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AHO Aktuell - 15.11.2003

Infektionskrankheiten wirksam abwehren


Hannover (aho) - Konventionelle Impfmethoden haben in der Vergangenheit einen
großen Beitrag zur Seucheneindämmung in der landwirtschaftlichen Tierhaltung
geleistet und gehören weiterhin zum Standardprogramm in der Gesunderhaltung der
Tiere. Gleichzeitig aber werden Grenzen erreicht, die nur über Weiter- oder
Neuentwicklungen überwunden werden können. Inwieweit moderne molekularbiologische
Technologien dazu beitragen können, schwere Infektionskrankheiten einzudämmen,
wurde am 9. Oktober 2003 an der Tierärztlichen Hochschule Hannover im Rahmen des
diesjährigen Herbstsymposiums der Akademie für Tiergesundheit diskutiert.

Grundsätzlich gelten für neue Konzepte die gleichen Anforderungen, wie sie z.B.
auch an konventionelle Tot- oder Lebendimpfstoffe gestellt werden. „Die Wirkstoffe
müssen maximale Unschädlichkeit bei maximaler Wirksamkeit bieten“, so eine
Grundforderung von Martin Beer von der Bundesforschungsanstalt für
Viruskrankheiten der Tiere, Insel Riems. Die Entwicklung neuer Konzepte für
Markerimpfstoffe in Verbindung mit einer effektiven Markerdiagnostik hätte in
diesem Zusammenhang bereits zu großen Erfolgen geführt. Mit Hilfe von
Markerimpfstoffen sei es möglich gewesen, nahezu die gesamte EU frei von der
Aujeszky`schen Krankheit zu machen, so Beer weiter.
Darüber hinaus würden schon eine Reihe weiterer gentechnisch modifizierter
Impfstoffe erfolgreich eingesetzt, beispielsweise gegen die Herpesinfektion bei
Geflügel. Beer verwies auch darauf, dass solche Entwicklungen auf vielfältigste
Weise erfolgten. Beispielsweise gelänge es schon sehr gut, Antikörper über
Pflanzen auf dem Wege der Fütterung an die Tiere zu bringen. Auch wenn die neuen
Methoden sich überwiegend noch im Versuchsstadium befänden, so das Fazit von Beer,
gehöre den gentechnisch veränderten Impfstoffen die Zukunft. „Die
wissenschaftlichen Fortschritte sind jedoch häufig schneller erreicht, als die
Umsetzung durch Industrie, Politik und Verbraucher,“ so ein Fazit des Referenten.
Grundlagenforschung über Zusammenhänge und Wirkungsweisen sowie die praktische
Umsetzung der daraus gewonnenen Erkenntnisse stellen für Uwe Völker von der
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald ein zentrales Thema dar. „Mit der
Entschlüsselung des ersten bakteriellen Genoms im Jahr 1995 hat eine neue Ära der
biologischen Forschung begonnen“, so Völker, „ wir kannten nun den kompletten
Bauplan einer Zelle.“ Ziel der funktionellen Genomanalyse sei es nun, mehr über
funktionelle und regulatorische Zusammenhänge zu erfahren. Über die
Grundlagenforschung hinaus leiste die Genomanalyse aber bereits einen wichtigen
Beitrag zur Entwicklung neuer Bekämpfungsstrategien von Infektionskrankheiten,
dies vor allem im diagnostischen und therapeutischen Bereich.

Über die wachsende Bedeutung von Impfstoffen bei der Bekämpfung bakterieller
Infektionserreger referierte Gerald F. Gerlach vom Institut für Mikrobiologie an
der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Vor allem mit Sicht auf die ständig
wachsende Kritik am Einsatz von Antibiotika entstehe Handlungsbedarf. Auch die
Änderungen im Haftungsrecht führten dazu, dass Pathogenfreiheit beim lebenden Tier
zunehmend an Bedeutung gewinne. Dies stelle ein Problem dar, da es bisher keine
antibakteriellen Impfstoffe gebe, die anhand serologischer Untersuchungen eine
sichere Unterscheidung von geimpften und gesunden sowie von geimpften und
infizierten Tieren erlaubten. Die Entwicklung sogenannter Negativ-Markerimpfstoffe
müsse deshalb auch für antibakterielle Impfstoffe vorangetrieben werden, so
Gerlach.

Dass auch Visionen in den nüchternen Naturwissenschaften ihren Platz haben, machte
Klaus Lingelbach von der Philipps-Universität Marburg deutlich. „Die Vorhersage
von Stoffwechselwegen am Computer – das ist die Vision der Bioinformatik,“ so die
Aussage Lingelbachs. Genomprojekte existierten bereits für viele Parasiten und
bildeten eine wesentliche experimentelle Voraussetzung für Proteomanalysen mit dem
langfristigen Ziel, Stoffwechselwege der Zelle aufzuklären und damit neue
Zielstrukturen für Medikamente oder Impfstoffe zu identifizieren. Zu bedenken ist
dabei jedoch, dass es sich bei Parasiten um äußerst komplexe, eine Fülle von
Abwehrstrategien entwickelnden Organismen handele, so dass ein Reihe von
Hindernissen zu überwinden sei. Erste Erfolge zeichneten sich jedoch z.B. auch
durch die Erkenntnis ab, dass in bestimmten Parasiten, den Parasiten aus der
Gruppe der Apicomplexa, pflanzenspezifische Stoffwechselwege vorlägen. Diese
Identifizierung eröffne völlig neue therapeutische Perspektiven, bei Bekämpfung
der Malaria beispielsweise.

Dass die Wirksamkeit eines neu entwickelten Verfahrens noch keine Garantie für die
erfolgreiche Praxistauglichkeit darstelle, erläuterte Dieter Lütticken, Intervet
International, aus der Sicht der Industrie. Hohe Ansprüche sowohl bei Herstellern,
Anwendern, Politik und Verbrauchern sowie Anforderungen aus vielen gesetzlichen
Regelungen seien zu erfüllen. Das werde umso schwieriger, je weniger
deckungsgleich diese Anforderungen seien. Darüber hinaus sei die Entwicklung neuer
Konzepte sehr zeit- und kostenaufwendig. In Europa wirkten sich diese Umstände
bereits negativ auf den Innovationsgeist aus, so Lütticken weiter. Untersuchungen
kamen zu dem Ergebnis, dass Europa nur einen Anteil von 20-25% an
Impfstoffinnovationen aufweise. Ausgesprochen hemmend würden sich auch
Handelsrestriktionen auswirken. Diese Problematik sei vom Einsatz der
Markerimpfstoffe her hinlänglich bekannt.

Fazit

Dass solche Handelsbeschränkungen nicht notwendig seien, betonte Volker Moennig
von der Tierärztlichen Hochschule Hannover in seinem Schlusswort. „Die neuen
Impfstoffe sind sicher und jeder will sie haben. Demgegenüber stehen die
Schwierigkeiten der Zulassung – eine Lücke, die geschlossen werden muss“, so
Moennig. Die Seuchenbekämpfung mittels Keulung sei darüber hinaus in der
Öffentlichkeit nicht mehr zu vermitteln, was ebenfalls den Druck verstärke, nach
neuen Technologien zu fahnden. Fehlende Wissenslücken über Wirkungsweisen in der
Parasitologie müssten durch verstärkte Forschung geschlossen, die Problematik von
Antibiotikaresistenzen durch die Entwicklung intelligenter Antiinfektiva gelöst
werden. Mit den molekularbiologischen Technologien sei es möglich, auf die
wachsenden Anforderungen zu reagieren und leistungsfähige Methoden zum Nutzen
aller zu entwickeln, so Moennig abschließend. Die Grundlage zum Erfolg liege u.a.
in einer engen Verbindung von Forschung, Praxis und Industrie.

 



 

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