Aktuelle Meldungen  -  Nachrichten suchen  -  kostenloses Abo  -   Nachricht weiterempfehlen

 

AHO Aktuell - 10.07.2003

Unterschiedlicher Futterverwertung auf der Spur


Dummerstorf (aho) - Zwei Kühe erhalten je einen Eimer Futter gleichen
Inhalts. Die eine nutzt dieses Futter, um Milch zu produzieren, die andere
setzt daraus Körpersubstanz (Muskulatur, Fettgewebe) an. Warum ist
das so? Im Grunde können weder Wissenschaftler noch Landwirte diese
Frage richtig beantworten. Trotzdem nutzen Landwirte seit langem und
aller Orten dieses Phänomen, um gezielt Milch oder Fleisch zu erzeugen.
Derzeit unternehmen Wissenschaftler vom Forschungsinstitut für die
Biologie landwirtschaftlicher Nutztiere (FBN) in Dummerstorf bei Rostock
Einen auf über zehn Jahre angelegten Versuch, um dem Rätsel auf die
Spur zu kommen.

Zur Erforschung der Grundlagen von Unterschieden im Nährstoffumsatz ist
eine umfangreiche, in Deutschland einzigartige Rinderfamilie geschaffen
worden. Sie geht aus der Kreuzung von zwei sehr unterschiedlichen
Rinderrassen hervor: während Charolais-Rinder das aufgenommene Futter
dazu nutzen, mehr Körpersubstanz anzusetzen und weniger Milch zu
produzieren, erzeugen Deutsche Holstein-Rinder aus dem gleichen Futter
bis zu dreimal soviel Milch, setzen aber weniger Fleisch an. Weil beim
Aufbau der Kreuzungsfamilie gezielt Embryotransfer eingesetzt worden
ist, stehen für vergleichende Schlüsseluntersuchungen in der zweiten
Nachkommen- oder F2-Generation Gruppen mit besonders zahlreichen
Vollgeschwistern zur Verfügung. Innerhalb dieser Vollgeschwistergruppen
sind Tiere vorhanden, die trotz identischer Eltern enorme Unterschiede
in Erscheinung und Leistungsvermögen besitzen. Ein Vollbruder mag dunkel
gefärbt, leicht und von zartem Körperbau sein, während ein anderer
hell-gefleckt, muskelbepackt und mit einem robusten Körperbau
ausgestattet ist. Solche Unterschiede machen die Tiere zu einem idealen
Untersuchungsgegenstand für die Forschung über die genetischen und
physiologischen Grundlagen des Nährstoffumsatzes.
Im FBN untersuchen Genetiker, Molekularbiologen, Fortpflanzungs-,
Muskel- und Ernährungsphysiologen nach einem gemeinsamen Forschungsplan
diese besondere Rinderfamilie. Sie erfassen Wachstumsmerkmale ebenso wie
Gewebe-, Hormon- und Enzymparameter und untersuchen Proteom,
Transkriptom und Einzelheiten der Genstruktur. Diese ganzheitlich
umfassende Charakterisierung der Tiere zusammen mit der besonderen
Familienstruktur macht die Dummerstorfer Rinderfamilie zu einem
international beachteten Untersuchungsmaterial, das weltweit kaum
Parallelen findet.


Frau Dr. Christa Kühn, die im FBN die Konzeption und Organisation des
Langzeitversuches maßgeblich koordiniert, erklärt, warum es wichtig ist,
der Frage nach Nährstoffumsatz grundlegend und mit soviel Einsatz
nachzugehen:
"Die Forschung an der Dummerstorfer Rinderfamilie leistet einen Beitrag,
um die Gene und physiologischen Regulationskreise zu identifizieren, die
für die unterschiedliche Merkmalsausprägung verantwortlich sind. Sobald
man diese kennt, ist es auch möglich, den Bedarf von Rindern an adäquate
Fütterung und Haltung besser bestimmen zu können. Solche Ergebnisse
erhalten in Anbetracht zunehmender Anforderungen an die Tierproduktion
hinsichtlich Tierschutz/Tiergesundheit, Ressourcenschonung und
verbrauchergerechte Lebensmittel wesentliche Bedeutung. Tieren nur die
Leistung abzuverlangen, zu der sie veranlagt sind, ist nicht nur eine
Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Tiergesundheit sondern darüber hinaus
wesentliches Grundprinzip des Tierschutzes und damit auch genuines
Anliegen der Tierzüchter. Ein genaueres Wissen um die genetische
Veranlagung zur Milch- und Fleischleistung und um die daran beteiligten
physiologischen Regulationskreise führt zu objektiveren Kriterien für
einen effektiven Tierschutz.

Wenn Rinder entsprechend ihrer Veranlagung eingesetzt werden, so
verhindert dies zum einen nicht nur eine Überforderung der Tiere,
sondern damit wird auch zum anderen einen Beitrag zur
ressourcenschonenden Tierzucht und -haltung erbracht. Denn Nutztiere,
die zum Erbringen einer bestimmten Leistung, sei es Milch- oder
Fleischproduktion besonders günstige Voraussetzungen mitbringen,
benötigen dazu weniger Ressourcen." Dr. Christa Kühn legt wert darauf,
dass diese Schlussfolgerung von genereller Gültigkeit ist, auch
unabhängig davon, ob man Lebensmittel tierischen Ursprungs unter den
Bedingungen des ökologischen oder konventionellen Landbaus erzeugen
möchte.

Darüber hinaus zeichnen sich Tiere durch eine stabile Stoffwechsellage
aus, wenn sie gemäß ihrer genetischen Veranlagung optimal eingesetzt
werden. Dies führt auch dazu, dass sie weniger krankheitsanfällig sind.
Dadurch wird die Qualität der tierischen Lebensmittel gesteigert. Nimmt
die Krankheitshäufigkeit der Tiere ab, verringert sich nicht nur
automatisch der Einsatz von Arzneimitteln und reduziert dadurch deren
Rückstandsproblematik in Lebensmitteln, sondern mindert auch die Gefahr
der Übertragung von "Zooanthroponosen", das sind Infektionskrankheiten
deren Erreger vom Tier auf Menschen übertragbar sind, durch tierische
Lebensmittel.

Das FBN gehört zur Leibniz-Gemeinschaft, einem Zusammenschluss von 80
außeruniversitären Wissenschaftseinrichtungen. Die Leibniz-Institute
beschäftigen rund 12.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie arbeiten
nachfrageorientiert und interdisziplinär und sind von überregionaler
Bedeutung. Da sie Vorhaben im gesamtstaatlichen Interesse betreiben,
werden sie von Bund und Ländern gemeinsam gefördert.


 



 

  zum Seitenbeginn


© Copyright

AHO Aktuell ist ein Service von ANIMAL-HEALTH-ONLINE und @grar.de