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AHO Aktuell - 11.12.2002

Die Trennung von der Muttersau kann Ferkel krank machen


Dummerstorf (aho) - Untersuchungen des Forschungsinstituts für die Biologie
landwirtschaftlicher Nutztiere (FBN) in Dummerstorf belegen, dass die
gängige Praxis, junge Ferkel nach drei bis vier Wochen abrupt von der Mutter
zu trennen, zu Stress bei den Jungtieren führt und ihr Immunsystem schwächt.
Moderne tierfreundliche Haltungssysteme bieten nach Meinung der
Wissenschaftler realistische Alternativen.

Nach drei bis vier Wochen Geborgenheit in einer gemeinsamen Bucht mit ihrer
Mutter ist die wohlige Kinderstube für Ferkel meist abrupt zu Ende. In der
Praxis werden sie dann nicht nur schlagartig von ihrer Mutter getrennt,
sondern mit fremden Altersgenossen zusammen in eine neue, für sie
unbekannte, Umgebung verbracht, wo sie zu fleischreichen Mastschweinen
heranwachsen sollen. „Dieses Absetzen von der Mutter ist ein tiefgreifender
Prozess, der mit drastischen Veränderungen in der sozialen Umgebung, der
Haltungsumwelt und der Ernährung der Ferkel verbunden ist und für die Tiere
einen starken akuten Stress bedeutet“, meint Dr. Ellen Kanitz,
Wissenschaftlerin im Forschungsbereich Verhaltensphysiologie am
Dummerstorfer Forschungsinstitut für die Biologie landwirtschaftlicher
Nutztiere (FBN), einem Mitglied der Leibnizgemeinschaft.

Am FBN untersucht man, wie Haltung und Umweltfaktoren die Gesundheit, das
Wohlbefinden und die Leistung von heranwachsenden Schweinen beeinflussen.
Das in schweinehaltenden Betrieben übliche plötzliche Absetzen der Ferkel
von der Sau birgt nach den Ergebnissen der Dummerstorfer Forscher
gesundheitliche Risiken für die jungen Tiere. Abgesetzte Ferkel zeigen
höhere Konzentrationen von Stresshormonen wie zum Beispiel Cortisol im Blut
und vor allem eine deutliche Verringerung der Zellteilungsaktivität von
Lymphozyten, welche einen wesentlichen Bestandteil der erfolgreichen
Immunabwehr darstellt. „Wir haben gezeigt, dass diese verminderte
Immunfunktion zu einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit der abgesetzten
Ferkel führt“, erklärt Dr. Margret Tuchscherer aus derselben Arbeitsgruppe.
Testet man nämlich die Funktion des Immunsystems, indem man Ferkel mit einem
bakteriellen Endotoxin (Lipopolysaccharid) in Berührung bringt, stellt man
bei neu abgesetzten Ferkeln ein vermehrtes Auftreten von Krankheitssymptomen
wie Erbrechen, Durchfall und Mattigkeit im Vergleich mit noch nicht von der
Mutter getrennten Altersgenossen fest. Obwohl diese Ergebnisse nicht
unmittelbar auf Bedingungen bei Menschen übertragen werden können, so
liefern sie nach Meinung der Forscher doch Hinweise darauf, dass
frühkindliche traumatische Erlebnisse, wie die plötzliche Trennung von der
Mutter, negative Konsequenzen für die kindliche Immunabwehr und damit für
die Widerstandskraft gegen Erkrankungen haben können.

Die Wissenschaftler zeigen auch Möglichkeiten auf, den akuten Stress durch
das Absetzen zu vermindern: Wenn die Sau den Ferkelbereich zeitweise
verlassen kann oder die Ferkel während der Säugezeit bereits Kontakt mit
fremden Artgenossen aufnehmen können, werden die Tiere allmählich an neue
Umwelten und die Trennung von der Mutter gewöhnt. Eine allmähliche Trennung
von der Mutter geschieht bei Schweinen nicht nur in der freien Natur,
sondern ist heutzutage auch in tierfreundlichen Haltungssystemen unter
ökonomischen Rahmenbedingungen realisierbar.




 



 

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