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AHO Aktuell - 28.03.2003

Schlüsselsubstanz der Entzündung entdeckt


(idw) - Als Entzündung bezeichnet wird die Ansammlung von weißen
Blutkörperchen (Leukozyten) im Gewebe und die damit verbundenen
Zeichen wie Rötung, Ueberwärmung, Schwellung und Schmerz.
Entzündliche Reaktionen lassen sich nicht nur bei Infektionen oder
den sog. Autoimmunerkrankungen (z.B. bei Gelenkrheuma oder
Multipler Sklerose) finden, sondern auch bei Krebs, Arteriosklerose
und Diabetes. Dennoch wird das Wesen der Entzündung, ob akut
oder chronisch, trotz intensiver Forschungen bis heute nicht
vollständig verstanden. Jedes Jahr sterben auch in hochzivilisierten
Ländern viele tausend Menschen an ihren Folgen.
Jetzt hat Dr. med. Thorsten Cramer von der "Medizinischen Klink mit
Schwerpunkt Hepatologie und Gastroenterologie" der Charité (Direktor:
Professor Dr. Bertram Wiedenmann) während eines Forschungsaufenthaltes
an der Universität von Kalifornien in San Diego eine Schlüsselsubstanz
der Entzündung entdeckt. Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden in der
März-Ausgabe der Fachzeitschrift CELL publiziert (2003, Band 112, Seite
645-657).
Das Anfangsstadium einer Entzündung (etwa bei Wunden oder Eiterungen)
ist durch massive Einwanderung bestimmter Immunzellen (neutrophile
Granulozyten und Makrophagen) gekennzeichnet. Diese Zellen, die
normalerweise im strömenden Blut und damit in einer sauerstoffreichen
Umgebung leben, müssen sich nun an eine sauerstoff-und nahrungsarme
Situation anpassen und ihren Energiestoffwechsel auf dieses ungünstige
Milieu umstellen. Cramer fand nun diejenige Substanz, HIF-1a, die diese
Umstellung reguliert. HIF-1a wird nur unter Sauerstoffmangel aktiv.
Unter dem Einfluß von HIF-1a gewinnen die Immunzellen ihre Energie durch
anaerobe Glykolyse, das heißt aus dem Abbau von Kohlenhydraten
unabhängig von Sauerstoff. Ohne diese Umschaltung auf anaerobe Glykolyse
können die Immunzellen in dem sauerstoffarmen Gebiet der Entzündung
nicht überleben und ihrer Funktion, der Beseitigung von Schadstoffen
nicht nachkommen.
Dies konnten Cramer und seine Forscherkollegen zeigen, indem sie das Gen
für HIF-1a in den Immunzellen ausschalteten. Ohne HIF-1a bleiben die
typischen Funktionen dieser Zellen, wie Anheftung (Adhäsion), Eindringen
in Gewebe (Invasion) und gezielte Wanderung (Migration, Chemotaxis) aus.
Auf Grund der mangelhaften Energieproduktion der Zellen verlieren sie
ihre Fähigkeit, Schadstoffe zu neutralisieren oder Mikroben abzutöten.
Bei Mäusen, so konnte die Arbeitsgruppe weiter zeigen, bleiben die
typischen Zeichen der Entzündung aus, wenn HIF-1a fehlt: So kam es an
der Haut der Tiere nach Auftragen einer Lösung, die normalerweise eine
heftige akute entzündliche Reaktion hervorruft, nicht zu der üblichen
Rötung, Schwellung und Zellvermehrung.
Auch der Versuch, eine chronische rheumatoide Gelenkentzündung künstlich
auszulösen, gelang nicht, wenn das HIF-1a -Gen ausgeschaltet war. Weder
infiltrierten die Zellen die Gelenkkapsel, noch entwickelte sich
entzündliches Bindegewebe mit nachfolgender Knorpelzerstörung.
Die nun erkannte Bedeutung von HIF-1a für die Funktion von Immunzellen
dürfte auf die praktische Medizin große Auswirkungen haben: Die Hemmung
von HIF-1a könnte bei schweren Infektionen die Entwicklung zur
Blutvergiftung ("Sepsis") aufhalten, oder bei Gelenkrheuma die
entzündlichen Veränderungen hintanhalten. Eine komplette Blockierung
dürfte indessen eher schädlich sein, weil damit die Immunbarriere
aufgehoben würde.
(HIF-1a ist ein Teilmolekül von HIF-1 (hypoxia inducible factor-1) und
wird nur unter Sauerstoffmangelbedingungen aktiviert. Substanzen, die
HIF-1a hemmen,werden die Bekämpfung schwerer Entzündungen erleichtern.
Das Gesamtmolekül HIF-1 ist schon länger bekannt. Es regt die
Gefäßneubildung (Angiogenese) in Tumoren aber auch in gesunden Geweben
an. Deshalb sucht die Pharmaforschung nach Stoffen, die HIF-1 und damit
die Angiogenese bei Krebs hemmen.)



 



 

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