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AHO Aktuell - 17.09.2003

Infektionserreger: Reagieren Öffentlichkeit und Politik sachgemäß?


Mainz (aho/lme) - Welche Gefahren gehen tatsächlich von altbekannten oder
neuartigen Infektionserregern aus? Reagieren Öffentlichkeit und Politik sachgemäß
auf Bedrohungen wie BSE, Milzbrand, Pocken oder SARS? Bei dem Symposium
"Infektionskrankheiten im neuen Millennium" werden namhafte Experten am 19. und
20. September in Mainz über diese und darüber hinausgehende Fragen referieren und
diskutieren.

Im Rahmen dieses Symposiums lädt die Johannes Gutenberg-Universität
Mainz ein zum Podiumsgespräch mit Ministerpräsident Kurt Beck und
Wissenschaftsminister Prof. Dr. Jürgen Zöllner

am Samstag, 20. September 2003, um 11.15 Uhr
in den Frankfurter Hof, Mainz.

Das Podiumsgespräch unter der Leitung von Prof. Dr. Volker Hentschel,
Johannes Gutenberg-Universität Mainz, steht unter der Überschrift "Eine
Infektionspolitik für Rheinland-Pfalz". Im Anschluss daran stehen Ihnen
Prof. Dr. Dr. Ernst Th. Rietschel, Leiter des Forschungsinstituts
Borstel, Prof. Dr. Hans W. Doerr, Direktor des Instituts für
Medizinische Virologie der Universität Frankfurt, und Prof. Dr. Hartmut
Lode, Direktor der Abteilung für Pulmologie und Infektiologie der FU
Berlin als Gesprächspartner zur Verfügung sowie - als Experten der
Johannes Gutenberg-Universität Mainz - Prof. Dr. Sucharit Bhakdi, Leiter
des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene, Prof. Dr.
Markus Maeurer, ebenfalls vom Institut für Medizinische Mikrobiologie
und Hygiene, und Prof. Dr. Markus F. Neurath von der I. Medizinischen
Klinik und Poliklinik.

Die Bedrohung durch Infektionen scheint allgegenwärtig - und immer
wieder kommt Angst vor neuen Seuchen auf: Innerhalb von nur wenigen
Monaten breitete sich die Lungenentzündung SARS zu einer weltweiten
Epidemie aus. Während die Welt nach dem 11. September über
Terrorangriffe mit Milzbrand oder Pocken spekulierte, warnen US-Experten
heute vor Grippeviren als einer viel gefährlicheren Biowaffe. Der
Rinderwahnsinn BSE bedrohte nicht nur die europäischen Rinderherden,
sondern ließ Befürchtungen aufkommen, die Nervenerkrankung könnte auf
den Menschen übergehen. Drei Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit,
die zeigen, dass sich auch westliche Gesellschaften mit ihrer
leistungsfähigen medizinischen Versorgung der Angst vor alten und neuen
Infektionserregern nicht entziehen können. Aber sind die Bedrohungen
real? Sind die Reaktionen angemessen? Reagieren Öffentlichkeit und
Politik sachgemäß?

"Wir stehen zu Beginn des neuen Jahrtausends bisher unbekannten
Herausforderungen gegenüber", bestätigt Prof. Dr. med. Sucharit Bhakdi
von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. "Allerdings werden oft
vermeintliche Gefahren in den Medien und der Öffentlichkeit hochgespielt
und in der Folge für nicht existente Bedrohungen Gelder vergeudet." Der
Leiter des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene will
Missverhältnisse im Umgang mit Infektionen aufzeigen und Öffentlichkeit
und Politik auf tatsächliche Bedrohungen aufmerksam machen. Bei einer
Tagung mit dem Titel "Infektionskrankheiten im neuen Millennium" werden
am 19. und 20. September in Mainz namhafte Experten zu aktuellen Fragen
der Infektionserkrankungen und Infektionserreger Stellung nehmen und
u.a. mit Ministerpräsident Kurt Beck über eine angemessene
Infektionspolitik diskutieren. "Wir wollen einen Gedankenaustausch
zwischen Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit anregen und dazu
aufrufen, in Deutschland und Rheinland-Pfalz den Handlungsspielraum für
eine moderne Infektionspolitik zu nutzen", erläuterte Prof. Bhakdi.

Zunächst werden die Referenten die globale Bedeutung von
Infektionskrankheiten herausstellen. Wie Prof. Dr. Ernst Th. Rietschel,
Leiter des Forschungsinstituts Borstel, darlegt, sterben derzeit
jährlich etwa 20 Millionen Menschen an Infektionskrankheiten.
Infektionen stehen damit weltweit hinsichtlich Morbidität und Mortalität
deutlich vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs an erster Stelle.
Nach Auffassung von Prof. Rietschel sind Forscher und Ärzte demgegenüber
zwar nicht machtlos, sie können derzeit aber mit den Mikroben
bestenfalls Schritt halten. Seiner Ansicht nach sind daher globale und
kontinuierliche Anstrengungen in der Bekämpfung von Unwissen nötig sowie
eine besondere Förderung der weiteren Erforschung von
Krankheitserregern.

Prof. Dr. Hans W. Doerr ist Direktor des Instituts für Medizinische
Virologie an der Universität Frankfurt und Leiter des deutschen Teams,
das den SARS-Erreger entdeckte. Diese neue Infektionskrankheit der
menschlichen Lunge ist erstmals in der südchinesischen Provinz Guangdong
aufgetreten und breitete sich epidemiehaft in einigen Nachbarländern
sowie in Kanada und in Einzelfällen auch auf den übrigen Kontinenten
aus. In nur wenigen Wochen gelang die weitgehende ätiologische
Aufklärung und epidemiologische Bekämpfung des "Severe Acute Respiratory
Syndrome", das durch einen neuen Coronavirus ausgelöst wird. Prof. Doerr
wird u.a. diese Untersuchungen sowie therapeutische Optionen darstellen.

BSE und biologische Waffen haben gerade in jüngster Zeit die westlichen
Gesellschaften geschockt und auf ihre latente Bedrohung durch
Infektionen aufmerksam gemacht. Prof. Dr. Sucharit Bhakdi zufolge war
die Reaktion darauf guten Teils aus Unkenntnis fehlgeleitet,
streckenweise hysterisch und unnötig kostspielig. "Aufklärung im
Interesse richtigen Handelns tut Not", so der Mediziner, der den
DFG-Sonderforschungsbereich "Invasion und Persistenz bei Infektionen" in
Mainz leitet.

Ein großes Problem der Medizin ist nach Darstellung von Prof. Bhakdi,
dass Infektionskrankheiten häufig nicht erkannt und dann auch nicht
behandelt werden. "Es gibt keine Ausbildung zum Infektiologen in
Deutschland", so Bhakdi. Mit Prof. Dr. Hartmut Lode, Direktor der
Abteilung für Pulmologie und Infektiologie an der FU Berlin, kommt auf
dem Symposium einer der wenigen Infektiologen, die es in Deutschland
gibt, zu Wort. Prof. Lode plädiert insbesondere für eine bessere
infektiologische Ausbildung und die Schaffung von universitären
infektiologischen Abteilungen. "Über 250 Infektionsdepartments in den
USA demonstrieren seit vielen Jahren die beträchtlichen Fortschritte in
der infektiologischen Forschung und auch in der individuellen
optimierten Patientenversorgung."

Gerade im Hinblick auf die Patientenversorgung gilt es nach Darstellung
von Prof. Bhakdi insbesondere die Anzahl der Krankenhausinfektionen zu
reduzieren. Nach seiner Auffassung ließen sich dadurch kurzfristig
mehrere hundert Millionen Euro einsparen. Nicht nur Unkenntnis
verhindert oft die effektive Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Viele
Krankheiten, so Bhakdi, entpuppten sich erst mit ihrer Erforschung als
Infektionserkrankungen. Hierzu zählen die Gastritis, einige rheumatische
Erkrankungen, aber auch wichtige Tumoren wie das Gebärmutterkarzinom.

Zu dem öffentlichen Symposium in Mainz laden der Sonderforschungsbereich
490 "Invasion und Persistenz bei Infektionen", die Landeszentrale für
Gesundheitsförderung, die Landesärztekammer Rheinland-Pfalz, die
Bezirksärztekammer Rheinhessen und die Zukunftsinitiative
Rheinland-Pfalz (ZIRP) ein. Die Veranstaltung richtet sich an alle
interessierten Bürgerinnen und Bürger, an Verantwortliche in Wirtschaft,
Verwaltung und Politik, Angehörige von Hochschulen und anderen
Bildungseinrichtungen sowie Vertreter medizinischer Berufe. Die
Teilnahme ist kostenfrei.

 



 

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