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AHO Aktuell - 14.03.2003

Wie finden Spermien ihr Ziel?


Jülich (idw) - Wie findet ein Spermium die Eizelle? Auf diese Frage
fanden Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich neue
Antworten. Mit besonderen Techniken konnten sie beobachten, was in den
ersten Millisekunden geschieht, wenn ein Spermium mit dem Lockstoff in
Kontakt kommt, der von der Eizelle abgesondert wird. Die Biophysiker
fanden heraus, dass schon ein einziges Lockstoff-Molekül ausreicht, um
die Signalkette in Spermien in Gang zu setzen. Eine ähnlich hohe
Empfindlichkeit ist bislang nur von Sehzellen bekannt, die durch ein
einziges Lichtquant erregt werden können. Die Ergebnisse sind in der
Februar-Ausgabe der renommierten Zeitschrift "Nature Cell Biology"
veröffentlicht.

Erst wenn man die zellulären Signalwege genau versteht, kann man in den
Prozess eingreifen. So könnte eine gezielte Blockade der Signalkette im
Spermium vielleicht zu einer Methode der Empfängnisverhütung beim Mann
führen.

Eizellen setzen chemische "Lockstoffe" frei, um Spermien anzulocken. Die
Spermien orientieren sich an dem Lockstoffgradienten, der die Eizelle
umgibt, und sind so in der Lage, die Eizelle aufzuspüren. Die Steuerung
des Schwimmverhaltens von Spermien durch einen chemischen Reiz -
"Chemotaxis" - beobachtet man bei einfachen Meerestieren bis hin zum
Menschen. Bisher konnte man erst nach mehreren Sekunden beobachten, wie
Spermien auf den chemischen Lockstoff der Eizelle reagieren.

Doch was geschieht unmittelbar in den ersten Millisekunden, nachdem das
Spermium den Lockstoff wahrgenommen hat? Die Arbeitsgruppe um Prof. U.
Benjamin Kaupp und Dr. Ingo Weyand vom Jülicher Institut für Biologische
Informationsverarbeitung (IBI 1) konnte mit ihren neuen Techniken
verfolgen, wie der chemische Reiz in Spermien verarbeitet wird. Dazu
werden Spermien einer Seeigel-Art mit dem Lockstoff, einem kurzkettigen
Eiweiß, schnell gemischt. Dieses Peptid wurde von Chemikern des
Forschungsinstituts für Molekulare Pharmakologie in Berlin chemisch so
verändert, dass es zunächst inaktiv ist. Erst durch einen UV-Blitz, der
das Peptid photochemisch verändert, kann es seine Wirkung entfalten. Mit
diesem Trick können die Wissenschaftler den Zeitpunkt bestimmen, ab dem
die Spermien dem Lockstoff ausgesetzt sind. Das Peptid bindet an ein
Rezeptorprotein auf der Oberfläche der Spermien, wodurch in den Spermien
ein Botenstoff - ein zyklisches Nukleotid - synthetisiert wird.

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die Konzentration des
Botenstoffs cyclo GMP sehr schnell ansteigt, nachdem die Spermien mit
dem Lockstoff gereizt wurden. Der Botenstoff cyclo GMP bewirkt, dass
sich ein Ionenkanal - eine mikroskopisch kleine Pore in der Zellmembran
- öffnet und Calciumionen in das Zellinnere des Spermiums strömen. Den
Zusammenhang zwischen dem schnellen Anstieg des Botenstoffes und dem
schnellen Einstrom von Calcium konnten die Forscher erstmals mit Hilfe
von schnellen Mischmethoden nachweisen.

In Abwesenheit des Lockstoffs schlägt der Spermien-Schwanz regelmäßig
und treibt die Zelle auf einer spiralförmigen Schwimmbahn vorwärts.
Unter einem Mikroskop verfolgten die Forscher, wie die Spermien ihre
Schwimmbewegung ändern, wenn sie mit dem Lockstoff in Berührung kommen.
Nachdem das Calcium in die Zelle eingeströmt ist, schlägt der
Spermien-Schwanz asymmetrischer, und die Spermien führen Wendemanöver
durch. Letztlich sammeln sich die Spermien an der Lockstoff-Quelle.

Das Forscherteam machte eine weitere spannende Entdeckung: Bereits ein
einziges Lockstoffmolekül reicht aus, um den Ionenkanal in Spermien zu
öffnen und Calcium einströmen zu lassen. Eine derart hohe
Empfindlichkeit ist bisher nur von Sehzellen bekannt. Hier reicht ein
Lichtquant aus, um die Sehzelle zu erregen. Die Forscher wollen nun die
Signalkette weiter aufklären. Weitere Puzzle-Teile sollen helfen, die
noch offene Frage der Fortpflanzung zu klären: Wie finden Samenzellen
ihr Ziel?





 



 

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