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AHO Aktuell - 27.01.2005

Farina di carne - Bolognese für den Acker?


(idw) - Nein, kein neues Gericht beim Italiener, "farina di carne" ist
das italienische Wort für "Tiermehl". Dessen Verwendung in der Düngung
war eines der zentralen und äußerst kontrovers diskutierten Themen auf
der FERTILEXPO vom 29.11. - 02.12.2004 in Venedig und dessen Verbleib
in Böden Thema eines Expertengespräches zum "Abbauverhalten von
tierischen Reststoffen im Boden" am 25.01.2005 im Institut für
Pflanzenernährung und Bodenkunde der Bundesforschungsanstalt in
Braunschweig. Unter (handelsfähigem) Tiermehl, genauer "Fleisch-
Knochen-Mehl" (FKM), versteht man die erhitzten, getrockneten und
vermahlenen Reste von nicht vermarkteten oder vermarktbaren tierischen
Schlachtkörpern. Und die wiederum machen etwa ein Drittel aller
tierischen Abfälle aus, unter die auch Blut, Federn und sonstige
üblicherweise nicht in Nahrungsmitteln verwendeten oder aus
hygienischen Gründen zu beseitigende Bestandteile der Tierkörper
fallen.

In den Handel kommt nur FKM, welches aus "für den menschlichen Genuss
tauglichen" Teilen der Tierkörper gewonnen wird. Auf den ersten Blick
sieht FKM tatsächlich wie Bolognese aus und wanderte bis vor einigen
Jahren als preiswerte Eiweißquelle zurück in die Futtertröge. Als
Folge der BSE Krise ist das jedoch derzeit vorerst bis zum Jahr 2006
verboten. FKM enthält die für alle Lebewesen essentiellen
Mineralstoffe, und zwar 6-8 % Stickstoff (N) und zu 5-6% Phosphor (P).
P zählt zu den knappsten nicht erneuerbaren Ressourcen. Die derzeit
geschätzten natürlichen P-Vorräte reichen weltweit nur noch für 50-150
Jahre. Die in FKM anfallende Menge an P entspricht zwar weniger als 10
% des P-Bedarfs der deutschen Landwirtschaft insgesamt, aber immer
noch etwa einem Drittel des Verbrauches an mineralischen P-Düngern,
was heißt, dass die Rückführung dieser P-Mengen in einen geschlossenen
P-Kreislauf essentiell für nachhaltiges Wirtschaften mit der
natürlichen Ressource P ist.

Im vergangenen Jahr fielen in Deutschland 163 Millionen kg, in
Italien sogar 260 Millionen kg FKM an, von denen in Deutschland nur
noch 4 %, in Italien, wie auf der FERTILEXPO berichtet, aber
erstaunliche 22 % zu legalem Futter für Haustiere verarbeitet wurden.
Die durch das Fütterungsverbot auflaufenden Mengen an FKM stellen
mittlerweile europaweit ein beträchtliches Entsorgungsproblem dar, was
dann auch die Verwendung als Düngemittel attraktiv macht, denn den
bisher erzielten Preisen von etwa 200 ¤ pro Tonne FKM als Futtermittel
stehen jetzt Entsorgungspreise von etwa 200 ¤ für die Verbrennung
jeder Tonne FKM entgegen.

In der Düngemittel-Verordnung (DüMV) werden die FKM dem
Düngemitteltyp "organische NP-Düngemittel" zugeordnet. Gegenüber
Mineraldüngern haben FKM hinsichtlich der Wirkung des in ihnen
enthaltenen N und P jedoch Nachteile. Da ist zunächst einmal die
erhöhte Unberechenbarkeit der Mineralisation des N aus Eiweißen. N aus
tierischen Reststoffen wirkt langsam, ist aber dennoch voll ausnutzbar
und dementsprechend in voller Höhe in kalkulatorischen N-Bilanzen zu
berücksichtigen. Aus der verzögerten Wirkung organisch gebundenen N
können sich Nachteile hinsichtlich der produktionstechnischen
Koordinierung der zeitlichen Koinzidenz von N-Bedarf der Pflanzen und
N-Bereitstellung aus Düngemitteln durch Mineralisation ergeben. Daher
sind die insgesamt zu erwartenden Verluste höher und der
Ausnutzungsgrad von N aus tierischen Reststoffen etwa 10 % niedriger
anzusetzen als bei mineralischem N. Weiterhin ist zu bedenken, dass
sich das Bodenleben hauptsächlich von Abbauprodukten pflanzlicher
Substanzen ernährt, faktisch also überwiegend "vegetarisch" lebt. FKM
dagegen wird von den Räubern in der Nahrungskette bevorzugt und gibt
diesen dadurch einen ökologischen Vorteil und beeinflusst die
Biodiversität des Bodenlebens.

Aus Sicht der Pflanzenernährung ist bei Einsatz von FKM als NP-Dünger
zu berücksichtigen, dass P in tierischen Reststoffen, wie eben FKM,
überwiegend den apatitischen Mineralien der Knochensubstanz entstammt.
Dieser ist hinsichtlich seiner Wirkung auf die P-Versorgung der
Pflanzen weicherdigen Rohphosphaten und so genannten "Moordüngern"
vergleichbar und damit nach einstimmiger Expertenmeinung unter den
physikochemischen Bedingungen der meisten Ackerböden selbst humider
Klimate nur sehr eingeschränkt pflanzenverfügbar. Ohne weiteren
chemischen Aufschluss der P-Fraktion kann von organischen NP-Düngern
aus FKM allenfalls auf sauren (pH < 5,5) Böden und bei ausreichend
hohem Vermahlungsgrad der mineralischen Fraktion (Siebdurchgang 90 %
bei 0,063mm; 99 % bei 0,0125mm (entsprechend den Vorgaben der DüMV für
P-Dünger basierend auf Rohstoffen apatitischen Ursprungs) eine
nennenswerte P-Wirkung erwartet werden.

Am Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde der
Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) werden seit 2001
Versuche mit FKM als Düngemittel durchgeführt und an der Verbesserung
der Verfügbarkeit des in FKM enthaltenen P geforscht. Grundlage ist
dabei die thermische Verwertung (Verbrennung) von FKM. Zur
Verbesserung der Löslichkeit des beim Verbrennungsprozess
kristallisierenden P wurde auf der FERTILEXPO eine an der FAL
entwickelte Kombination der Aschen mit elementarem Schwefel
vorgestellt. Der Schwefel wird durch im Boden angereicherte
Thiobazillen zu Schwefelsäure umgesetzt, die wiederum kristallisiertes
P apatitischen Ursprungs für die Pflanzen verfügbar macht. Die
Tatsache, dass sowohl elementarer Schwefel als auch Knochenmehlaschen
in den Positivlisten der EU Verordnung 2092/91 enthalten sind, macht
dieses neue Düngemittel auch im ökologischen Landbau einsetzbar.
Besonders hervorzuheben sind dann auch die im Vergleich zu
Handelsdüngern geringeren Gehalte an Schwermetallen, insbesondere
Cadmium und Uran.


 



 

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