Aktuelle Meldungen  -  Nachrichten suchen  -  kostenloses Abo  -   Nachricht weiterempfehlen

 

AHO Aktuell - 15.09.2002

Lebensmittelabfälle: Artgerechte Vollwertkost für Schweine


Hannover (aho) - Mit Lebensmittelabfällen läßt es sich trefflich mästen. Das
ist das Fazit einer Studie des Institut für Tierernährung der Tierärztlichen
Hochschule Hannover, die Vor- oder Nachteilen des Einsatzes von Speiseresten
und Kartoffelschälabfällen als Futterkomponenten in der Mastschweinefütterung
untersuchte.

Die Untersuchung fand auf einem Schweinemastbetrieb unter identische Umwelt-
bedingungen mit 5000 Tieren gleicher Herkunft statt, welcher wöchentlich
150 t Speisereste und Kartoffelschälabfälle verfüttert. Ausgewertet wurden
drei Mastdurchgänge mit insgesamt 1200 Tieren. Als Kontrollgruppe dienten
Schweine, die mit Getreide und Sojaextraktionsschrot gemästet wurden. Erfaßt
wurden die Futterinhaltsstoffe, die Rationsgestaltung, die Mastleistung,
der Gesundheitszustand, das Stallklima, die Schlachtkörperqualität und die
Ökonomie.

Die Ergebnisse:

Die Analysen der Nebenproduktkomponenten Speisereste und Kartoffelschälabfälle
zeigten, dass es sich um Futterkomponenten mit einer hohen Schwankungsbreite
hinsichtlich der Nährstoffgehalte handelt.

Alle Futterproben der verschiedenen Mastfutter wiesen ein Nährstoffspektrum
auf, mit dem eine tierart- und bedarfsgerechte Versorgung der Mastschweine
in den einzelnen Mastabschnitten gewährleistet werden konnte.

Die in der Nebenproduktgruppe erreichte durchschnittliche Tageszunahme von
740 g bei einem Futteraufwand von 2,93 war nicht wesentlich geringer als
in der Getreidegruppe mit 755 g bzw. 2,89.

Die Kotkonsistenz war in der Nebenproduktgruppe dünnbreiiger als in der
Getreidegruppe. Dementsprechend waren die Tiere und Stalleinrichtungen in
der Nebenproduktgruppe stärker verschmutzt. Die Luftammoniakgehalte waren
in der Nebenproduktgruppe geringer als in der Kontrollgruppe. Dieses ist
vermutlich durch eine geringe renale N-Ausscheidung zu erklären. Bei der
Gülleuntersuchung wurden deutlich höhere Stickstoffwerte in der Neben-
produktgruppe festgestellt.

Bei der Schlachtkörperuntersuchung zeigten die Tiere beider Versuchsgruppen
einen vergleichbaren Ausschlachtungsgrad (ca. 80,3 %) und Magerfleischanteil
(ca. 56,5 %). Das Fettsäurenmuster ergab im Rückenspeck keine Unterschiede,
allerdings zeigten sich geringfügig höhere Anteile ungesättigter Fettsäuren
im Flomenspeck der Nebenproduktgruppe.

In der Nebenproduktgruppe errechnete sich auf Grund der niedrigeren Futter-
kosten ein um 8,51 € höherer Deckungsbeitrag pro Mastschwein.

Bemerkenswert waren die Unterschiede beim Gesundheitsstatus der Tiere. In
beiden Gruppen zeigten sich im ersten Mastdurchgang Atemwegserkrankungen.

In der Kontrollgruppe trat bei den rein vegetarisch ernährten (Soja und
Getreide) Schweinen in allen Mastdurchgängen Schwanzkannibalismus (Schwanz-
beißen) auf. In der Versuchsgruppe, die mit den Lebensmittelabfällen auch
tierisches Eiweiß in Form von Fleisch, Wurst und Milchprodukte erhielten,
trat diese Verhaltensanomalie nicht auf. Im Betrieb wurde bereits zuvor die
Beobachtung gemacht, dass mit Beginn der Nebenproduktfütterung das Problem
des Kannibalismus, insbesondere des Schwanzbeißens, nicht mehr
auftrat. (1)

Ähnliche Beobachtungen wurden auch schon von Wissenschaftlern des Roslin
Institutes in Edinburgh, Scotland, gemacht. Nach ihren Feststellungen tritt
dann lebensbedrohliches Federpicken bei Hennen mit Auslauf besonders häufig
auf, wenn sie gänzlich vegetarisch ernährt werden. In ihren Versuchen
differierten die gefütterten Rationen nicht im Bezug auf Rohprotein,
essentiellen Aminosäuren, Vitaminen und Mineralien. Allein die Auswahl des
Eiweissträgers war entscheidend. Bei den vegetarischen Hennen war es Soja,
bei den konventionellen Hennen Fischmehl. (2)

Die Studie des Institut für Tierernährung der Tierärztlichen Hochschule
Hannover belegt, dass eine Fütterung von Mastschweinen auf einer Basis von
Speiseresten und Kartoffelschälabfällen ein hohes Leistungsniveau ermöglicht.
Weder die Tiergesundheit noch die Schlachtkörperqualität waren in der
Nebenproduktgruppe nachteilig beeinflusst. Daher scheint der Einsatz von
Nebenprodukten in der Fütterung von Schweinen unter diesen tierärztlich
relevanten Aspekten durchaus gerechtfertigt. Zusätzlich zu den ökonomischen
Vorteilen sollte auch die Rezyklierung vorhandener Ressourcen in der
Diskussion um die Verwendung entsprechender Produkte berücksichtigt werden.

Ob die im Soja enthaltenden Phytoöstrogene für die Verhaltensanomalien bei
den Schweinen und Legehennen verantwortlich sind, ist bisher nicht
abschließend geklärt. Denkbar ist auch, daß Allesfresser wie Schweine und
Hühner auf bestimmte bisher nicht analysierte Komponenten in Futtermitteln
tierischer Herkunft angewiesen sind. Es sollte deshalb geprüft werden, ob
es artgerecht st, Allesfresser zu "Zwangsvegetarier" zu machen. Zudem
verbietet § 3 des Futtermittelgesetzes, " Futtermittel in Verkehr zu bringen,
die bei Verfütterung ........ geeignet sind, die Gesundheit von Tieren zu
schädigen". Ebenso verbietet es das Tierschutzgesetz ebenfalls im § 3 "einem
Tier Futter darzureichen, das dem Tier erhebliche Schmerzen, Leiden oder
Schäden bereitet".



(1) Reinhard Schlüter
Auswirkungen des Einsatzes von einem Flüssigfutter aus thermisch vorbehandelten
Speiseresten und Kartoffeln auf die Mastleistungen, Gesundheitsstatus,
Schlachtkörperqualität und Ökonomie in der Schweinemast
Institut für Tierernährung der Tierärztlichen Hochschule Hannover
Dissertation, 2002

(2) McKeegan, D.E.F. u. Savory, C.J.
Feather pecking and dietary protein
Poultry International, Dec, 1999, S. 48 - 50

 



 

  zum Seitenbeginn


© Copyright

AHO Aktuell ist ein Service von ANIMAL-HEALTH-ONLINE und @grar.de