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AHO Aktuell - 03.09.2004

EU-Projekt: TiHo forscht für Reduzierung von Tierversuchen


Hannover (aho) - Am Institut für Lebensmittel-toxikologie und
Chemische Analytik der TiHo wurde im August ein von der EU
gefördertes Projekt zur Entwicklung von Methoden, mit denen
Tierversuche minimiert oder ersetzt werden können, gestartet. Den
TiHo-Wissenschaftlern, unter der Leitung von Professor Heinz Nau,
werden dafür rund 340 000 Euro zu Verfügung gestellt. Das Programm
"ReProTect", an dem EU-weit 35 Arbeitsgruppen beteiligt sind, wird
zunächst für drei Jahre mit insgesamt 13,5 Mio. Euro gefördert. Ziel
des Projektes ist es, neue Methoden zur Risikoabschätzung von
potentiell toxischen Substanzen in der Umwelt sowie in Lebensmitteln
(Lebens-mittelinhalts- und Zusatzstoffe, Verunreinigungen, Rückstände)
zu entwickeln, die vor allem auf tierversuchsfreie Zellkulturen
beruhen.

Zur Überprüfung, ob eine Substanz während der Reproduktion oder auf
die Entwicklung der Nachkommen toxisch wirkt, gibt es noch keine
gesicherten Ersatzmethoden. Hier setzt das Programm ReProTect an: Es
sollen neue Methoden entwickelt werden, die es erlauben, in vitro,
also im Reagenzglas die Toxizität von Sub-stanzen auf die
Fruchtbarkeit, die Einnistung der befruchteten Eizelle in die
Gebärmutter (Implantation), den Austausch über die Plazenta, die
embryonale und fetale Entwicklung, sowie die Phase nach der Geburt
einschließlich der Stillzeit zu testen.

Mit den bisherigen in vitro Verfahren zur Aufdeckung von
reproduktionstoxikologischen Effekten konnten nur Substanzen getestet
werden, die direkt wirken. Eine Vielzahl von Substanzen wie z. B.
verschiedene Lebensmittelkontaminanten (Nitrosamine, halogenierte
Kohlenwasserstoffe, heterozyklische aromatische Amine oder einige
Mykotoxine wie Aflatoxin B1) müssen aber erst im Organismus
verstoffwechselt werden, bevor sie ihre Toxizität entfalten. Die
Aufgabe des Instituts für Lebensmitteltoxikologie der TiHo innerhalb
des ReProTect- Programms ist es daher, Systeme wie Leberzellenkulturen
zu entwickeln, die es vermögen, Stoffwechselprodukte der
Testsubstanzen zu erzeugen, die auf die Zellkulturen einwirken können
und mit diesen kompatibel sind. Als Testzellen wird z. B. die
D3-Stammzellinie der Maus verwendet oder Reporterzellkulturen, die es
erlauben, die Wechselbeziehung der zu testenden Substanzen mit
Rezeptoren im Zellkern zu messen. Das Ziel der Arbeiten des Instituts
für Lebensmitteltoxikologie innerhalb dieses Programms ist es, die
toxische Potenz von Substanzen wie Lebensmittelkontaminanten und
-rückständen (z. B. von Tierarzneimitteln und Bioziden), die erst
durch die Verstoffwechselung aktiviert werden, mit Ersatzmethoden zu
erkennen. Auch soll der pharmazeutischen Industrie eine Möglichkeit an
die Hand gegeben werden, in einem sehr frühen Stadium schädliche und
insbesondere irreversible Nebenwirkungen bei der Reproduktion zu
erkennen, und so die Entwicklung entsprechender toxischer Substanzen
gar nicht weiter zu verfolgen.

Nach dem EU-Weißbuch "Strategie für eine zukünftige
Chemikalienpolitik" (2001) sowie der Änderung der Kosmetikrichtlinie
(2003) sollen in Zukunft nur noch in vitro Methoden zur Durchführung
sicherheitstoxikologischer Prüfungen eingesetzt werden. Bis zum Jahr
2012 sollen 30 000 "Altstoffe" mit einem jährlichen Produktionsvolumen
von 1-10 Tonnen, ausschließlich mit Ersatzmethoden getestet werden
(Programm REACH der EU). Diese Altstoffe werden bereits seit Jahren
verwendet, wurden aber noch nicht auf ihre Toxizität geprüft. 45 Mio.
Tierversuche wären ohne Ersatzmethoden für die Prüfung dieser Menge an
Substanzen nötig. Auch dürfen Kosmetika zukünftig nicht mehr mit
Tierversuchen getestet werden. Schon heute ist es nicht erlaubt,
Toxizitätstests mit Tierversuchen durchzuführen, wenn es bereits
verlässliche und zugelassene Ersatzmethoden gibt. Solche in vitro
Tests sind derzeit noch sehr rar, und beschränken sich auf die
Erkennung der lokalen Toxizität von Substanzen wie Tests zu
Hautverätzungen bzw. -irritationen, Photosensibilisierungen oder
Augenreizungen.

Diese in ReProTect neu zu entwickelnden Methoden beschränken den
gesundheitlichen Verbraucherschutz keinesfalls, sondern stellen ihn
trotz Verringerung der Tierversuche durch die Anwendung moderner zell-
und molekularbiologischer Methoden sowie genetischer Verfahren auf
eine sichere und wissenschaftlich fundierte Basis.

Weltweit werden nach wie vor etwa 100-150 Millionen Wirbeltiere pro
Jahr in Tierversuchen eingesetzt. Durch frühe Bemühungen, Tierversuche
zu reduzieren bzw. Zell- und Organkulturen einzusetzen, sank die Zahl
der Wirbeltiere, die in Deutschland verwendet wurden, von 2,7
Millionen im Jahre 1989 auf 1,6 Millionen im Jahre 1999. In den
letzten Jahren stiegen diese Zahlen wieder etwas an. Das ist vor allem
auf die Etablierung von neuen genetischen Tiermodellen, die die
Untersuchung der Funktion einzelner Gene möglich machen (z. B.
Knockout-Mäuse), zurückzuführen.


 



 

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