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AHO Aktuell - 04.08.2002

Ferkelkastration unter Halothan: Hohe Kosten +++ nicht risikolos


Bern (aho) - Männliche Ferkel werden in den ersten Lebenswochen
routinemäßig kastriert, um den nach der Geschlechtsreife auftretenden
unangenehmen geschlechtsspezifischen Geruch und Geschmack des
Eberfleisches zu vermeiden. Eber produzieren in den Hoden Androstenon
und im Stoffwechsel Skatol. Diese beiden Substanzen lagern sich im
Fettgewebe ab und verursachen beim Erhitzen des Fleisches einen
urchdringenden Geruch und Geschmack nach Urin. Ohne Kastration wäre
das Fleisch von etwa 10% aller Tiere von diesem Ebergeruch betroffen
Da aus dem Verhalten der Ferkel während und nach der Kastration zu
schließen ist, dass der Eingriff als schmerzhaft empfunden wird,
rhebt sich die Frage, ob die Berechtigung besteht, die Ferkelkastration
ohne Betäubung vorzunehmen. Da Ferkel bereits ab dem ersten Lebenstag s
chmerzempfindlich sind, fordern Tierschutzkreise seit Jahren ein Verbot
der Kastration ohne Schmerzausschaltung.

Das Ziel einer von Veterinärmedizinern der Universität Bern (Schweiz)
durchgeführten Feldstudie war, die Praxistauglichkeit der Kurznarkose
mit Halothan zu beurteilen. 1054 Ferkel im Alter von vier bis 18 Tagen
wurden über eine Maske mit 5% Halothan in reinem Sauerstoff anästhesiert
und danach kastriert. Für jedes Ferkel wurden Einleitungszeit,
Kastrationszeit sowie die gesamte Narkosezeit bis zur Stehfähigkeit
gemessen und zusätzlich die Abwehrreaktionen während der Kastration
beobachtet. Als Kontrolltiere dienten die nach herkömmlicher Methode
kastrierten Ferkel. Erfaßt wurden die Kosten sowie die Belastung der
Umgebung mit Narkosegas. Alle Tiere konnten ohne Zwischenfälle unter
Narkose kastriert werden. Die Einleitungszeit, die Kastrationszeit und
die gesamte Narkosezeit bis zum Stehen betrugen im Durchschnitt 99 ± 16;
29 ± 8 und 115 ± 84 Sekunden. In den Betrieben wurde insgesamt ein
mittlerer Zeitaufwand für die Narkose von 2,3 ± 0,3 Minuten pro Ferkel
errechnet, bei der Kastration ohne Narkose waren es 1,3 ± 0,4 Minuten.

Die Belastung der Umgebung mit dem Narkosegas Halothan* lag kurzzeitig
über dem gesetzlich festgelegten MAK-Wert (Maximale Arbeitsplatz
Konzentration) von 5 ppm. Je nach Betrieb betragen die zusätzlichen
Kosten (Amortisation und Zeitaufwand eingerechnet) zwischen 2,50 und
3,00 sFr. (Schweizer Franken) pro Ferkel bei Kastration durch Mitarbeiter
des Betriebes. Erfolgt die Anästhesie durch einen Tierarzt, ergeben sich
nach dem Schweizerischen Rahmentarif Gesamtkosten zwischen 10.00 und 1
1.00 sFr. (1).

Ob eine Narkose tatsächlich weniger Streß für die Ferkeln zur Folge hat,
haben Tierärzte der Abteilung für Anästhesiologie der Klinik für Nutztiere
und Pferde und des Institutes für Tierzucht der Universität Bern untersucht.
Sie zeigten, dass durch eine Inhalationsnarkose weder mit CO2 noch mit
Halothan einen Einfluß auf die Ausschüttung der Stresshormone Cortisol,
ACTH und b-Endorphin hat.(2)

Da für Halothan* eine fruchtschädigende Wirkung nachgewiesen wurde,
wären schwangere Frauen bei der Kastration von Ferkeln unter
Halothannarkose auszuschließen. In wieweit der Verbraucher die
Anwendung einer fruchtschädigenden Substanz bei der Produktion
von lebensmittelliefernden Tieren akzeptiert, darf bezweifelt
werden.


(1) Sandra Wenger, Nicola Jäggin, M. Doherr, U. Schatzmann
Die Halothananästhesie zur Kastration des Saugferkels
Machbarkeitsstudie und Kosten-Nutzen-Analyse
Tierärztl Prax 2002; 30 (G): 164-70

(2) Urs Schatzmann, Ingrid Kohler, Yves Moens, André Busato, Jürg Blum
Allgemeinnarkose für die Ferkelkastration: Vergleich der
Halothan-Inhalationsnarkose mit Kohlendioxid (CO2)
Mehrjahresbericht BVET 1996 - 1999



*Zusatzinformation zu Halothan:
2-Brom-2-chlor-1,1,1-trifluor-äthan (F3C-CHBrCl); farblose, nicht
brennbare Flüssigkeit mit Siedepunkt bei 50,2 °C; maximale Arbeits-
latzkonzentration (MAK): 5 ml/cm3 (= ppm) bzw. 40 mg/m3.; ist belastet
durch Gefahr der Leberschädigung, Atemdepression, Herzmuskelschwäche
(negativ inotrope Wirkung), Verlangsamung der Herzfrequenz u.
Blutdruckabfall; Aufgrund der potentiellen Leberschädigung wird H. in
der modernen Anästhesie mehr u. mehr durch andere Inhalationsnarkotika
ersetzt. Werdende Mütter sollten Halothan-Dämpfen nicht ausgesetzt werden,
da es fruchtschädigend ist.
 



 

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