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AHO Aktuell - 13.02.2003

Referat von Prof. Dr. Amman, Bern


Osnabrück / Damme (aho) – Anläßlich der ISN-Mitgliederversammlung am Montag,
den 10.02.03 in Osnabrück referierte Prof. Dr. Klaus Amman, Bern zum Thema:

Umweltaktivisten, Tierschützer, ... und Landwirte im Spannungsfeld der
Technologiedebatte – Mythen und Fakten


Welche Auswirkungen könnte die moderne Landwirtschaft auf Umwelt und Tiere
haben ? Diese Frage ist immer noch umstritten, und dies eigentlich zu Recht,
denn es wird schon genau darauf ankommen, was man unter moderner
Landwirtschaft versteht.
Wenn man darunter eine industrielle Produktionsweise versteht, bei der es
nur um den Profit geht und wo gedankenlos unnatürliche Tier-Batteriehaltung
oder Monokultur gefördert wird, kann die Antwort nur negativ sein. Wenn man
aber eine intelligente Weiterentwicklung der grünen Revolution darunter
versteht, lassen sich auch positive Antworten geben.

Zerstörung von Lebensraum als Ursache

Trotz der internationalen Konvention über Biodiversität, welche seit 1992
die Artenvielfalt eines Staates als nationalen Besitz deklariert, nimmt
diese Vielfalt heute schneller ab als je zuvor. Ursache der Abnahme ist die
Zerstörung von natürlichem Lebensraum durch Bevölkerungsexplosion, immer
grössere Siedlungsgebiete und vor allem durch die Ausdehnung
landwirtschaftlicher Nutzflächen. Gerade in diesem Punkt allerdings könnte
die Anwendung gentechnologische und moderne Stallhaltungs-Methoden wichtige
Impulse geben. Um zu verhindern, dass in den Ländern des Südens, wo rund 800
Millionen Menschen nach wie vor unterernährt sind, weitere Waldflächen zur
Deckung des Nahrungsbedarfs abgeholzt werden, ist es sinnvoll, modernstes
landwirtschaftliches Wissen zur ökologisch vertretbaren Ertragssteigerung
auf den bestehenden Nutzungsflächen einzusetzen. Dies insbesondere, weil die
natürliche Artenvielfalt in diesen Ländern – Heimat der tropischen
Regenwälder - besonders gross ist.

Die Gentechnologie, so wie alle übrigen modernen Technologien der
Landwirtschaft können allerdings nur dann nachhaltig zur Ertragssteigerung
landwirtschaftlicher Produktion bejaht werden, wenn innovative Konzepte
verwirklicht werden. Vor allem auch eine bessere Ausbildung der Produzenten
oder der vermehrte Einsatz von Anbau- und Tierhaltung-Methoden, welche der
biologischen Umgebung angepasst sind, müssten mit in die Bemühungen zur
Erhaltung der Artenvielfalt einbezogen werden. Die Natur aber gegenüber
biotechnologischen Innovationen abzuschliessen bringt nichts. Im Labor
bereits gezüchtete Nutzpflanzen, die gegen Trockenheit oder Bodensalze
widerstandsfähiger sind als traditionelle Sorten, werden eine «zweite grüne
Revolution» auslösen. Insgesamt haben vor allem die neuen Zucht-Technologien
das Potential, die Palette der modernen Landwirtschaft zu erweitern und
damit die wünschbare Steigerung der Erträge auf bestehenden
landwirtschaftlichen Nutzflächen zu ermöglichen. Dies gilt genauso auch für
die Nutztiere.

Keine Wunderlösungen

Die derzeitige Prinzipienreiterei gegen die Anwendung moderner
Landwirtschaft ist unbegründet. Vor allem ist der Mythos der Naturnähe in
Frage zu stellen, sie wird von grossen Umweltorganisationen als ‚Neue
Philosophie’ propagiert – was kaum angeht, handelt es sich dabei doch eher
um eine ‚Neue Ideologie’, die im Einzelnen zu hinterfragen ist. So ist es
einem grossen Publikum kaum klar, dass die in der heutigen Landwirtschaft
eingesetzten Nutztiere und Pflanzen keineswegs naturnah sind, sondern das
Resultat jahrhundertealter Zucht. Der Weizen z.B. besteht aus den Erbanlagen
dreier Gattungen, hat dazu noch weitere artfremde Bruchstücke von Erbträgern
integriert, ist also ein völliges Kunstprodukt. Der Hartweizen z.B. ist das
Resultat einer Weiterentwicklung mit Bestrahlungs-Zucht, dies obendrein
direkt in Feldversuchen erarbeitet, bei der wir noch heute nicht genau
wissen, was wir mit dieser Gamma-Bestrahlung den Erbanlagen alles angetan
haben. Dies sollte beim nächsten Spagetti-Essen auch einmal bedacht werden.
Zwar ist für viele Anwendungen der Gentechnik in der Pflanzenzucht, bei
denen einzelne Gene im Labor auf Nutzpflanzen übertragen werden, noch nicht
letztlich bis ins Detail geklärt, welche Auswirkungen die Produkte auf die
Biodiversität haben. Fest steht aber immerhin, dass die Auswirkungen
unbedeutend sein dürften. Obwohl 2003 auf über 90 Millionen Hektaren
transgene Kulturpflanzen angebaut wurden, gibt es bis jetzt keine Berichte
über eine negative Beeinflussung der Artenvielfalt durch diesen Anbau im
Felde. Transgene Pflanzen haben bisher weder Mensch noch Natur bedroht oder
gar geschädigt. Im Gegenteil, bei vielen grossflächig angebauten
Gentechpflanzen zeigt sich bereits deutlich der Nutzen einer reduzierten
Anwendung giftiger Herbizide und Pestizide.

Mit einem entsprechend pragmatischem Fazit kann geschlossen werden, dass
moderne Landwirtschaft weder überschwängliche Begeisterung noch irrationale
Panik auslösen sollte, Wunderlösungen habe die konsequente Modernisierung
der Landwirtschaft nicht anzubieten. Das Potential der neuen Techniken aber
nicht zu nutzen ist aber angesichts des Ausmasses der globalen
Umweltzerstörungen und Ernährungsprobleme völlig unverantwortlich.

Die Suche nach neuen Lösungswegen

Die technologisch immer rasantere Entwicklung sollte umgelenkt werden in
eine innovative Landwirtschaft, die keine Scheu zeigt vor Neuerungen, aber
auch die gescheiten Gedanken einer ökologischen Strategie aufnimmt und zu
einer ökotechnologischen Produktionsweise vorstösst. Dazu ist es aber
notwendig, ideologische Scheuklappen auf beiden Seiten des gegenwärtigen
Grabens zwischen traditioneller und biologischer Landwirtschaft abzulegen.
Es ist beispielsweise nicht einzusehen, weshalb die Biolandwirschaft nicht
profitieren sollte von modernen Tier- und Pflanzenzucht-Methoden, das Dogma
der gentechfreien Biolandwirtschaft steht auf tönernen Füssen. Anderseits
sollten sich auch technologiefreundliche Produzenten ernsthaft überlegen, ob
nicht doch viele Elemente der Biologischen Landwirtschaft doch ernsthaft in
Erwägung zu ziehen wären. Provokativ könnte man fordern, dass
organo-transgene Pflanzen einer nachhaltigen Anbauweise förderlich wären.
In der Tierhaltung geht man längst auch neue Wege, die das natürliche
Verhalten besser berücksichtigen, die trotzdem gute Rendite abwerfen.

Die gegenwärtige Debatte um die Modernisierung der Landwirtschaft – das
Spannungsfeld zwischen Praxis und Umweltaktivismus


Um darauf eingehen zu können, müssen die wichtigen Teilnehmer an dieser
Debatte mit all ihren Schwächen und Stärken vorweg charakterisiert werden,
denn nur so kann das Bild der Debatte in seiner ganzen Komplexität
entstehen:

Die Wissenschaft

Auch die Biologie hat nun ihre Unschuld verloren und die Wissenschafter
sollten sich verabschieden von reinem Faktenglauben, sie sollten sich
verstärkt verantwortlich fühlen für die Folgen ihres Tuns. Gleichzeitig aber
müssen sie ihre Forschungsfreiheit, ihre unstillbare Neugier bewahren, ein
wahrlich schwieriger Balanceakt. Wissenschaft resultiert in erfolgreiche
oder schädliche Technologie, dies sauber auseinanderzuhalten ist wichtig und
sollte trotz allem Stolz auf das Erreichte die Forscher nicht dazu
verleiten, die Fakten zugunsten der Verdienste zu überschätzen oder gar zu
filtern. In der Öffentlichkeit wächst die Kritik an unkritisch
faktengläubigen Vertretern der Wissenschaft und diese tut gut daran, mehr
Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben.

Die Industrie

Die Mitarbeiter der Biotechnologie-Industrie leben oft in einer geschützten
Atmosphäre, konzentrieren sich auf Zukunfts-Wissen, schmieden Pläne mit
festem Ziel und sind überzeugt von ihrem soliden Wissen um die Risiken. Sie
haben deshalb oft Mühe, Kritik von Aussen zu akzeptieren. Einige unter ihnen
arbeiten kurzfristig gewinnorientiert und filtern ihre Bedenken zu neuen
Produkten nur allzu gerne weg.

Die Behörden

Gesetzeshüter und Gesetzesgeber sind durch das Tempo der
Technologie-Entwicklung oft hoffnungslos überfordert und verspäten sich mit
wichtigen Entscheidungen zu Sicherheitsfragen. Dadurch werden oft die
Kommerzialisierungs-Entscheidungen um Jahre hinausgeschoben oder hart an der
Grenze der Illegalität vorweggenommen. Sie sind öfter in Versuchung,
politisch motivierte Entschlüsse durch fragwürdige ‚wissenschaftliche’
Argumentation zu tarnen.

Die Nichtregierungs-Organisationen

Die grossen Nichtregierungs-Organisationen haben sich zu mächtigen
Protest-Firmen entwickelt, die mit aller Professionalität und gewichtigen
Budgets ihr Geschäft betreiben, um gleichbleibende oder besser höhere
Mitgliederbeiträge zu erwirken. Dieses gewinnstrebende Tun lässt ihnen wenig
Zeit, sich mit den wissenschaftlichen Fakten auseinanderzusetzen, ihren
Aktivisten sind die populistischen Slogans näher, damit lässt sich mehr
erreichen. Es ist gut, dass es grosse Nichtregierungs-Organisationen gibt,
die auch eine gewisse Macht ausüben können, nur sollten sie auch reguliert
werden können (nicht zensuriert), denn mit ihrer oft grossen PR – Wirkung
übernehmen sie auch grosse Verantwortung um die zukünftige Entwicklung. Es
wäre ja schön, wenn die NGO's sich dem Pressegesetz unterstellen könnten.

Die Medien

Medien sind Spiegel der Gesellschaft und geben so recht genau das Bild der
allgemeinen Besorgnis wieder. Leider unterscheiden viele Medien kaum mehr
zwischen Nachricht und Kommentar. Noch bedenklicher ist die oft ziemlich
einseitige und negative Auswahl aus der täglichen Nachrichtenflut. Eine gute
Nachricht ist eben keine Nachricht und es ist evident, dass unspektakuläre
Fortschritte in der Tierhaltung z.B. kaum kommuniziert werden.

Die Bevölkerung

Leider weiss gegenwärtig die Bevölkerung kaum mehr, wem sie glauben soll,
dieser heftige Widerstreit, bei dem jede Partei ‚ihre’ Experten vorbringen
kann, räumt auch mit dem Absolutheits-Anspruch der Wissenschaft gründlich
auf. Das lebensweltliche Wissen wird zu Unrecht kaum noch respektiert in
unserer verwissenschaftlichten Welt. Das weckt Unbehagen und im gerade im
Tierschutz kann dies allzuleicht Emotionen hochspühlen, die mit den
landwirtschaftlichen Realitäten kaum vereinbar sind. NGO’s haben leichtes
Spiel, sie lancieren einige populistische Slogans und schon ist die Angst
und später der Hass geschürt.

Das allgemeine Umfeld der Technologie-Debatte

Es ist wichtig, nicht nur die Teilnehmer, sondern auch das allgemeine Umfeld
der Debatte zu erkennen. Wir leben in einer Zeit, in der die Wissenschaft
grosse Erfolge feiern kann, sie prägt das ganze Leben und ist zum schier
alleinseligmachenden Erklärungs-Paradigma geworden. Die Verdienste der
Moderne wie z.B. die Demokratie, die Emanzipation der Frauen (und Kinder),
der moderne Lebenskomfort, die ständig steigende Lebenserwartung usw. usw.
sind zwar Tatsache, werden aber angesichts des ständig steigenden
Widerstandes gegen diese Alleinherrschaft kaum mehr wahrgenommen. Wir leben
längst in einer Risikogesellschaft, die das Unangenehme überbetont, die
schlechte Angewohnheit annimmt, auch virtuelle Risiken ernst zu nehmen.
Bereits gibt es Versicherungsgesellschaften, die im Trüben der virtuellen
Risiken fischen und lukrative Geschäfte mit zweifelhaftem Risikogeschehen
treiben. Zu diesen virtuellen Risiken gehören auch die Gene, die mittels
Gentechnologie in Nahrungsmitteln Eingang fanden: Auch wenn es längst
erwiesen ist, dass keine Gefahren feststellbar sind, und bevölkerungsreiche
Länder wie die USA seit vielen Jahren zu Milliarden gentechnisch veränderte
Lebensmittel konsumieren, ohne auch nur ein Kopfweh festgestellt zu haben,
herrscht in Europa die irrationale Angst vor. Diese Grundhaltung lässt sich
nur erklären, wenn wir etwas tiefer gehen und dabei feststellen, dass längst
eine post-moderne Gegenbewegung zur Moderne eingeleitet ist, die bereit ist,
eine Kehrtwende in allen Lebensbereichen zu fördern, unbeirrt um alle
wissenschaftliche Erkenntnis.

Da wird dann alles in einen Topf geworfen: Technik- und
Fortschrittsfeindlichkeit wird zelebriert in einer ökoromantischen
Lebensschau, bei der alles durch eine sogenannte grüne Brille gesehen wird:
Logischerweise werden alle fortschrittlichen Produktionsmethoden der Kritik
unterworfen, so als wäre das ein Naturgesetz. So eben auch die moderne
Tierhaltung, unbeachtet der Tatsache, dass gerade in den letzten Jahren
grosse Fortschritte erzielt wurden, dies in gemeinsamer Arbeit mit
Tierschutz-Organisationen, die weniger an billigen Slogans, mehr an seriöser
Arbeit mit Tieren interessiert sind.
Dies zeigt sich gerade in der tiergerechten Schweinehaltung, die seit
einiger Zeit wichtigen Prinzipien befolgt, die sich an den biologischen
Merkmalen der Schweine orientieren: Schweine sind soziale Tiere und die
Haltung in Gruppen ist deshalb eine Selbstverständlichkeit, was natürlich
nicht gilt für ausgewachsene Eber und abferkelnde Sauen. Kot- und Liegeplatz
müssen getrennt sein, besonders nach der Fütterung muss Zugang zu allerlei
Beschäftigungsmaterialien gewährleistet sein, denn gerade dann zeigen sie
starkes Bedürfnis, ihre Umwelt zu bearbeiten.


 



 

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