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AHO Aktuell - 19.10.2002

Probiotika statt Antibiotika für Schweine?


(idw) - Die positive Wirkung von Probiotika auf den menschlichen Organismus
wird als längst bewiesen betrachtet. Aber sind diese Mikroorganismen
genauso gesund für die Tierwelt? Können sie etwa eine Alternative zur
Verabreichung von Antibiotika im Futter sein und über die Beeinflussung
der Darmflora die Gesundheit von Schweinen, Kälbern und Geflügel fördern
und damit die Verwendung von Antibiotika reduzieren? Mit diesen Fragen
beschäftigt sich seit vergangenem Herbst eine von der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG) eingerichtete Forschergruppe am Fachbereich
Veterinärmedizin der Freien Universität Berlin, die mit rund 1,4
Millionen Euro für zunächst drei Jahre gefördert wird. Erste
Zwischenergebnisse liegen vor.


Bakterien gehören zu den erfolgreichsten Lebewesen. Seit 3,5 Milliarden
Jahren besiedeln sie unseren Planeten. In dieser Zeit haben sie sich
nahezu jedem Lebensraum und jeder Nahrungsquelle angepasst. Für die
damit verbundenen Rivalitäten haben sich die Mikroorganismen mit
Stoffwechselprodukten gerüstet, die Wachstum und Vermehrung von
Nahrungskonkurrenten hemmen oder sie abtöten. Zu diesen effektiven
Molekülmischungen gehören Antibiotika, mit denen bei Menschen und
Tieren erfolgreich bakterielle Infektionen behandelt werden.

Vor Jahren wurden mehrere Antibiotika dem Futter von Nutztieren
zugesetzt. Ihr Wachstum und ihre Futterverwertung waren dadurch
wesentlich besser. Wegen dabei entstehender Resistenzen wird die
Möglichkeit der Übertragung dieser Antibiotika-Unempfindlichkeit auf den
Menschen heftig diskutiert. Seit 1996 wurden die meisten antibiotischen
Leistungsförderer in der Europäischen Union (EU) verboten. Heute haben
noch vier Antibiotika eine Zulassung als Futterzusatzstoff aber auch
deren Verbot ist vorgesehen. Doch was sind die Alternativen? Eine
Lösung könnte lauten: Pro- statt Antibiotika.

Probiotika sind lebensfähige Bakterien und Hefepilze. Ursprünglich als
Nahrungskonzept für den Menschen entwickelt, werden sie inzwischen auch
Nutztieren zugeführt. In der EU sind bereits 19 probiotische Präparate
als Futterzusätze vorläufig zu gelassen. Mit der Nahrung aufgenommen,
sollen die Mikroben im Darm der Nutztiere für eine ausgeglichene Flora
sorgen. Dies könnte ihre Abwehrkräfte und Leistungsfähigkeit stärken.
Allerdings eher hypothetisch, denn die Wirkungsmechanismen der
probiotischen Zusätze sind noch nicht erforscht.

Am Fachbereich Veterinärmedizin der Freien Universität Berlin hat sich
deshalb im Herbst vergangenen Jahres ein interdisziplinär
zusammengesetztes Expertenteam gebildet, um die Ursachen der
probiotischen Wirkungen beim Schwein zu untersuchen. Die Deutsche
Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert die Forschergruppe mit rund
1,4 Millionen Euro für zunächst drei Jahre.

Die Effekte von Probiotika sind wesentlich komplexer als ursprünglich
angenommen. Sie betreffen die Abschnitte des Verdauungstraktes in
unterschiedlicher Weise und verändern zum Beispiel den Säuregrad,
blockieren bestimmte Rezeptoren der Darmwand und bilden kurzkettige
Fettsäuren. Die Abläufe werden zudem vom Zeitpunkt beeinflusst, an dem
die probiotische Fütterung beginnt. "Die klassischen Methoden der
Tierernährung und Mikrobiologie reichen hier nicht mehr aus", sagt
Ortwin Simon, Professor am Institut für Tierernährung und Sprecher der
Forschergruppe. "Um tatsächlich zu einer integrativen Analyse zu
gelangen, wurden gemeinsame Versuchsansätze für die Bereiche
Tierernährung, Physiologie, Anatomie, Mikrobiologie, Immunologie und
Molekularbiologie entwickelt." Die Forschergruppe arbeitet mit
einheitlichen Geweben und Zellkulturen. Bei den untersuchten Probiotika
handelt es sich um Bakterien der Gattung Enterococcus. Untersuchungen zu
Bacillus-Arten und Stämmen der Bäcker- und Bierhefe Saccharomyces
cerevisiae werden folgen. Diese Arten entsprechen den vorläufig
zugelassenen Futterzusätzen. Gleichzeitig wird die Sicherheit im Umgang
mit den Organismen beurteilt, denn der Verbraucherschutz hat Vorrang.

Mit dem bisherigen Verlauf des Projektes ist Ortwin Simon sehr
zufrieden: "Die ersten greifbaren Ergebnissen zeichnen sich bereits ab.
Unsere Versuchsferkel haben weniger und kürzere Durchfallerkrankungen."
Wie Simon mitteilte, sprechen die vorläufigen Ergebnisse für einen
gesteigerten Glucose-, also Zuckertransport durch das Darmgewebe. Das
bedeutet weniger energieliefernde Nährstoffe für die Bakterien, dafür
aber mehr für die Ferkel. Überraschenderweise wurde auch der Immunstatus
der Tiere durch die Probiotika stark beeinflusst. So stieg in den oberen
Gewebeschichten der Darmwand die Zahl der so genannten T-Helferzellen,
die Antikörper produzieren. Gleichzeitig sank der Spiegel zum Beispiel
bei Zellen, die die Immunantwort dämpfen. Dagegen wurden tiefer im
Darmgewebe liegende Immunzellen anscheinend nicht beeinflusst. "Eine
Interpretation dieser Befunde kann aber erst nach dem Erfassen weiterer
Parameter erfolgen", betonte Simon. Die weiteren Untersuchungen der
Forschergruppe werden zeigen, ob sich das Probiotika-Konzept für
Nutztiere auf einem soliden wissenschaftlichen Fundament durchsetzen
kann.

Informationsdienst Wissenschaft - idw - - Pressemitteilung
Freie Universität Berlin, 17.10.2002

 



 

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