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AHO Aktuell - 29.05.2002

Preiszusammenbruch am Putenmarkt durch Drittlandseinfuhren


Oldenburg (LKP) - Vor gut einem Jahr noch befand sich der deutsche
Weißfleischmarkt in einer noch nie dagewesenen Aufbruchstimmung. Beflügelt
durch die Absatzkrise am Rindfleischmarkt waren beinahe hausseähnliche
Markttendenzen zu erkennen. Neben dem durchaus auskömmlichen Preisniveau
glaubten viele, die hohen Wachstumsraten der letzten zwei Jahre könnten
auch in 2002 fortgesetzt werden. Die deutsche Bruttoeigenerzeugung wuchs
im vergangenen Jahr um gut 11 %; die Einfuhren von Putenfleisch stiegen
um 17 %. Bis sich die Marktsituation ändert, so die Landwirtschaftskammer
Weser-Ems, dürfte noch geraume Zeit vergehen. Denn die Bruteinlagen sind
erst seit einigen Monaten rückläufig. Immerhin meldete der Verband
deutscher Putenerzeuger (VDP) für den März 2002 einen Rückgang der
Einstallungszahlen für Hahnenküken um 6,6 % und Hennenküken um 13,9 %.

Weltweit wurde die Geflügelfleischproduktion in den letzten zehn Jahren
um ca. 70 % ausgedehnt, vor allem in Asien und Südamerika. Inzwischen ist,
insbesondere am deutschen Putenmarkt, Ernüchterung eingetreten. In einer
noch nie dagewesenen Talfahrt hat sich binnen kürzester Zeit gegenüber
dem Vorjahr ein Preisrückgang der Erzeugerpreise um mehr als 20 %
eingestellt. Schlachtereiabgabepreise, beispielsweise für Putenbrust vom
Hahn ohne Haut und Knochen, sanken gegenüber dem Vorjahr um mehr als 30 %.
Bedingt durch den ruinösen Preiswettbewerb liegen jetzt schon zahlreiche
Betriebe mit ihren variablen Kosten oberhalb der Markterlöse und schreiben
somit tiefrote Zahlen. Neben einer beachtlichen Produktionsausweitung -
gegenüber dem Vorjahr wurden über die beiden ersten Monate eine kumulierte
Produktionsausweitung von 11,9 % registriert - sind aber auch, neben den
Abkühlungstendenzen, am deutschen Fleischmarkt weitere ungünstige Faktoren
für diesen Preiszusammenbruch verantwortlich.

Statistische Angaben belegen, dass im Jahr 2001 über 224.000 t Geflügel-
fleisch in der EU aus Drittländern eingeführt worden sind. Davon sind rund
128.000 t in die Bundesrepublik gegangen. Damit haben sich die bundes-
deutschen Einfuhren im Vergleich 2000 zu 2001 mehr als verdoppelt.
Bundesdeutsche Stalleinrichter von Geflügelställen berichten nach wie vor
von einem ungebremsten Investitionswillen südostasiatischer sowie
südamerikanischer Produzenten, die nach wie vor auf eine wachsende
Aufnahmebereitschaft europäischer Märkte hoffen. Das Gros der eingeführten
eflügelfleischmengen geht in Convenience-Produkte (Fertigprodukte), für
die keine eindeutige Deklarationspflicht bezüglich der Herkunft besteht.
Insofern können Qualitätssicherungsbestrebungen, die beispielsweise im
großen Stil bei der Umsetzung des QS-Zeichen (Qualitätssicherungs-Zeichen)
in Angriff genommen werden, unterlaufen werden. Dies ist um so bedrohlicher,
als bekannt ist, dass insbesondere in den Schwellenländern Südostasiens
sowie Südamerikas, produziertes Fleisch zu wesentlich geringeren
Produktionsstandards in bezug auf Umwelt und Naturschutz sowie Arbeitsschutz
produziert wird. Konkurrenzlos günstige Preise sind die Folge.

Bedingt durch Währungsvorteile, die sich durch die südamerikanische
Wirtschaftskrise ergeben haben sowie Wettbewerbsvorteile aufgrund der
wettbewerbsfähigen Produktionsstrukturen, werden brutal Marktanteile in
Europa und der Russischen Föderation erobert.

Das Beispiel des derzeitigen Preiszusammenbruchs könnte durchaus auch
weitere Agrarmärkte betreffen und dürfte einen Vorgeschmack auf die
zukünftigen Konsequenzen der WTO-Beschlüsse haben, deren Auswirkungen
die europäische Landwirtschaft in den nächsten Jahren zu ertragen hat.
 



 

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