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AHO Aktuell - 02.06.2005

Deutschland soll dänischen Schweinezüchtern 143 Mio. EURO zahlen


Köln (aho/lme) - Das OLG Köln hat entschieden: Die Bundesrepublik
Deutschland ist dänischen Schweinezüchtern und
Schlachthofgesellschaften wegen Verletzung europäischen
Gemeinschaftsrechts dem Grunde nach schadensersatzpflichtig. Die
Feststellung der Höhe des Anspruchs, der klägerseits mit über 143
Millionen Euro beziffert wird, bleibt dem weiteren Verfahren
vorbehalten (Urt. v. 02.06.2005 - 7 U 29/04, nicht rechtskräftig).

Die Klägerin ("Danske Slagterier"), eine Organisation, die die Rechte
der dänischen Schweinezüchter und Schlachtereien wahrnimmt, macht
gegenüber der beklagten Bundesrepublik Deutschland geltend, in der
Zeit von Anfang 1993 bis April 1999 unter Verstoß gegen EU-Recht
faktisch ein Importverbot für das Fleisch nicht kastrierter männlicher
Schweine aus Dänemark verhängt zu haben. Hintergrund sind
unterschiedliche Vorstellungen beider Länder über die Methoden zur
Feststellung des - gesundheitlich unbedenklichen, von Verbrauchern
aber als beeinträchtigend empfundenen - sog. starken
Geschlechtsgeruchs, den das Fleisch nicht kastrierter männlicher
Schweine beim Erhitzen entwickelt. Das in Dänemark bevorzugte
Verfahren zur Prüfung des sog. Skatolgehalts des Fleischs wird in
Deutschland für ungeeignet gehalten und stattdessen die Messung des
Androstenonwerts (eines Hormons) für maßgeblich erachtet. Aufgrund
zweier EU-Richtlinien sollten in der Zeit ab dem 01.01.1993
veterinärrechtliche Kontrollen von für den Export vorgesehenem
Schweinefleisch auf starken Geschlechtsgeruch nur im Ursprungsland
nach einer dort anerkannten Methode durchgeführt werden und im
Bestimmungsland nur noch Stichproben-Kontrollen zulässig sein. Der
Bundesminister für Gesundheit erklärte Anfang 1993, diese Regelung
werde nicht bzw. nur derart in deutsches Recht umgesetzt, dass für die
Feststellung des starken Geschlechtsgeruchs ein bestimmter
Androstenonwert ausschlaggebend sei, bei dessen Überschreitung das
Fleisch nicht kastrierter männlicher Schweine nicht als Frischfleisch
in die Bundesrepublik verbracht werden dürfe. In einem deshalb von der
Kommission der Europäischen Gemeinschaften eingeleiteten
Vertragsverletzungsverfahren stellte der EuGH mit Urteil vom
12.11.1998 (Rs. C-102/96) einen Verstoß der Bundesrepublik gegen
Gemeinschaftsrecht fest. Erst die ab April 1999 geltende Fassung der
deutschen Fleischhygieneverordnung stand im Einklang mit dem
Gemeinschaftsrecht. Die Produktion nicht kastrierter männlicher
Schweine war in Dänemark schon im Laufe des Jahres 1993 fast völlig
eingestellt worden, nach Darstellung der Klägerin aufgrund des
Verhaltens der Beklagten und der deshalb hierzulande fehlenden
Vermarktungsmöglichkeiten. Den dadurch in der Zeit von Anfang 1993 bis
April 1999 entgangenen Gewinn beziffert die Klägerin mit über 143
Millionen Euro.

Das LG Bonn hat der Schadensersatzklage für die Zeit ab Anfang
Dezember 1996 dem Grunde nach stattgegeben und sie hinsichtlich des
davor liegenden Zeitraums wegen Verjährung der Klageforderung
abgewiesen (Urt. v. 30.01.2004 - 1 O 459/00). Von den hiergegen
seitens beider Parteien eingelegten Rechtsmitteln war nur das der
Klägerin erfolgreich, während die Berufung der Beklagten
zurückgewiesen wurde. Nach Auffassung des OLG Köln steht der Klägerin
für den gesamten in Rede stehenden Zeitraum von Anfang 1993 bis April
1999 dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch zu:

Die Klageforderung folge aus dem gemeinschaftsrechtlichen
Staatshaftungsanspruch, der sich unmittelbar aus dem
EU-Gemeinschaftsrecht ergebe. Durch die Erklärungen in den Schreiben
des Bundesministers für Gesundheit aus Januar 1993 sowie die bis zum
31.03.1999 geltende deutsche Rechtslage sei bewusst und gewollt gegen
EU-Recht verstoßen worden, wonach es auf die im Ursprungsland - also
in Dänemark - anerkannte Methode (Skatolmessung) angekommen sei und
zudem ohnehin nur Tiere mit einem Gewicht von über 80 kg überhaupt
hätten untersucht werden müssen. Dieser Verstoß stelle eine Verletzung
des Grundsatzes des freien Warenverkehrs (Art. 28 EG-Vertrag) dar, der
auch die dänischen Fleischproduzenten und Schlachter schütze.

Entgegen der Auffassung des LG seien die von der Klägerin geltend
gemachten Ansprüche insgesamt nicht verjährt. Das Verhalten der
Bundesrepublik stelle sich als eine Dauerhandlung dar, für deren
Folgen die Verjährung erst mit dem Ende des Verletzungszeitraums (hier
also Anfang 1999) beginne. Unabhängig davon sei der Klägerin eine
Klageerhebung auch nicht vor der Entscheidung des EuGH vom 12.11.1998
im Vertragsverletzungsverfahren zumutbar gewesen. Die vorliegend
geltende dreijährige Verjährungsfrist sei deshalb zum Zeitpunkt der
Einleitung des vorliegenden Rechtsstreits im Jahre 1999 in keinem
Falle abgelaufen gewesen.

Das OLG Köln hat daher im Wege eines sog. Grundurteils den
Klageanspruch dem Grunde nach insgesamt für gerechtfertigt erklärt.
Zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über die Schadenshöhe ist
der Rechtsstreit an das LG Bonn zurückverwiesen worden. Die
Entscheidung des OLG Köln ist nicht rechtskräftig. Der zuständige
Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, weil
verschiedene Fragen des gemeinschaftsrechtlichen
Staatshaftungsanspruchs, insbesondere dessen Verjährung, bislang
höchstrichterlich noch nicht entschieden worden seien.




 



 

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