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AHO Aktuell - 05.02.2003

Alarm: Jede dritte verordnete Antibiotikum ein Reserveantibiotikum


Bonn (aho) - Einst galten Antibiotika als Wunderwaffe gegen Infektionen.
Doch ihr großzügiger Einsatz in der Humanmedizin hat viele Erreger resistent
gemacht. Eine gemeinsame Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK
(WIdO) und des Universitätsklinikums Freiburg analysiert kritisch die
Antibiotikaverordnungen deutscher Humanmediziner und zeigt, wie Antibiotika
gezielter eingesetzt werden können. Auch wenn in Deutschland im europäischen
Vergleich der Verbrauch von Antibiotika relativ niedrig ist, besteht kein
Grund zur Entwarnung. In einer zunehmend mobilen Gesellschaft kennen
resistente Erreger keine nationalen Grenzen. Damit Antibiotika auch
zukünftig noch wirken, muss lokal gehandelt und global gedacht werden.

Ein sorgloser und unangemessener Einsatz von Antibiotika in der Humanmedizin
führt dazu, dass Bakterien zunehmend gegen Antibiotika resistent werden.
Auch für Deutschland scheint es eine Frage der Zeit zu sein, wann die
Resistenzen verstärkt auftreten: Große regionale Unterschiede im
Antibiotikaverbrauch sowohl bei der verordneten Menge als auch bei den
verordneten Wirkstoffen begünstigen nach Meinung des WIdO die Tendenz.
Insbesondere Ärzte in den alten Bundesländer verordnen deutlich mehr
Antibiotika als in den östlichen Regionen. "Im Saarland hat im Jahr 2001
jeder Versicherte rund 6,3 Tage Antibiotika verordnet bekommen. Das ist fast
doppelt soviel wie ein Versicherter in Sachsen, der im gleichen Zeitraum mit
knapp 3,5 Tagen ausgekommen ist. Ob hierbei Morbiditätsunterschiede eine
Rolle spielen oder vielmehr regionale Verordnungsgewohnheiten der
Humanmediziner und eine unterschiedliche Erwartungshaltungen der Patienten
wirken, kann nur vermutet werden", so Helmut Schröder vom WIdO.

Antibiotika wirken bei Bakterien aber nicht bei Viren. Untersuchungen
zeigen jedoch, dass beispielsweise in 80 Prozent der Erkältungsfälle
trotzdem Antibiotika eingesetzt werden. Am Beispiel der häufigen
Antibiotikaverordnungen bei Kindern stellt sich ebenfalls die Frage nach dem
indikationsgerechten Einsatz. So erkranken Kinder besonders häufig an
Mittelohrentzündungen. Das erfordert nicht in allen Fällen eine
Antibiotikabehandlung, sondern heilt vielfach auch ohne Antibiotikagabe
folgenlos aus. "Es liegen keine Erkenntnisse vor, ob der Einsatz von
Antibiotika immer leitliniengerecht erfolgt", so Prof. Kern vom
Universitätsklinikum Freiburg. Allein im Jahr 2001 haben mehr als 3
Millionen Kinder bis zu einem Alter von 10 Jahren im Durchschnitt eine
14tägige Antibiotikatherapie erhalten.

Ist eine Antibiotikatherapie angezeigt, spielt die Wahl des Wirkstoffs eine
wichtige Rolle. Dabei sollte aufgrund der steigenden Resistenzen zunächst
auf bewährte Antibiotika zurückgegriffen werden. Jede dritte deutsche
Antibiotikaverordnung im Jahr 2001 fiel jedoch auf ein Reserveantibiotikum
und begünstigt damit eine Resistenzentwicklung gegen die hochwirksamen
Substanzen. Sie sollten aber nur bei schwerwiegenden Erkrankungen oder bei
schon bestehenden Resistenzen eingesetzt werden.

Die vorliegende differenzierte Analyse bringt Licht ins Dunkel der
Antibiotikaverordnungen in Deutschland und fragt nach dem Nutzen und Risiko
der Antibiotikatherapie. Nur wenn die "goldene" Regel – so wenig wie nötig
und so gezielt wie möglich - bei jeder Antibiotikaverordnung berücksichtigt
wird, kann sicher gestellt werden, dass Antibiotika noch lange wirken.


Die Studie ist ab sofort im WIdO erhältlich.

J. Günther, W. V. Kern, K. Nink, H. Schröder, K. de With:
Solange sie noch wirken ... - Analysen und Kommentare zum
Antibiotikaverbauch in Deutschland
127 Seiten, 28 Abb., 16 Tab. Preis 10 Euro.
ISBN 3-922093-30-2. Bonn 2003
GKV-Arzneimittelindex

Wissenschaftliches Institut der AOK
Kortrijker Str. 1
53177 Bonn
Tel.: 02 28/84 33 93
Fax: 02 28/84 31 44
email: wido@wido.aok.bv.de


 



 

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