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AHO Aktuell - 11.03.2005

Ernüchterndes Fazit: Kranke Tiere auch im Bio-Stall


Köln / Kassel (aho) - Der ökologische Landbau hat es noch nicht
geschafft, die Gesundheit seiner Nutztiere entscheidend zu verbessern
und sich hier von der unheilvollen Entwicklung in der konventionellen
Landwirtschaft spürbar abzusetzen. Die 8. Wissenschaftstagung zum
ökologischen Landbau in Kassel offenbarte nach einem Bericht des
Journalisten Manfred Kriener in der vorigen Woche ernüchternde Fakten
zur Tiergesundheit auf Biohöfen. Zu Milchvieh und Mastschweinen liegen
die meisten Untersuchungen vor. Sie leiden unter ganz ähnlichen
Krankheiten wie die Tiere in der "normalen" Landwirtschaft. Und auch
die Krankheitshäufigkeit ist durchaus vergleichbar, berichtet Kriener
im Kölner Stadt-Anzeiger.

Diese Probleme in der ökologischen Tierhaltung treten demnach kaum an
die Öffentlichkeit. Dies mag auch daran liegen, dass hier nur wenig
Forschung stattfindet. Urs Niggli, Direktor des Forschungsinstituts
für Biologischen Landbau in der Schweiz, kritisierte, dass in Europa
nur 15 Prozent der für den Öko-Landbau aufgewendeten Forschungsmittel
in die Bereiche Tierhaltung und Tierzucht fließen, während der
Pflanzenbau fast 50 Prozent der Mittel verschlingt. "Die Tierhaltung
ist in Relation zu ihrer Bedeutung völlig unterrepräsentiert", rief
Niggli laut Kriener den 500 Teilnehmern der Tagung zu.

Wie angegriffen die Tiergesundheit in den Ställen von Ökobauern
tatsächlich ist, dokumentieren mehrere Untersuchungen, die in Kassel
vorgestellt wurden. Beim Milchvieh gelang es bisher nicht, die
Eutergesundheit der Tiere zu verbessern oder die stark verbreiteten
Lahmheiten der Kühe zu reduzieren. Das Forscher-Duo Jan Brinkmann
(Göttingen) und Christoph Winckler (Wien) präsentierte laut
Zeitungsbericht deprimierende Zahlen: Die Rate von Euterentzündungen
bei Kühen auf Biohöfen bezifferten sie auf 33,4 Prozent. Damit liege
die Krankheitshäufigkeit "in einem ähnlichen Bereich wie in
vergleichbaren konventionellen Betrieben". Obwohl Hinweise
existierten, dass die Nutztiere auch im Ökolandbau häufig überfordert
seien, war die Tiergesundheit "bisher nicht Gegenstand detaillierter
wissenschaftlicher Untersuchungen", werden Brinkmann und Winckler
zitiert. Das sollte sich mit den in Kassel vorgelegten Ergebnissen aus
kleineren Studien und Stichproben ändern. Bei den Lahmheiten der
Milchkühe sieht es ähnlich schlecht aus: 18 Prozent der in der
Brinkmann-Winckler-Studie erfassten Tiere mussten "als klinisch lahm"
eingestuft werden. Die Ursache dafür sehen die Wissenschaftler unter
anderem im "Tiermanagement": In den Betrieben mit schlecht gepflegten
und unzureichend eingestreuten Liegeflächen "wurden signifikant mehr
klinisch lahme Tiere ermittelt". Die starke Arbeitsüberlastung der
Bauern ist wohl der eigentliche Grund des Übels. Auch Ökoforscher
Bernhard Hörning (Kassel) kommt in seiner Untersuchung zur
ökologischen Rinderhaltung in Deutschland zu dem Ergebnis, dass die
Ställe "oft nicht den heutigen Empfehlungen für eine tiergerechte
Rinderhaltung entsprechen". Gut die Hälfte der von ihm untersuchten
Ökokühe wiesen krankhafte Hautveränderungen auf. In Süddeutschland sei
die Anbindehaltung auch im Biosektor noch immer weit verbreitet,
berichtet der Journalist.

Bei der Behandlung kranker Kühe sucht die Ökolandwirtschaft nach neuen
Konzepten. Bisher vergebens, so der Journalist. Die Therapieversuche
bei Euterentzündungen mit homöopathischen Mitteln oder mit Kräutern
hatten bisher keinen Erfolg, wie mehrere Studien zeigen. Aber auch
Antibiotika bringen meist keine Heilung. Bei chronischen
Euterentzündungen helfe oft nur die Schlachtung der Tiere.

Die Schweine im Ökolandbau leiden unter ganz anderen Krankheiten, aber
die Situation ist ähnlich bedrückend. Der Kasseler Wissenschaftler
Albert Sundrum erinnerte in diesem Zusammenhang an die hoch gesteckten
Erwartungen der Verbraucher, denen - zuletzt auf der Messe Biofach in
Nürnberg - "gesundes Fleisch von gesunden Tieren" versprochen wird.
Die Realität sieht anders aus, berichtet das Blatt. Sundrum hatte
Schlachtkörper und Organbefunde von Schweinen aus 21 Biobetrieben
untersucht und sich parallel dazu die Haltungsbedingungen angesehen.
Ihm fielen eine ganze Reihe von Missständen auf. So verfügten "13
Betriebe nicht über einen Auslauf, den sie den Tieren ganzjährig zur
Verfügung stellen konnten; nur drei der 21 Betriebe hatten einen
Auslauf, der entsprechend der EU-Verordnung ausgestattet und
dimensioniert war". Außerdem entdeckte Sundrum laut Zeitungsbericht
"erhebliche Defizite bei der Hygiene". Auch die Fütterung zeige
"erhebliche Mängel" mit schlechter Proteinversorgung.

Größtes Gesundheitsproblem in der Schweinehaltung sind Endoparasiten
(Würmer). Wandernde Parasitenlarven können leicht die Leber angreifen.
Und tatsächlich waren bei den Schlachtkörper-Untersuchungen
entsprechende Leberbefunde auffällig: Nur 36 Prozent von mehr als
4.100 untersuchten Ökoschweinen hatten eine vollkommen gesunde Leber.
Die Lungenbefunde waren bei Ökoschweinen zwar besser als bei
konventionell gehaltenen Tieren, aber die Lebergesundheit war deutlich
schlechter. Sundrum sieht erheblichen Handlungsbedarf. Ökoprodukte
tierischen Ursprungs müssten von gesunden Tieren stammen, so sein
Appell an die Betriebe, aber auch an die Bioverbände. Gerade die
Verbände hätten die Probleme in der Tierhaltung noch nicht ausreichend
zur Kenntnis genommen. Sundrum laut Kölner Stadt-Anzeiger: "Je früher
wir uns dem Thema stellen, desto schneller können wir die Situation
verbessern."


 



 

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