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AHO Aktuell - 13.12.2002

Irreführung von Darmzellen verschafft Bakterien Zutritt


Braunschweig (aho) – Wissenschaftlern der Gesellschaft für Biotechnologische
Forschung mbH (GBF) haben erstmals atomare Details der Infektionsstrategie
von Listerien aufgeklärt. Das Bakterium Listeria monocytogenes kann eine
lebensgefährliche Hirnhautentzündung auslösen. Meist über die Nahrung
aufgenommen, überwinden die Erreger im Darm die erste Schutzschranke des
menschlichen Körpers, indem sie in einzelne Zellen eindringen. Von dort
aus treten die Keime ihre zerstörerische Reise durch den Körper an.
Wissenschaftler der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF)
berichten jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Cell, wie Listeria die
menschlichen Abwehrmechanismen aushebelt. Dazu klärte das Forscherteam um
Dr. Dirk Heinz erstmals die räumliche Struktur eines Schlüsselkomplexes auf,
mit dem sich Bakterien Eintritt in menschliche Zellen verschaffen. Die
Ergebnisse tragen dazu bei, Infektionsmechanismen grundsätzlich zu
verstehen.

Der „falsche“ aber perfekte Partner

Darmzellen tragen auf ihrer Oberfläche den Rezeptor E-Cadherin.
Normalerweise erkennt dieses Eiweiß-Molekül nur seinesgleichen und sorgt so
für die undurchlässige Verknüpfung benachbarter Zellen der Darmschleimhaut.
Die Listerien haben im Verlauf der Evolution das Internalin entwickelt, mit
dem sie genau dieses E-Cadherin erkennen. „Das Internalin gleicht einem
verbogenen Hufeisen und nimmt das E-Cadherin in einen maßgeschneiderten
Würgegriff“, erklärt der Strukturbiologe Dr. Wolf-Dieter Schubert die Daten
der Röntgenstrukturanalyse. Diese Irreführung löst schließlich die Aufnahme
der Bakterien in die Darmzellen aus.

Praktische Anwendung des Wissens

Was lässt sich mit dem Detailwissen der Strukturbiologen anfangen? Denkbar
wäre, den Mechanismus des Internalins – ohne die gefährlichen Listerien im
Schlepptau – zu nutzen, um Medikamente gezielt in Darmzellen einzuschleusen.
Die Wissenschaftler denken da an die Therapie von Darmkrankheiten oder
vielleicht sogar die Vernichtung von Darmkrebszellen. Zudem gibt es
Verwandte des Internalins, die beispielsweise Nieren- oder Leberzellen
erkennen. So könnte dieser Therapieansatz auch auf andere Gewebetypen
ausgeweitet werden.

Originalveröffentlichung:

W.-D. Schubert, C. Urbanke, T. Ziehm, V. Beier, M. Machner, E. Domann, J.
Wehland, T. Chakraborty, D. W. Heinz:
Structure of the complex of internalin from Listeria monocytogenes and its
human receptor E-cadherin mediating host cell recognition, adhesion and
invasion.
Cell, Vol. 111 (7) 825-836, December 13th, 2002.


 



 

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