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AHO Aktuell - 09.03.2005

Morbus Crohn und Paratuberkulose: Eine Chronologie


(aho) - Man kann ihnen kaum entgehen: Bakterien vom Typ Mycobacterium
avium paratuberculosis Sie kommen in Flüssen und Bächen, in
Trinkwasserleitungen, in Würmern, auf Gemüse, in Wildtieren, in
Vögeln, in Hunden, in Katzen, in Gorillas, in Rindern, in Schafen und
Ziegen vor und verursachen vermutlich das Krankheitsbild "Morbus
Crohn" beim Menschen. Für Tierärzte und Landwirte ist das
Mycobacterium avium paratuberculosis - kurz MAP genannt - ein "alter
Bekannter". Ist er doch bei Wiederkäuern für die Paratuberkulose,
einer unheilbaren Darmentzündung, verantwortlich. Seit vielen
Jahrzehnten wird der Erreger aber auch im Zusammenhang mit der
chronischen Darmentzündung "Morbus Crohn" (MC) bei Menschen
diskutiert. Mit dem Fortschritt der Forschung und verbesserten
Untersuchungsmethoden finden sich immer mehr Belege für diese
Hypothese.

Eine Auswahl

· 1913: Thomas Kennedy Dalziel beschreibt im "British Medical
Journal" die Ähnlichkeit der Erkrankungen bei Mensch und Wiederkäuer.
Seine Hinweise blieben aber weitgehend unbeachtet.

· 1978: Wissenschaftler berichten in der Fachzeitschrift
"Lancet" über den Verdacht, dass MAP am Morbus Crohn beteiligt ist.

· 1986 gelang es mit MAP, die von Morbus-Crohn-Patienten
isoliert wurden, bei Ziegenlämmern Paratuberkulose hervorzurufen.

· 1989: Dr. Rodrick J. Chiodini beschreibt in einer
umfangreichen und vielbeachteten Veröffentlichung den möglichen
Zusammenhang zwischen Paratuberkulose und Morbus Crohn

· Im Jahre 1995 berichten Ärzte aus Houston, Texas, dass eine
gegen MAP gerichtete dreimonatiger Antibiotikatherapie bei fünf von
sieben Morbus-Crohn-Patienten zu einer dauerhaften Remission des
Krankheitsbildes führte.

· 1998: Das Britische Landwirtschaftsministerium meldet, dass
MAP das Pasteurisieren der Milch übersteht

· 2000: Amerikanische Wissenschaftler beweisen, das an Morbus
Crohn erkrankte Frauen den Erreger über die Muttermilch ausscheiden.

· 2000: Bundesanstalt für Milchforschung bestätigt das Überleben
von MAP beim Pasteurisieren.

· Im Jahre 2002 wurde zum erste Mal durch den Nachweis von MAP
in Deutschland der erste Fall einer Erkrankung an Paratuberkulose beim
Menschen am Universitätsklinikum Münster diagnostiziert. Es war ein
durch HIV immungeschwächter 36 Jahre alter Mann, der in Folge der
Infektion an Durchfällen, Fieber und Abmagerung litt.

· Am 16. Juni 2003 erläuterte Professor Stange vom
Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart mit seinem Forschungsteam in
einer Pressekonferenz einen völlig neuen Erklärungsansatz zur
Entstehung des Morbus Crohn. Sie hatten nachgewiesen, dass
Crohn-Patienten gegenüber Gesunden deutlich weniger sogenannte
Defensine in der Darmschleimhaut bilden. Es sind kleine antibiotisch
wirksame Eiweißmoleküle des angeborenen Abwehrsystems, die gewöhnlich
eindringende, den Darm schädigende Mikroorganismen eliminieren. Fehlen
die Defensine, so können sich Bakterien wie ein Biofilm auf der
Darmschleimhaut anheften und eindringen. Dies hat
Entzündungsreaktionen in der Darmschleimhaut zur Folge, wie sie für
den Morbus Crohn typisch sind. Diese Hypothese erklärt auch, warum
viele Patienten auf bestimmte Antibiotika gut ansprechen. Es besteht
zudem kein Widerspruch zu der nachgewiesenen Zusammenhang des Morbus
Crohn mit Mutationen im sogenannten NOD2-Gen. Dieses Gen vermittelt
die Freisetzung von Defensinen, sodass eine Mutation in diesem Gen mit
einer gestörten Bildung der Defensine einhergehen kann. Professor
Stange sagte nicht, welche Bakterien eine Rolle spielen.

· Im November 2003 war dann in der Zeitschrift "Gut" zu lesen,
dass es möglich sei, den MAP-Erreger aus Darmgeschwüren zu isolieren.

· Das Fachjournal "The Lancet" berichtet im September 2004, dass
es gelungen sei, MAP aus Blutzellen vom MC-Patienten zu isolieren und
anzuzüchten.

· Januar 2005: Wissenschaftler berichten, dass es ihnen - wie
vielen zuvor - gelungen ist, MAP in der entzündeten Darmwand von
MC-Patienten mit zwei unabhängigen Test nachzuweisen.

Antibiotisch geheilt

Immer wieder lassen Einzelfallberichte über die Heilung von
Morbus-Crohn-Patienten durch Antibiotika aufhorchen. Bemerkenswert ist
die Krankheitsgeschichte eines deutschen Tierarztes, der nach der
Diagnose "Morbus Crohn" durch eigenes tierärztliches Wissen und
Hinweise aus der Fachliteratur auf eine mögliche Beteiligung des
Paratuberkuloseerregers (MAP) stieß. Er beauftragte ein
Veterinärinstitut, sein eigenes Blut einem Paratuberkulosetest für
Rinder zu unterziehen. Der Test erbrachte extrem hohe Werte. Da in
Deutschland zu dieser Zeit kein Humanmediziner zu finden war, der mit
der antibiotischen Behandlung des Morbus Crohn vertraut war, begab er
sich in die Behandlung von Professor Hermon-Taylor, weltweit
anerkannter Morbus-Crohn-Fachmann vom St. George's Hospital Medical
Center in London. Die britischen Spezialisten bestätigten die
"tierärztliche" Diagnose. MAP wurde nachgewiesen. Eine zweijährige
antibiotische Behandlung heilte den Patienten sowohl klinisch als auch
mikrobiologisch. Die Behandlung und die Antibiotika musste der
Tierarzt nicht selbst zahlen, da es privat krankenversichert war. Als
Kassenpatient wäre er auf den Kosten sitzen geblieben, da es sich
nicht um eine anerkannte Behandlungsmethode handelte. Eine
jahrzehntelange Behandlung mit Cortison und eine chirurgische
Entfernung veränderter Darmteile hätte die Krankenkasse klaglos
übernommen.


 



 

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