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AHO Aktuell - 16.04.2003

Humanmedizin: Wenn es kein Mittel gegen den Erreger mehr gibt


(idw) - Warum werden Infektionserreger resistent gegen Medikamente, und
was kann dagegen unternommen werden? Um diese dringlichen Fragen
beantworten zu helfen, ist in Baden-Württemberg das Kompetenznetzwerk
"Resistenzentwicklung humanpathogener Erreger" gegründet worden. Ihm
gehören international ausgewiesene Wissenschaftler von vier
Universitäten des Landes Baden-Württemberg (Freiburg, Tübingen, Ulm,
Heidelberg) an. Das Netzwerk wird von der Landesstiftung
Baden-Württemberg für drei Jahre mit ca. 1,6 Millionen Euro gefördert.
"Um den Wettlauf gegen die Zeit gewinnen zu können, müssen vorhandene
Kompetenzen gebündelt werden", begründete Geschäftsführer Prof. Claus
Eiselstein das Engagement der Stiftung.

Sprecher und Koordinator des neuen Netzwerkes ist Prof. Dr. Hans-Georg
Kräusslich, Leiter der Abteilung Virologie am Hygiene-Institut des
Universitätsklinikums Heidelberg. Dem Kompetenznetz kommt eine besondere
Bedeutung zu: Derzeit gibt es in Deutschland keinen
Sonderforschungsbereich der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und
kein Programm des Bundesministerium für Forschung und Bildung, das sich
mit dem wichtigen Thema der Resistenzentwicklung befasst.

Insgesamt 13 Teilprojekte / Rasche Umsetzung in die Praxis geplant

Insgesamt 13 Teilprojekte des neugegründeten Netzwerkes widmen sich der
Epidemiologie der Resistenz, den molekularen Grundlagen der Entwicklung
und der Verbreitung von Resistenzen, der Verbesserung von
Nachweisverfahren und der Entwicklung verbesserter oder neuer
Medikamente zur Überwindung der Resistenz. Nicht nur die
Resistenzentwicklung bei Bakterien steht im Mittelpunkt des
wissenschaftlichen Interesses, sondern auch bei Viren, Parasiten und
Pilzen.

Mittelfristig ist zu erwarten, dass aus der Arbeit des Netzwerkes
wirtschaftlich nutzbare Entwicklungen hervorgehen werden. Dies wird
durch die Tatsache, dass mehrere Projektleiter themenbezogene Patente
halten, untermauert. Die Wissenschaftler werden ihre Erkenntnisse
anderen Experten, Kliniken und Ärzten zugänglich machen, damit diese
möglichst rasch Eingang in die Praxis finden. Auch die Bevölkerung wird
über wichtige Neuheiten informiert werden.

Untersuchung zum Stand der Resistenzentwicklung in Baden-Württemberg

Ein zentrales Projekt ist die Erfassung und Dokumentation der
gegenwärtigen Situation der Resistenz in Baden-Württemberg. Bisher fehlt
es an einer Erhebung von quantitativen Daten insbesondere in der
Allgemeinbevölkerung. Die Arbeiten werden eine umfassende quantitative
und qualitative Beschreibung der Resistenzsituation in Baden-Württemberg
liefern und stellen die Grundlage für zukünftige Überwachungssysteme und
Strategien zur wirksamen Bekämpfung dar.

Warum werden Resistenzgene an andere Bakterienspezies weitergegeben?

Die Entwicklung einer Antibiotika-Resistenz ist eine natürliche
Fähigkeit bestimmter Bakterien. Sie schützen sich auf diese Weise vor
der Wirkung der von ihnen selbst produzierten Antibiotika. Die
Mechanismen der Ausbreitung derartiger natürliche
Antibiotika-Resistenzgene auf andere Bakterienspezies werden in einem
Projekt untersucht.

Wie machen wir Antibiotika besser wirksam?

Wenn wir Antibiotika besser in Bakterien einschleusen oder ihre
Ausschleusung aus Bakterien verhindern könnten, hätte das Antibiotikum
bei gleicher Dosierung eine viel bessere Wirkung. Daher beschäftigen
sich mehrere Projekte mit den Transportmechanismen, die Aufnahme und
Ausschleusung bewirken.

Wie kommt es zur Resistenz und wie können wir sie am besten nachweisen?

Bakterien, Viren und Parasiten haben vielfältige Strategien entwickelt,
wie sie der Ausrottung durch wirksame Substanzen entgehen können. In
vielen Fällen sind die molekularen Mechanismen weitgehend unverstanden.
Ihre Aufklärung ist jedoch wichtige Grundlage für die Überwindung der
Resistenz. Ein Projekt beschäftigt sich mit der Multi-Resistenz von
Staphylokokken im sogenannten Biofilm, der bei Besiedlung von Kathetern
und Implantaten auftritt und eine weit höhere Antibiotika-Resistenz
gegenüber in Kultur wachsenden Bakterien aufweist. Parallel dazu wird
der Mechanismus der Chloroquin-Resistenz beim Malaria-Erreger
Plasmodium falciparum untersucht. Chloroquin war bislang das einzige
Malariamedikament, das alle Anforderungen an einen breiten Einsatz
erfüllte, da es sehr wirksam war und zudem gut verträglich und
preiswert. Falscher Gebrauch hat jedoch zur Entwicklung von Resistenzen
geführt, wobei der Mechanismus weitgehend unverstanden ist.

Bei vielen Erregern stehen gegenwärtig nur unzureichende Verfahren zur
Diagnostik und Untersuchung der Mechanismen der Resistenzentwicklung zur
Verfügung. Diese Fragestellung bearbeitet das Kompetenznetz für
Sprosspilze der Candida-Spezies, für den Aids-Erreger HIV, das
Cytomegalie-Virus (CMV) sowie das Hepatitis B Virus. Ob eine
Resistenzentwicklung von Bedeutung ist, hängt stets ganz wesentlich
davon ab, wie stark sich der resistente Erreger im Vergleich zum
nicht-resistenten sogenannten Wildtyp vermehren kann. Untersuchungen zur
"Fitness" der Erreger sollen hier Aufschlüsse liefern. Darüber hinaus
sollen Diagnostikmethoden entwickelt werden, die Resistenzen
unverzüglich nachweisen lassen.

Informationsdienst Wissenschaft - idw - - Pressemitteilung
Universitätsklinikum Heidelberg, 16.04.2003


 



 

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