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AHO Aktuell - 04.12.2002

Niedersachsens Bauern im Stimmungstief


L P D - „Die Stimmung auf unseren Höfen ist momentan nicht besonders gut“,
sagte Landvolk-Präsident Wilhelm Niemeyer auf der Jahrespressekonferenz des
Landesbauernverbandes in Hannover. Deutliche Einkommensverluste im
abgelaufenen Wirtschaftsjahr, eine miserable Ernte und zur Zeit weiter
sinkende Erzeugerpreise seien die Hauptgründe für das Stimmungstief. Aber
auch die Steuerpläne der rot-grünen Bundesregierung und die Brüsseler
Vorschläge zur Weiterentwicklung der europäischen Agrarpolitik würden ganz
erheblich zur Verunsicherung beitragen. Dennoch rief Niemeyer die
niedersächsischen Bauern auf, aufgrund ihrer fachlichen und
unternehmerischen Fähigkeiten mit „Selbstvertrauen und Zuversicht nach vorne
zu schauen“. Schließlich würden auch in anderen Wirtschaftsbereichen zur
Zeit die Bäume nicht in den Himmel wachsen.

Kritik äußerte Niemeyer über die offensichtlich überproportionale Belastung
des Agrarsektors zur Konsolidierung der Staatsfinanzen. Besonders die
geplanten Steueränderungen würden für die Landwirte scharfe Einschnitte
bringen. „Die Absenkung der Vorsteuerpauschale von neun auf sieben Prozent
bedeutet faktisch deren Abschaffung“, sagte der Landvolk-Präsident. Da
gleichzeitig die Mehrwertsteuer auf Vorprodukte wie lebende Tiere,
Futtermittel und Saatgut von sieben auf 16 Prozent erhöht werde, dürften die
meisten Landwirte für die Regelbesteuerung optieren. Vermutlich würden sich
die erwarteten Mehreinnahmen des Staates deshalb nicht realisieren. Die
bewährte Vereinfachungsregelung über die Pauschalierung werde unnötig
aufgegeben, zugleich würden die Land- und Forstwirte in ein höchst
bürokratisches Umsatzsteuerverfahren gezwängt. „Das ist ein Nullsummenspiel“
sagte Niemeyer. Als „höchst bauernfeindlich“ bewertete er die geplante
Anhebung des Mehrwertsteuersatzes bei Futtermitteln von sieben auf 16
Prozent, während das Futter für Katzen und Hunde aber weiterhin nur mit
sieben Prozent besteuert bleibe. Der Landvolkverband appelliere daher
eindringlich an Bundestag und Bundesrat, die „böswilligen Steuerpläne“
deutlich zu korrigieren. Hier stehe auch Ministerpräsident Gabriel im Wort,
der zugesagt habe, sich für den Erhalt sinnvoller Vereinfachungsregelungen
im Bundesrat einzusetzen.

Zur bevorstehenden Landtagswahl forderte Niemeyer von den Parteien „noch
mehr Engagement“, um die Wettbewerbsfähigkeit der niedersächsischen
Landwirtschaft zu sichern. Besorgt seien die Landwirte vor allem über die
geplanten Verschärfungen im Natur- und Umweltschutzbereich. Als Beispiel
nannte Niemeyer die Anfang Oktober in Kraft getretene TA-Luft. Nach den
neuen Vorschriften seien in den Veredelungsregionen viele Betriebsstandorte
ohne zusätzliche technische Maßnahmen nicht mehr entwicklungsfähig. Zur
Finanzierung dieser Umwelttechnik müsse das Land die von der Bundesregierung
und der

Europäischen Union gegebenen Fördermöglichkeiten endlich ausschöpfen. Erneut
kritisierte der Landvolk-Präsident das im Vorjahr in Kraft getretene
Artikelgesetz. Die geforderte Genehmigungspflicht für Tierhaltungen von zwei
GV pro Hektar sei ein unsinniges Abgrenzungskriterium. Niemeyer appellierte
an den Ministerpräsidenten, sich für die Aufhebung der starren Viehgrenze
auf Bundesebene einzusetzen.

Zur EU-Agrarpolitik bekräftigte Niemeyer seine Forderung, dass die
agrarpolitischen Beschlüsse der Agenda 2000 bis zum Jahr 2006 ihre volle
Gültigkeit behalten müssen. Gleichwohl sollte aber bereits im Jahr 2004
entschieden werden, auf welche Änderungen die Landwirte sich ab dem 1.
Januar 2007 einstellen müssten. Erforderlich seien ausreichende
Übergangszeiten und keine übereilten Beschlüsse. Durchaus Zustimmung äußerte
der Landvolk-Präsident über die Ziele der von Brüssel geplanten Agrarreform.
Weniger Bürokratie, mehr Markt und die Akzeptanz der agrarpolitischen
Beschlüsse in der Bevölkerung, darüber gebe es mit Brüssel einen Konsens.
Dagegen müsse über die geplante Entkoppelung der Prämien von der Produktion
noch intensiv diskutiert werden. Niemeyer schlug im Falle einer Entkoppelung
vor, diese zunächst auf betriebsindividueller Ebene durchzuführen, um
einzelbetriebliche Härten zu vermeiden und den Betrieben
Anpassungsmöglichkeiten zu geben. Erst danach, etwa nach sechs bis acht
Jahren, könnte der aus Vereinfachungsgründen gebotene Übergang zu einer
Durchschnittslösung in Angriff genommen werden. Durch den jüngsten
Finanzbeschluss der Staats- und Regierungschefs werden die Brüsseler
Reformvorschläge nach Auffassung Niemeyers keineswegs auf Eis gelegt, wohl
aber sei in einigen Bereichen mit Änderungen zu rechnen, insbesondere bei
der ursprünglich geplanten Kürzung der Ausgleichszahlungen über die so
genannte Modulation und deren Mittelverwendung.

Enttäuscht zeigte sich Niemeyer über die geplatzte Fusion der beiden
genossenschaftlichen Fleischkonzerne Nord- und Westfleisch. Damit sei eine
historische Chance vertan worden. Die Nordfleisch, deren
Aufsichtsratsvorsitzender Niemeyer ist, werde nunmehr nach anderen Partnern
Ausschau halten. Indes würden aber die Maßnahmen zur Sanierung des
Unternehmens unvermindert und mit Unterstützung der genossenschaftlichen
Zentralbank DZ fortgesetzt. „Bei etwas gutem Willen und mehr Mut zum
Kompromiss hätte die Fusion nicht scheitern müssen“, bedauerte Niemeyer.

 



 

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