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AHO Aktuell - 18.10.2002

Verband: Freiwillige BSE-Tests einstellen


Bonn (aho) - Der Verband der Fleischwirtschaft will die freiwilligen
BSE-Tests von Rindern unter 24 Monaten wieder einstellen. Der Verband
erklärt hierzu in einer Pressemeldung vom 16.10.2002:

Zum Schutz vor BSE wurden in den letzten zwei Jahren eine Vielzahl von
Maßnahmen ergriffen. Als wohl wichtigste und wirksamste Maßnahme muss das
Verbot der Verfütterung von Tiermehlen an Wiederkäuer und dessen konsequente
Kontrolle angesehen werden. Weiterhin werden vorsorglich sog. spezifische
Risikomaterialen bei der Schlachtung und Zerlegung von Rindern entfernt und
vernichtet (z.B. Wirbelknochen, Schädel, Mandeln, Rückenmark, Darmpaket) Es
wurden zusätzliche Desinfektionsmaßnahmen der im Schlachtprozess benutzten
Geräte eingeführt, um Verteilungsmöglichkeiten von Prionen auszuschließen.
Ein weiterer Bestandteil des Maßnahmenbündels ist der BSE-Schnelltest zur
Erkennung der Krankheit bei geschlachteten Rindern und bei sog.
Risikotieren, die verendet sind oder wegen Krankheit oder Auffälligkeit
getötet werden mussten.
Mit den verfügbaren BSE-Tests wird auf das Vorhandensein von Prionen im
Gehirn untersucht, nachdem das Tier verendet ist oder getötet wurde. BSE hat
eine Inkubationszeit von ca. 5 Jahren, die Prionen erreichen das Gehirn erst
in einem späten Stadium der Rinderkrankheit. Die Anwendung von BSE-Tests bei
Tieren, die klinisch gesund sind und im Alter von weniger als drei Jahren
(36 Monate) geschlachtet werden, kann deshalb keinen tatsächlichen Schutz
vor BSE darstellen.

Vor diesem Hintergrund ist gemäß der Empfehlung des wissenschaftlichen
Lenkungsausschusses in der EU die BSE-Testpflicht bei der Schlachtung von
gesunden Rindern erst in einem Alter ab 30 Monate vorgeschrieben worden.
Hierbei wurde bereits eine Sicherheitsmarge hinsichtlich des Alters
berücksichtigt.
In Deutschland hat Bundesministerin Künast diese Sicherheitsmarge noch
weiter ausgedehnt und seit dem 1. Februar 2001 BSE-Tests bei der Schlachtung
von gesunden Rindern ab 24 Monaten vorgeschrieben. Verendete, kranke und
auffällige Rinder werden in Deutschland unabhängig vom Alter ausnahmslos auf
BSE getestet.
Die Wirtschaftsbeteiligten waren nach dem ersten BSE-Fall in Deutschland
stark verunsichert. Fehlende Kenntnisse über die Infektionswege und den
Krankheitsverlauf sowie über die Aussagefähigkeit von BSE-Schnelltests haben
die Wirtschaft auf dem Gipfel der BSE-Krise im Januar 2001 dazu veranlasst,
die Tests bei allen gesunden Rindern in der Schlachtung anzuwenden. In der
Situation großer Unsicherheit wollte man jedes Mittel einsetzten, dass den
Schutz vor BSE möglicherweise erhöhen könnte. Der Verband der
Fleischwirtschaft ist seinerzeit mit dem Entschluss der Schlachtunternehmen,
über die Pflichttests hinaus auch freiwillige Tests bei Rindern unter 24
Monaten durchzuführen, weder in die Öffentlichkeit gegangen noch wurde eine
Selbstverpflichtung mit Ministerin Höhn vereinbart. Denn auch schon Anfang
2001 wäre es unseriös gewesen zu behaupten, BSE-Tests bei Jungrindern böten
einen wirksamen Schutz vor BSE. Inzwischen wurden seit Januar 2001 allein in
Deutschland über 5 Mio. BSE-Tests durchgeführt, davon gut 4,6 Mio. (92 %)
bei gesund geschlachteten Rindern. Insgesamt wurden 208 BSE-Fälle (Jan. 01
bis Okt. 02) festgestellt, 134 dieser Tiere und damit zwei Drittel der
identifizierten BSE-Fälle waren verendet oder wurden wegen einer Krankheit
oder anderen Auffälligkeit getötete. Das jüngste dieser aus medizinischen
Gründen getöteten Tiere bei dem BSE festgestellt wurde war 28 Monate alt.
Bei den normalen Schlachtungen wurden 74 BSE-Fälle festgestellt. Das jüngste
dieser Tiere war 49 Monate alt, das Durchschnittsalter liegt bei 70 Monaten.
Für die EU liegen uns z.Z. keine aktuellen nach Alter differenzierten
Testzahlen vor. Im Jahr 2001 wurden in der EU 8,5 Mio. Rinder auf BSE
getestet, davon 1,4 Mio. in einem Alter unter 30 Monate (hiervon 83 % in
Deutschland). Das jüngste Rind, bei dem BSE im normalen Schlachtprozess
mittels des BSE-Tests festgestellt wurde war 42 Monate alt.
Zu den Verhältnissen im Jahr 2002 erklärte Kommissar Byrne vor dem
Agrarministerrat am 27. Juni 2002: "Der jüngste Fall von BSE in diesem Jahr
wurde im Vereinigten Königreich bei einem 31 Monate alten Rind festgestellt,
wobei es sich um eine Nottötung handelte. Das jüngste gesunde Tier war 49
Monate alt und stammte aus Frankreich."
1989 und 1992 wurde im Vereinigten Königreich bei zwei Rindern im Alter von
21 und 20 Monaten BSE festgestellt. Vereinzelt wird deshalb gefordert alle
jüngeren Tiere auf BSE zu testen. Nicht berücksichtigt wird hierbei, dass:

- das BSE-Risiko im VK Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre um ein
vielfaches höher war als dies in Deutschland der Fall ist. Selbst ohne die
Anwendung von Schnelltests und direkter Beseitigung aller Tiere über 30
Monate wurden 1989 7.133 BSE-Fälle und 1992 sogar 36.680 BSE-Fälle
bestätigt.

- spätestens seit dem Tiermehlverbot im Dezember 2000 vermutlich keine
Neuinfektionen über diese Hauptinfektionsquelle mehr stattfinden konnten,

- zusätzliche Schutzmaßnahmen gegen ein Übertragungsrisiko auf den Menschen
installiert wurden,

- der Krankheitsdruck in Deutschland nicht mit dem in England vergleichbar
ist, da völlig andere Voraussetzungen herrschten,

- die Geburtsjahre der Tiere mit BSE in Deutschland ausnahmslos vor 1998
liegen und sich um die Jahre 1995-1997 konzentrieren,

- wenn es gerechtfertigt wäre die Tests bei jüngeren Tieren anzuwenden,
zahlreiche Wissenschaftler dies mit Nachdruck gefordert hätten und auch in
anderen EU-Staaten würde unter 24 Monaten getestet. Gemäß BSE-Testbericht
der Europäischen Kommission vom Juni 2002 werden allein in Deutschland in
nennenswertem Umfang Rinder unter 24 Monaten getestet. Ohne verwertbares
Ergebnis.

Nachdem die allgemeine Hysterie wegen BSE abgeklungen ist, sollte es auch
wieder möglich sein, auf der Basis nüchterner Faktenanalyse zu handeln.
Wissenschaftler der EU haben die Anwendung von BSE-Tests bei Tieren unter 30
Monaten nie empfohlen, weil eine Schutzwirkung nicht zu erwarten war.
Inzwischen haben sich auch Wissenschaftler der zuständigen staatlichen
Institute in Deutschland kritisch zur BSE-Testpraxis bei jüngeren Tieren
geäußert.

Die Testergebnisse sprechen eine eindeutige Sprache und bestätigen damit die
Wissenschaftler auf EU-Ebene: regelmäßige BSE-Tests bei Rindern unter 30
Monaten können nicht zu einer Erhöhung des Schutzes vor BSE beitragen.

Wirtschaftsbeteiligte, die angesichts dieser Faktenlage weiterhin sogar
Rinder unter 24 Monaten testen und damit werben, betreiben wissentlich
Verbrauchertäuschung (vgl. Urteil des VG Frankfurt, Dez. 2001).


 



 

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