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AHO Aktuell - 19.01.2006

Saftig oder zäh: Fleischqualität liegt in den Genen


(idw) - Wer schon einmal Fleisch über Nacht im Kühlschrank aufbewahrt
hat, kennt das Phänomen: Am nächsten Morgen schwappt auf dem Teller
eine mehr oder minder große rötliche Pfütze, Resultat des so genannten
"Tropfsaftverlusts". Zwei bis fünf Prozent seines Gewichts verliert
ein Schnitzel, Steak oder Kotelett bei der Lagerung an Wasser - je
mehr, desto zäher schmeckt das Fleisch später. Wie groß die Pfütze auf
dem Teller wird, hängt unter anderem von genetischen Faktoren ab. Die
Bandbreite ist selbst bei Tieren ein und derselben Rasse immens.
Wissenschaftler der Universität Bonn wollen nun mit Kollegen von sechs
weiteren Unis aus ganz Deutschland herausfinden, welche Erbanlagen für
diese Unterschiede verantwortlich sind. Die Deutsche
Forschungsgemeinschaft DFG fördert die Forschergruppe in den kommenden
drei Jahren mit 1,6 Millionen Euro.

Ursachen für einen hohen Tropfsaftverlust gibt es viele: So kann bei
Schweinen schon eine gesteigerte Stressbelastung vor der Schlachtung
dafür sorgen, dass ihr Fleisch Wasser nicht mehr so gut "festhalten"
kann. Inzwischen kennen die Wissenschaftler sogar ein Gen, dass den
Flüssigkeitsverlust nach Stress fördert. "Dadurch konnte man diese
Eigenschaft ganz gezielt wegzüchten", erklärt der Bonner Professor Dr.
Karl Schellander.

Doch auch bei denselben Haltungs-, Schlacht- und Lagerbedingungen
können die Wasserverluste selbst innerhalb ein und derselben Rasse um
den Faktor drei variieren. Experten sprechen von einem
unterschiedlichen Wasserbindungsvermögen des Fleischs. Schellander ist
Sprecher einer deutschlandweiten Forschergruppe, die den genetischen
Ursachen für dieses Phänomen auf die Spur kommen möchte. "Nach der
Schlachtung setzen im Muskel verschiedene biochemische Prozesse ein",
erklärt der Tierzucht-Experte. "Wir sagen auch: Das Fleisch reift. Bei
diesem Reifevorgang ändert sich beispielsweise die Durchlässigkeit der
Zellmembranen, und Zellwasser strömt aus."

Orientierung im Dschungel der Gene

Die Forscher haben an der Lehr- und Forschungsstation Frankenforst der
Landwirtschaftlichen Fakultät zwei Schweinerassen miteinander
gekreuzt, die einen eher hohen bzw. einen vergleichsweise niedrigen
Tropfsaftverlust aufweisen. Humanmediziner in Ulm wollen nun bei den
Nachkommen untersuchen, inwieweit sich bei lebenden Tieren der
Muskelfunktion unterscheidet. Eine Göttinger Gruppe vergleicht dagegen
Fleischparameter wie Eiweißzusammensetzung, Kalziumgehalt und pH-Wert
zu verschiedenen Zeiten vor und nach der Schlachtung. Die Ergebnisse
liefern bereits erste Hinweise auf mögliche Genkandidaten.

Damit einher geht die genetische Analyse. "Bei Voruntersuchungen von
mehr als 1.000 Nachkommen konnten wir bereits Bereiche auf den
Chromosomen identifizieren, in denen möglicherweise die für den
Tropfsaftverlust verantwortlichen Erbanlagen liegen", sagt Anke
Brings. Zusammen mit ihrem Kollegen Dr. Danyel Jennen treibt sie die
entsprechenden Experimente in Bonn voran. Die Wissenschaftler
benötigen diese Orientierungshilfe, sonst drohen sie sich im Dschungel
der Gene zu verlaufen: Die "Bauanleitung" von Schweinen oder Rindern
umfasst Zehntausende von Erbanlagen. Von den meisten kennt man nicht
einmal ihre Funktion.

Auch so fallen bei dem Mammutprojekt jede Menge Daten an, die
statistisch ausgewertet werden müssen. Diesen Part übernehmen
Bioinformatiker vom Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in
Berlin. Am Ende steht hoffentlich die Information, warum das
Wasserbindungsvermögen so variiert und welche Gene es positiv
beeinflussen. Schellander: "Dann könnte man gezielt Tiere auswählen,
die diese Gene tragen, und aus ihnen besonders hochwertige Rassen
züchten."


 



 

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