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AHO Aktuell - 04.09.2004

Chemikalien und Arzneimittel gelangen ungehindert in die Gewässer


Düsseldorf (aho) - Industriechemikalien, Flammschutzmittel, Pestizide,
Arzneimittelrückstände und Hormone - auch in Kläranlagen in
Nordrhein-Westfalen findet sich ein wahrer Chemiecocktail. Viele
dieser Stoffe können aber nicht aus dem Wasser gefiltert werden,
obwohl die Kläranlagen in NRW zu den modernsten in Europa gehören. Das
ist das Ergebnis einer Studie unter dem Titel "Untersuchung zum
Eintrag und zur Elimination von gefährlichen Stoffen in kommunale
Kläranlagen", für die im Auftrag des Umweltministeriums von der
Universität Dortmund erstmals mehr als 70 Einzelstoffe auf ihr
Abbauverhalten untersucht wurden.

Umweltministerin Bärbel Höhn: "Dank modernster Analysemethoden konnten
wir auch kleinste Mengen der Stoffe im Wasser nachweisen. Da diese zum
Teil giftigen Substanzen aufgrund ihrer Molekülstruktur mit den
bestehenden technischen Möglichkeiten nicht aus dem Wasser gefiltert
werden können, passieren sie die Kläranlage ungehindert und gelangen
so in die Gewässer und damit unter Umständen sogar in unser
Trinkwasser. Mit der Studie haben wir nun zum ersten Mal einen sehr
ausführlichen Überblick darüber, bei welchen problematischen Stoffen
wir von welcher Konzentration ausgehen müssen. Viele Stoffe haben wir
durch verbesserte analytische Methoden nun zum ersten Mal überhaupt
nachweisen können. Diese umfangreiche ökologisch-toxikologische
Untersuchung ist bisher einzigartig in Europa. Sie bietet die Basis
für weitere Studien, die nach Möglichkeiten suchen werden, wie diese
Stoffe in Zukunft minimiert oder eliminiert werden können. Ich setze
dabei auch auf die Membrantechnologie."

Nordrhein-Westfalen ist in diesem Technologiefeld weltweit führend.
So ist die größte kommunale Membrankläranlage der Welt in diesem
Sommer in Kaarst in Betrieb gegangen, und in Bergkamen wird das
Abwasser des Chemieunternehmens Schering seit diesem Sommer durch die
bisher größte industrielle Membrankläranlage gereinigt. Rein technisch
ermöglicht es die Membrantechnologie, durch feinporige Filter einen
großen Teil der problematischen Giftstoffe aufzufangen. Die praktische
und großflächige Umsetzung dieser Möglichkeit wurde bisher aber noch
nicht getestet. Die Membrantechnik ist heute bereits für viele
Bereiche eine erprobte Alternative zu klassischen Verfahren in der
kommunalen und industriellen Abwasserreinigung und kann zur
Reduzierung der Kosten und Minderung von Umweltbelastungen beitragen.

Umweltministerin Bärbel Höhn: "Als Konsequenz aus unserer Studie
werden wir nun im Anschluss zwei weitere Untersuchungsvorgaben
starten. So soll zum einen nach Möglichkeiten gesucht werden, wie die
giftigen Stoffe in den Kläranlagen herausgefiltert werden können, und
mit welchem finanziellen Aufwand dabei zu rechnen ist. Eine
Möglichkeit ist die Membrantechnologie, wir untersuchen aber auch
weiterer Verfahren. In einer weitere Studie wollen wir prüfen, in
welchen Konzentrationen die gefundenen Stoffe in der Umwelt vorkommen
und welche Auswirkungen sie auf Mensch und Umwelt haben. Auf
Initiative von NRW wird sich noch in diesem Jahr eine Bund-Länder
Arbeitsgruppe mit dieser Thematik auseinandersetzen."

Viele der gefundenen toxischen Stoffe wie Industriechemikalien und
Schwermetalle werden von Industrie- und Gewerbebetrieben in die
Kanalisation eingeleitet. Kommunale Kläranlagen sind aber für die
Behandlung von häuslichem Abwasser ausgerichtet. Auf biologischem Wege
entfernen sie Eiweiß, Fett und Kohlehydrate sowie die wichtigen
Pflanzennährstoffe Kohlenstoff, Phosphor und Stickstoff aus dem
Wasser. Doch auch die Haushalte selber belasten die Gewässer durch
Haushaltschemikalien und Medikamente, immer öfter aber auch durch
große Mengen von Rückstände so genannter Personal Care-Produkte wie
Shampoos und Cremes. Ein weiteres Problem sind Flammschutzmittel,
deren Gehalte im eingeleiteten Abwasser bis zum zehnfachen die
Qualitätsanforderungen für Gewässer überschreiten. Solche Mittel
kommen unter anderem in der Textilproduktion zum Einsatz, und gelangen
mit der Wäsche aus der Kleidung in das Abwasser. Für die Gewässer sind
selbst geringe Konzentrationen von solchen giftigen Stoffen ein
Problem, weil sie von Pflanzen und Mikroorganismen aufgenommen werden,
sich teilweise anreichern und unter Umständen auch in das Grundwasser
gelangen.

Eine Verbesserung dieser Gewässersituation ist dringend geboten, weil
die EU-Wasserrahmenrichtlinie erstmals europaweit verbindliche
Qualitätskriterien definiert und bis zum Jahr 2015 einen guten
ökologischen Zustand aller Gewässer erreichen will. Das vielleicht
ehrgeizigste Ziel auf diesem Weg stellt das sogenannte "phasing out"
von gefährlichen Stoffen dar. Dabei geht es darum, jegliche Einleitung
von gefährlichen Stoffen, die aufgrund ihrer Anreicherungsfähigkeit
häufig auch den Lebensraum Meer schädigen, zu unterbinden.


 



 

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