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AHO Aktuell - 17.04.2003

Bakterien fressen Seveso-Gift


(idw) - Das Bakterium Dehalococcoides CBDB1 zersetzt Chlordioxine
zu weniger toxischen Stoffen, um aus diesem Prozess Energie zu
beziehen. Eine Arbeitsgruppe der TU Berlin unter Leitung von
Dr. Lorenz Adrian und Mikrobiologen um Dr. Ute Lechner von der
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg konnten gemeinsam zeigen,
dass Reinkulturen dieser Bakterien auch das hochtoxische Seveso-Gift,
2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin dehalogenieren. Darunter versteht man
die Abspaltung von Chlor-Atomen als unschädliches Kochsalz. An den
Forschungen beteiligt waren auch Analytiker der Universität
Halle-Wittenberg und der Gesellschaft für Arbeitsplatz- und
Umweltanalytik (GfA) mbH in Straach.

Dehalococcoides CBDB1 ist zudem in der Lage, problematische Chlorbenzole
zu dechlorieren. Nach einem Bericht des Wissenschaftsmagazins nature
(Heft 421, Seiten 357-360) steht nun der Weg offen, mit hochchlorierten
Benzolen oder Dioxinen belastete Industrieflächen oder Böden zu
sanieren. "Allerdings sind dazu noch viele weitere Forschungen
notwendig", sagt Dr. Lorenz Adrian von der TU Berlin. "Erst wenn wir die
Lebensweise der Bakterien besser verstehen, wissen wir, ob sich dieser
Prozess technisch nutzen lässt."

Polychlorierte Dioxine gehören wegen ihrer Toxizität und ihrer
Beständigkeit in der Umwelt zu den gefährlichsten Umweltgiften. Sie
entstehen bei Verbrennungsprozessen wie zum Beispiel in
Müllverbrennungsanlagen, Krematorien oder bei Bränden.
2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin geriet 1976 durch einen schrecklichen
Brand im italienischen Seveso in die Schlagzeilen. Dort wandelten sich
chlorphenolhaltige Substanzen in den Flammen zu Dioxinen um. 1999 wurde
in Belgien ein Skandal durch mit Dioxin verseuchtem Tierfutter
ausgelöst.

Die verschiedenen Chlordioxine werden in der Umwelt nur extrem langsam
abgebaut. Sie sammeln sich im menschlichen Fettgewebe und zum Beispiel
in der Muttermilch an. Den Mikrobiologen von der Universität
Halle-Wittenberg war es vor drei Jahren gelungen, aus dem Schlamm des
Flüsschens Spittelwasser bei Halle und Bitterfeld eine bakterielle
Mischkultur anzureichern, die chlorierte Dioxine unter Luftabschluss
(anaerob) zersetzt und somit entgiftet. Die Hallenser Gruppe konnte
seinerzeit zeigen, dass in dieser Kultur ein Bakterium vorkam, das dem
kurz zuvor an der TU Berlin isolierten Dehalococcoides CBDB1 ähnelte.
Wie jetzt gezeigt, gewinnt das stark spezialisierte Bakterium CBDB1
seine Lebensenergie aus der Zersetzung von Dioxin.

Informationsdienst Wissenschaft - idw - - Pressemitteilung
Technische Universität Berlin, 17.04.2003


 



 

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