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AHO Aktuell - 03.02.2005

Das Haar in der Suppe - Knochen im Ackerboden!


(idw) - Als Folge der BSE-Krise dürfen Futtermittel für
landwirtschaftliche Nutztiere keine Bestandteile tierischen Ursprungs
mehr enthalten. Diese, zunächst bis 2006 befristete EU-Verordnung,
soll unterbinden, dass "Fleisch-Knochen-Mehl" (FKM) (häufig einfach
auch nur als "Tiermehl" bezeichnet), in die Futtertröge gelangt. Unter
FKM versteht man die erhitzten, getrockneten und vermahlenen Reste von
tierischen Schlachtkörpern. Die wiederum machen etwa ein Drittel aller
entsorgungspflichtigen tierischen Schlachtabfälle aus, unter die auch
Blut, Federn und sonstige, üblicherweise nicht in Nahrungsmitteln
verwendete oder aus hygienischen Gründen zu beseitigende Bestandteile
der Tierkörper fallen. FKM darf weiterhin als Düngemittel verwendet
werden, aber auch hierfür nur FKM der so genannten Kategorie III,
welches nur aus nicht vermarktetem oder vermarktbarem, aber dennoch
für den menschlichen Genuss geeignetem Material hergestellt worden
sein darf ("fit for human consumption").

Kontrolliert wird die Einhaltung des Verfütterungsverbotes durch die
Futtermittelverkehrskontrolle, indem mittels Mikroskopie in
Futtermittelproben u.a. nach Knochenfragmenten und anderen tierischen
Bestandteilen, wie Muskelfasern, Haaren oder Federresten, gesucht
wird. Wichtig für die Identifizierung von Knochen sind dabei die an
der Oberfläche erkennbaren "Lakunen". Wird auch nur ein winziger und
als solcher sicher anzusprechender Knochensplitter in einer
Futtermittelpartie gefunden, wird eine unerlaubte Beimischung
tierischer Bestandteile vermutet und die gesamte Partie muss
vernichtet werden ("Nulltoleranz"). Genau das passierte am 23.
November 2004 in Irland, wo die Behörden die Einfuhr von 1.645 Tonnen
deutschen Futtermittels aus Zuckerrübenschnitzeln nach einem Fund von
Knochenfragmenten blockierten. Ausgelöst durch das Europäische
Frühwarnsystem RASFF (Rapid Alert System for Food and Feed) wurden
dann in der Folgezeit auch in Deutschland vermehrt ähnliche
Futtermittelproben durchmustert und "nicht immer, aber immer öfter",
Knochenfragmente gefunden.

In diesem Kontext diskutierten Experten/Innen aus Wissenschaft,
Untersuchungsstellen und Behörden am 25.01.2005 im Institut für
Pflanzenernährung und Bodenkunde der Bundesforschungsanstalt für
Landwirtschaft (FAL) in Braunschweig über Herkunft und
Nachweismöglichkeiten für Knochenfragmente in Feldfuttermitteln.

Reste von Tierkörpern enthalten organische (weiches Gewebe, Knorpel,
Horn, Haare) und mineralische (Knochen) Bestandteile. Während die
organischen Bestandteile im Boden binnen 1-2 Jahren (weiches Gewebe)
bis 5-8 Jahren (Horn, Haare) fast völlig abgebaut sind, überdauern
Knochen weitaus längere Zeiträume. Die Dauer ist im Wesentlichen
abhängig von Säuregrad (pH-Wert) und Durchfeuchtung des Bodens.
Knochen und Knochenfragmente sind ein normaler Bestandteil von Böden,
sie entstammen verendeten oder z.B. bei Erntemaßnahmen getöteten
Kreaturen, Resten der "Mahlzeiten" und Exkrementen von Räubern (z.B.
Füchse, Greife). Bei pH-Werten > 6 ist auch in Zeiträumen von mehreren
hundert Jahren keine nennenswerte Auflösung von Knochenmaterial im
Boden zu erwarten. In kalkhaltigen Böden bleiben Knochen sogar
zeitlich fast unbegrenzt erhalten: MEYER und BECKER (Uni Göttingen)
schätzten in drei Vierteln der von ihnen untersuchten Böden das
Inventar an Knochen auf 9-98 Tonnen je ha in 0-30cm Tiefe.

Die derzeit durch das Verfütterungsverbot auflaufenden Mengen an FKM
stellen europaweit ein beträchtliches Entsorgungsproblem dar, was dann
auch die Verwendung als Düngemittel attraktiv macht, denn den bisher
erzielten Preisen von etwa 200 ¤ pro Tonne FKM als Futtermittel stehen
jetzt Entsorgungspreise von etwa 200 ¤ für die Verbrennung jeder Tonne
FKM entgegen. Die mit FKM-Düngung in den Boden gelangenden
Knochenmengen liegen aber durchaus in natürlichen Größenordnungen: die
praxisübliche Anwendung von 2 Tonnen FKM je ha bringt nach
Modellrechnungen von SCHENKEL (Uni Hohenheim) in etwa soviel Knochen
je m2 in den Boden ein, wie 10 Mäusekadaver (ca. 15g).

Knochenmaterial kann durch mit dem Erntegut aufgenommene Tiere, aber
auch mit äußerlich anhaftendem oder in Knollenfrüchte eingewachsenem
Bodenmaterial aus Ackerböden in die Nahrungskette gelangen. Die
Experten stimmten darin überein, dass es derzeit weder mit der von der
EU als Standardmethode vorgeschriebenen Mikroskopie, noch mit neuesten
molekularbiologischen Verfahren (PCR, Polymerase Chain Reaction)
möglich ist, eindeutig Identität, Herkunft und Alter von
Knochenfragmenten in Böden und Feldfuttermitteln zu bestimmen.

Als Fazit stellen die Wissenschaftler fest, dass wegen des ubiquitären
Vorkommens von Knochen in Böden und unabhängig vom Einsatz
knochenhaltiger Düngemittel (wie z.B. FKM), mit sehr hoher
Wahrscheinlichkeit, Knochenmaterial in allen Feldfrüchten mit
Bodenanhaftungen (gleich ob umwelt-, oder technisch- bedingt)
nachzuweisen ist. Hierdurch werden derzeitige Nachweismethoden und
insbesondere die Nulltoleranz von Knochen in Futtermitteln, aber auch
die Rahmenbedingungen für die Verwendung von FKM zu Düngungszwecken
in Frage gestellt.


 



 

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