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AHO Aktuell - 25.01.2003

Das aktuelle Interview: Die Orale Medikation ist unverzichtbar


Bonn (aho) - Seit dem 1. November 2002 gelten die neuen gesetzlichen
Regelungen aufgrund des 11. Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes
(AMG). Damit verbunden sind auch Einschränkungen bezüglich der oralen
Medikation, weitere Änderungen sind für den 1. September 2004 bereits
festgemacht. Über die Bedeutung der oralen Medikation für die Behandlung
landwirtschaftlicher Tierbestände sprach der Informationsdienst des
Bundesverbandes für Tiergesundheit „Blickpunkt“ mit Dr.-Ing. Hans
Siebenlist, Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Arzneimittelvormischungen,
Futterzusatzstoffe und orale Medikation“ des BfT und Mitglied der
Geschäftsleitung bei der Chevita GmbH, Pfaffenhofen.

BLICKPUNKT: Was ist eigentlich „orale Medikation“ und wie dürfen
Tierarzneimittel zur oralen Medikation verwendet werden?

Dr. Siebenlist: Grundsätzlich fallen unter diesen Begriff alle
Arzneimittel, die dem Tier oral, d.h. über das Maul, verabreicht werden.
Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob diese direkt, mit dem Futter oder
über das Wasser eingegeben werden. Dies trifft für Tabletten, Pulver oder
Pasten z.B. zur Entwurmung oder Schmerzbehandlung beim Kleintier ebenso zu
wie für Pulver, die bei Rind, Schwein oder Geflügel über das Futter, über
Mischfuttermischungen oder über die Tränke verabreicht werden. Auch
Fütterungsarzneimittel fallen unter diesen Oberbegriff. Letztlich sind dies
alles nur verschiedene Formen der oralen Medikation.

BLICKPUNKT: Worin bestehen die Einschränkungen, die durch die neuen
Regelungen eingeführt wurden und noch kommen werden? Wird die Verabreichung
über das Futter künftig nicht mehr möglich sein?

Dr. Siebenlist: Der Einsatz von Tierarzneimitteln wie z.B. von
Pulvern und Lösungen zur Verabreichung über das Futter oder die Tränke, die
speziell zu diesem Zweck zugelassen wurden, ist auch weiterhin möglich.
Diese dürfen auch weiterhin vom Tierarzt an den Landwirt abgegeben werden.
Zu beachten sind allerdings die durch die 11. AMG-Novelle geänderten
Abgabemengen.

Einschränkungen gibt es vor allem im Bereich Fütterungsarzneimittel und bei
der Verwendung von Arzneimittelvormischungen. Diese dürfen nun
ausschließlich zur Herstellung von Fütterungsarzneimitteln verwendet werden.
Seit November des vergangenen Jahres ist es Tierärzten untersagt,
Arzneimittelvormischungen an Landwirte abzugeben, um damit hofeigenes
medikiertes Futter herzustellen. Als Ausnahme gilt, wenn für die
Vormischungen zugleich eine Zulassung als Fertigarzneimittel zur oralen
Verabreichung besteht.

Weitere Beschränkungen wird es nach dem 1. September 2004 durch die bereits
festgelegten Änderungen für die Herstellerbetriebe geben. Ab diesem
Zeitpunkt dürfen Fütterungsarzneimittel nur noch in nach Arzneimittelgesetz
zugelassenen Futtermittelmischbetrieben hergestellt werden. Da es bundesweit
bislang nur wenige Werke gibt, die diese Anforderungen erfüllen, wurde eine
Übergangsfrist bis September 2004 gesetzt, damit weitere Mischfutterwerke
diesen Status erlangen können. Allerdings darf bezweifelt werden, ob eine
ausreichende Zahl von Werken dies wirklich kann oder beabsichtigt. Eine
flächendeckende Versorgung wäre dann ernsthaft in Gefahr, verlässliche und
kontrollierbare Vertriebswege würden aufgegeben.

BLICKPUNKT: Warum ist die orale Medikation für die tierische
Veredelung so wichtig?

Dr. Siebenlist: Viele Gründe sprechen für die orale Medikation. Zum
einen finden wir in Deutschland noch immer klein strukturierte Betriebe vor.
EU-weit liegen wir bezüglich der Bestandsgrößen in der Schweinehaltung an
drittletzter Stelle. Das bedeutet, dass fast immer eine Zusammenstellung
größerer Tiergruppen aus mehreren Kleinbeständen erforderlich ist. Das ist
politisch so gewollt und vom Verbraucher gewünscht, ohne dass auf die Frage
eingegangen wird, welche veterinärmedizinischen Probleme dabei entstehen und
wie sie gelöst werden können. Denn das Zusammenführen von Jungtieren
unterschiedlicher Herkunft führt in der Regel immer zum Ausbruch von
Infektionskrankheiten. Mit Hilfe der oralen Medikation können auftretende
Infektionskrankheiten frühzeitig behandelt werden. Durch solch eine Maßnahme
kann der Einsatz von Medikamenten insgesamt reduziert werden.

BLICKPUNKT: Was spricht noch für die orale Medikation?

Dr. Siebenlist: Die orale Medikation ist die verträglichste und die
praktikabelste Art der Verabreichung von Arzneimitteln. Bei der Therapie von
Infektionen ist die notwendige Behandlung über mehrere Tage überhaupt nur
auf diese Weise sicher durchführbar. Die Einhaltung notwendiger
Therapielängen besitzt in der Resistenzdiskussion eine besondere
Relevanz.
Zudem stehen für nahezu alle Indikationen zugelassene
Tierarzneimittel zur Verfügung.

Darüber hinaus vermeidet die orale Verabreichung Stress und
Verletzungsgefahr für Mensch und Tier. Für das Tier ist die Behandlung
absolut schmerzfrei. Last not least ist die orale Medikation eine
wirtschaftliche Form der Verabreichung. Würde es durch die geplanten
Änderungen in den Bestandsbehandlungen zu Kostenerhöhungen kommen, ist eine
Kompensation dieser Kosten durch einen höheren Anteil nicht behandelter
Tiere zu befürchten. Dies widerspricht den Anforderungen von Tierschutz und
Verbraucherschutz. Verbraucherschutz heißt aber auch, gesunde Tiere zur
Schlachtung und damit in die Lebensmittelkette zu bringen.


 



 

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