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AHO Aktuell - 06.12.2002

Der AHO-Buchtipp zum Fest: Das Einmaleins der Skepsis


Berlin (aho) – Eine Studie über den Umgang mit statistischen Informationen
aus dem Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin wurde von "Bild
der Wissenschaft" zum Wissenschaftsbuch des Jahres 2002 gewählt, das "am
besten über ein Thema informiert".

Fehlschlüsse und falsche Interpretationen von statistischen Informationen
können fatale Folgen haben: für die eigene Gesundheit, die eigene Freiheit
oder auch das Bankkonto. Diese These belegt der Kognitionspsychologe Gerd
Gigerenzer an Hand eindrücklicher Beispiele in seinem neuen Buch "Das
Einmaleins der Skepsis". Gigerenzer und seine Mitarbeiter untersuchen am
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin, wie Menschen
Informationen verarbeiten und Entscheidungen treffen. Und das funktioniert
bei Menschen anders als bei einem Computer, meint Gigerenzer, denn im Lauf
der Evolution haben sich bestimmte Denkmuster und Routinen ausgebildet, die
oft schnell und mit wenig Aufwand zu guten Ergebnissen führen. Doch immer
sollten wir uns auf diese an sich erfolgreichen Denkgewohnheiten nicht
verlassen, denn gerade für den Umgang mit statistischen Informationen sind
wir offenbar nicht gut gerüstet. Zu welchen groben Missverständnissen und
Fehlschlüssen es häufig kommen kann, zeigt Gigerenzer an aktuellen
Beispielen wie der Diskussion um das Brustkrebs-Screening, der
AIDS-Diagnostik, aber auch der DNA-Analyse in der Rechtssprechung und
anderen Lebensfeldern. Und zwar nicht nur bei Laien, sondern nachweislich
auch bei Medizinern, Juristen, Psychologen und Finanzexperten. Doch
Gigerenzer beschränkt sich nicht auf Expertenschelte, sondern erklärt auch,
warum wir Schwierigkeiten im Umgang mit Risiko und Wahrscheinlichkeiten
haben und wie wir lernen können, mit statistischen Informationen richtig
umzugehen. Die Zahlenblindheit der Mehrheit wird auch kommerziell
ausgenutzt, meint Gigerenzer. Pharmahersteller bewerben ihre Produkte zum
Beispiel am liebsten mit Angaben zur "relativen Risikoverminderung". Senkt
beispielweise ein Medikament die Sterberate von ursprünglich 6 von 1000
Personen auf 4 von 1000, so hat sich das Sterberisiko durch die Einnahme
dieser Tabletten um 33,3 Prozent verringert. Das klingt beeindruckend. Weit
beeindruckender jedenfalls als die absoluten Zahlen: Denn durch das
Medikament bleiben nur 2 von 1000 Personen mehr am Leben als ohne die
Behandlung. Die absolute Verringerung des Risikos ist demnach nur 0,2
Prozent.

Schon zu Beginn des 20sten Jahrhunderts sagte der Schriftsteller H.G. Wells:
"Statistisches Denken wird für den mündigen Bürger eines Tages dieselbe
Bedeutung haben wie die Fähigkeit lesen und schreiben zu können." Hundert
Jahre später sind wir immer noch weit davon entfernt, mit
Wahrscheinlichkeiten, Unsicherheiten und Risiken kompetent umzugehen.
Gigerenzer gibt den Lesern nun die richtigen Werkzeuge in die Hand, mit
denen statistisches Denken und Entscheiden in Zukunft leichter fällt.

Gerd Gigerenzer
DAS EINMALEINS DER SKEPSIS
- über den richtigen Umgang mit Zahlen und Risiken
406 Seiten, Berlin Verlag, Berlin 2002, 22 Euro

Über den Autor:
Gerd Gigerenzer ist Professor für Psychologie und Direktor am
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Er leitet den
Forschungsbereich "Adaptives Verhalten und Kognition". Sein Buch "The
Probabilistic Revolution" (mit Lorenz Kruger und Mary Morgan, MIT Press)
wurde von der Gesellschaft amerikanischer Verleger als bestes Buch der
Sozial- und Verhaltenswissenschaften 1987 ausgezeichnet. Gigerenzer hat
zahlreiche Auszeichnungen erhalten und war unter anderem auch Preisträger
der American Association for the Advancement of Science für die
Verhaltenswissenschaften.


 



 

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