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AHO Aktuell - 21.07.2002

Mit DNA gegen Prionen vorgehen


München (IDW) - Krankmachende Prionen rufen im Körper keine
Immunantwort hervor. "Eine Ursache könnte sein, dass Prionen aus
körpereigenen Proteinen bestehen und nicht über genetisches Material in
Form von Nukleinsäuren, etwa DNA, verfügen", meint Professor Hans
Kretzschmar vom Institut für Neuropathologie der LMU. "Wir haben Mäuse,
die mit Prionen infiziert sind, experimentell mit einer bestimmten DNA
behandelt - und damit die Überlebenszeit der Tiere dramatisch
verlängert. Diese Therapie könnte bald auch gegen humane
Prionkrankheiten, vor allem die akzidentell übertragene
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, eingesetzt werden." (Lancet, 20. Juli 2002)
Verwendet wurden DNA-Stücke mit charakteristischer Sequenz, so genannte
CpG Oligodesoxynukleotide (CpG ODN). Sie sind - anders als ihre
Gegenstücke in den menschlichen Zellen - nicht methyliert, also nicht
chemisch verändert, und werden deshalb wohl vom Körper als fremd
erkannt. Die CpG ODN sind seit langem als immunstimulierend bekannt und
werden auch für Therapien gegen Krebs und Allergien sowie als Zusatz für
Impfstoffe erprobt.

In den von Kretzschmar und Shneh Sethi von der LMU sowie Hermann Wagner
Wagner von der TU München und der US-amerikanischen Firma Coley
Pharmaceuticals durchgeführten Experimenten wurden Gruppen von je acht
Mäusen in der Bauchhöhle mit Prionen infiziert. Wurden die Tiere
gleichzeitig oder sieben Stunden später mit CpG ODN behandelt,
überlebten sie um 38% länger (250-253 Tage) als die unbehandelten Mäuse
(181-183 Tage). Wurden CpG ODN über drei Wochen täglich gegeben, zeigten
die behandelten Nager bis 330 Tage nach Infektion keine
Krankheitszeichen. "Die wahrscheinlichste Erklärung für diesen Effekt
ist die Stimulation von Zellen des angeborenen oder "innaten"
Immunsystems, also Makrophagen, dendritische Zellen und natürliche
Killerzellen", berichtet Kretzschmar.


Die CpG ODN haben schon eine lange Karriere als potentiell potente
Immunstimulantien hinter sich. In den 1890er Jahren bemerkte der New
Yorker Knochenchirurg William B. Coley, dass ein Krebspatient, der
gleichzeitig an einer Hautinfektion litt, wieder genas. Coley schrieb
die Heilung von der Tumorerkrankung den Bakterien zu und behandelte in
den Folgejahren fast 900 Krebspatienten mit "Coley´s Toxin", einer
groben Mischung aus bakteriellen Bestandteilen - wobei nach seinen
Angaben etwa 40 Prozent wieder genesen sein sollen.

Erst um 1980 wurde gezeigt, dass die immunstimulierende Wirkung auf die
bakterielle Erbsubstanz zurückzuführen ist, und zwar auf Abschnitte in
der DNA, die vor allem aus zwei ihrer vier Bausteine bestehen - die so
genannten CpG-Inseln. Entsprechende Sequenzen der Erbsubstanz in
menschlichen Zellen sind stark methyliert, also chemisch verändert.
Dringen Bakterien in den Körper ein, erkennt das Immunsystem sie unter
anderem wegen der nichtmethylierten DNA als fremd. Selbst die nackte
Erbsubstanz kann eine starke Immunantwort hervorrufen.

"Die Experimente an den mit Prionen infizierten Mäusen haben gezeigt,
dass CpG ODN ein großes Potential für eine Therapie nach der Infektion
haben - und zwar wenn sie kurz nach der Infektion verabreicht werden",
so Kretzschmar. "Weitere Tests müssen jetzt zeigen, ob unerwünschte
Wirkungen zu beobachten sind, etwa Autoimmunreaktionen, und ob die
Therapie auch Wirkung zeigt, wenn sie vor oder längere Zeit nach der
Infektion eingesetzt wird." Forscher setzen in vielen Bereichen Hoffnung
auf die immunstimulierende Wirkung der CpG ODN - etwa in der Behandlung
von Krebs, Allergien und der Entwicklung neuer Impfstoffe.

Über kleine Abwandlungen in der DNA-Sequenz der CpG ODN erreichen manche
Forscher ein "Feintuning" der Therapie: Je nach Abfolge der Bausteine in
der Erbsubstanz werden nur bestimmte Immunzellen aktiviert, und damit
die Art der Immunantwort kontrolliert. Die CpG ODN ahmen bakterielle DNA
nach, was sie in den Augen mancher Forscher zu einem optimalen
Therapeutikum macht: Denn zur Abwehr von Erregern sei das Immunsystem
überhaupt erst entstanden. "In therapeutischen Versuchen haben die CpG
ODN bislang keine negativen Wirkungen gezeigt", berichtet Kretzschmar.
"Sie könnten also vielleicht bald als Therapeutikum bei Prionkrankheiten
in Betracht kommen."

Informationsdienst Wissenschaft - idw - - Pressemitteilung
Ludwig-Maximilians-Universität München, 19.07.2002
 



 

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