menschen
bei uns sind deshalb in hohem Maße alarmiert und beunruhigt. Deshalb
möchte ich hier vor dem Parlament zuallererst im Namen der
Bundesregierung versichern, dass wir seit vielen Monaten mit allen
betroffenen und zuständigen Stellen - national, europäisch und
international - und auf allen berührten Feldern das in unserer Macht
Stehende tun, um die mit der Vogelgrippe verbundenen Gefahren
präventiv von Deutschland fern zu halten und aktiv in den betroffenen
Ländern zu bekämpfen.

Zunächst aber zur aktuellen Gefahrenlage und zur Risikoeinschätzung
durch die Wissenschaft: Ausgehend von Südostasien hat sich die
Vogelgrippe in den vergangenen beiden Jahren über einen Großteil des
asiatischen Kontinents ausgebreitet. Mit Rumänien, der Ukraine, dem
europäischen Teil Russlands, Kroatiens und der Türkei hat sie in den
vergangenen Monaten auch den europäischen Kontinent erreicht. Das
Territorium der Europäischen Union ist, Gott sei Dank, bislang noch
nicht von der Vogelgrippe betroffen.

Unsere aktuelle Risikoeinschätzung geht von verschiedenen möglichen
Quellen für die Einführung der Vogelgrippe nach Deutschland aus. Die
größte Gefahr geht dabei im Moment von der illegalen Einfuhr von
Geflügel und Geflügelprodukten sowie von anderen Vögeln und von
Vögeln stammenden Produkten aus den betroffenen Regionen aus. Die
Einschleppung der Vogelgrippe über Zugvögel, die nach überwiegender
Meinung der Experten für die globale Verbreitung der Vogelgrippe
verantwortlich sind, ist im Moment bei uns in Deutschland sehr
unwahrscheinlich. Diese Situation wird sich jedoch mit der Rückkehr
der Zugvögel aus den südlichen Ländern im Februar, März und April
verändern.

Als weitere mögliche Risikofaktoren beobachten wir auch den Personen-
und Fahrzeugverkehr aus den betroffenen Ländern sowie den legalen
Handel mit Geflügel und Geflügelprodukten aus nicht betroffenen
Regionen sehr genau. Auch wenn das Gefahrenpotenzial in diesen
Bereichen im Moment nicht das Ausmaß der beiden zunächst genannten
Bereiche annimmt, werden wir bei einer Veränderung der Gefahrenlage,
beispielsweise durch Auftreten der Vogelgrippe innerhalb der EU, auch
hier sehr schnell reagieren können.

Wir haben die aktuelle Situation und unsere Schutzmaßnahmen gegen die
Vogelgrippe in der Sitzung des Bundeskabinetts heute Morgen behandelt.
Wir waren übereinstimmend der Auffassung, dass mit Wachsamkeit,
Vorsicht und allem Nachdruck alles Menschenmögliche getan werden muss,
um diese Tierseuche von Deutschland fernzuhalten. Bei aller
Wachsamkeit besteht allerdings auch kein Anlass, in Panik zu
verfallen. Wir müssen auf ein koordiniertes, konzentriertes und
sorgfältiges Vorgehen nach dem Motto "Im Zweifel für die Prävention"
hinwirken und dabei sämtliche Maßnahmen zur Risikominimierung laufend
auf ihre Wirksamkeit überprüfen und gegebenenfalls kurzfristig
anpassen.

Klar ist aber auch - das möchte ich sehr deutlich wiederholen -, dass
unsere staatliche Verantwortung die eine Seite ist - da tun wir das
Menschenmögliche, übrigens auf allen Ebenen: Bund, Länder und die
Institute -, dass wir eine erfolgreiche Abwehr der Vogelgrippe aber
nicht ohne verantwortliches Handeln der Bevölkerung und der
Geflügelhalter bei uns in Deutschland erreichen. Ich kann nur noch
einmal an die gesamte Bevölkerung gerade im Hinblick auf den Reise-
und Warenverkehr appellieren, die Hinweise, Ratschläge und Tipps, die
von Fluggesellschaften und Reiseveranstaltern gegeben werden,
peinlichst genau einzuhalten. Denn im Moment liegt in der
Nichteinhaltung dieser Ratschläge und Tipps die größte Gefahr für die
Einschleppung der Vogelgrippe.

Angesichts der momentanen Gefahrenlage betrifft dies im Augenblick
vor allen Dingen das - wie ich sagte - verantwortliche und vorsichtige
Verhalten der Reisenden in den Ausbruchsgebieten und dann bei der
Rückreise nach Deutschland.

Wir haben das Aktionspaket in der letzten Woche gemeinsam mit den
Bundesländern wiederholt beraten und uns auf fünf Punkte geeinigt,
die ich kurz umschreiben möchte:

Erstens brauchen wir eine verbesserte Information der Reisenden, die
sowohl über den Luftverkehr wie auch über den Bus- und Bahnverkehr
aus den betroffenen Ländern nach Deutschland einreisen. Hierzu zählt
neuerdings auch eine gezielte Einzelbefragung bei der Einreise durch
den Zoll.

Zweitens ist die verstärkte Information unserer türkischen Mitbürger
in Deutschland notwendig, und zwar auch in türkischer Sprache, da wir
festgestellt haben, dass sie oft überhaupt nicht informiert sind.

Drittens müssen unsere nationalen Warenkontrollen, auch die des Auto-
und Busverkehrs, verstärkt werden, um illegale Importe nach
Deutschland zu verhindern, und zwar durch die optimierte
Zusammenarbeit zwischen Landesveterinär- und Bundeszollbehörden.

Viertens benötigen wir in der Bundesrepublik Deutschland die
Weiterführung beziehungsweise Ausweitung des Wildvogelmonitorings.

Fünftens geht es um die Frage des Aufstallungsgebotes. Hierzu legen
uns die Experten des Friedrich-Loeffler-Instituts bis Ende dieses
Monats eine verlässliche und wissenschaftlich begründete
Risikobewertung vor. Auf ihrer Grundlage werden wir dann kurzfristig
über Zeitpunkt, Umfang und Dauer der Aufstallungspflicht für die
Geflügelhalter in Deutschland während des Frühjahrsvogelzuges
entscheiden. Ich möchte allerdings keinen Zweifel daran lassen, dass
mit höchster Wahrscheinlichkeit auch beim Frühjahrsvogelzug wieder ein
Aufstallungsgebot in Deutschland notwendig wird.

An die Tierhalter gerichtet sage ich folgenden Satz: Es ist besser,
präventiv das Einschleppen der Seuche zu verhindern, als nach ihrer
Einschleppung neben der Gesundheitsgefährdung für die Bevölkerung
auch noch mit ihren wahnsinnigen wirtschaftlichen Folgen zu kämpfen zu
haben.

Um die Schlagkraft unserer Maßnahmen zu erhöhen, setzen wir uns im
europäischen Kontext für ein einheitliches, gleichgerichtetes und
möglichst weitgehendes präventives Vorgehen ein. Ich darf Ihnen
mitteilen, dass wir nächsten Montag im Agrarrat erneut umfassend über
diese Themen reden werden. Dort werden dann auch neue Vorschläge zur
Diskussion gestellt, die bereits in die Bund-Länder-Besprechung
eingeflossen sind, zum Beispiel die Deklarationspflicht für Reisende,
die ja nur dann Sinn macht, wenn wir sie auf europäischer Ebene
realisieren.

Deshalb müssen wir uns bewusst sein: Sosehr wir uns auch auf
nationaler Ebene anstrengen - durch unsere Behörden, unsere Institute
und hoffentlich auch mit umfassender Unterstützung durch die
Geflügelhalter und die Bevölkerung -, so sehr müssen wir uns im Klaren
darüber sein, dass letztlich kein Staat der Erde diese schlimme
Tierseuche allein bekämpfen beziehungsweise dieses Problem allein
lösen kann. Das geht nur im internationalen Kontext; darum bemühen
wir uns ganz massiv.

Ich verweise noch darauf, dass die Geberkonferenz in Peking, was den
Umfang ihrer finanziellen Zusagen betrifft, in diesen Tagen die
eine-Milliarde-Euro-Grenze überschritten hat. Daran beteiligt sich
die Europäische Union mit über 100 Millionen Euro.

Zum Schluss möchte ich sagen: Die Bevölkerung kann sich darauf
verlassen, dass wir durch konsequentes und gemeinsames präventives
Handeln alles tun, um die Gefahr der Vogelgrippe von Deutschland und
der Europäischen Union fern zu halten. Lassen Sie uns, wie wir es
seit vielen Monaten tun, weiterhin gemeinsam und in guter
Zusammenarbeit dafür sorgen, dass wir dieses Ziel erreichen. Wir
müssen darauf achten, dass wir der Vogelgrippe vorbeugend immer einen
Schritt voraus sind, statt ihr hinterherzulaufen.


 



 

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