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AHO Aktuell - 24.04.2002

Expertenanhörung zum TAMNeuOG vom 21.02.02


Expertenanhörung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und
Naturschutz des Landtages im Plenarsaal des Landtages NRW in Düsseldorf
(TAMNeuORG)


von Dr. Rainer Schneichel

Wegen einer Vielzahl von Ungereimtheiten und der breiten, kontrovers geführten
Diskussion für das Gesetzesvorhaben - federführend eingebracht über das
Ministerium Höhn in NRW - lud der Präsident des Landtages zu einer Experten-
anhörung am 21.02.02 ein.

Auffällig waren:

· Die heraufbeschworenen Arzneimittelskandale konnten außer dem sog.
"Schweinemastskandal in Bayern 2001" nicht näher belegt werden. Vor allem
ist kein Skandal aus dem Brieftaubensport bekannt. Nicht nur die Änderung
des § 60 bezüglich der Brieftauben zeigt Unverständnis bei Experten und
Abgeordneten, sondern ließen auch starke Zweifel an der Sinnhaftigkeit und
der zusätzlich zu erwartenden Sicherheit für den Verbraucher aufkommen.
Falls die Brieftauben aus dem § 60 "herausfallen" würden, würden Arzneimittel
für die anderen Heimtiere, wie z. B. Ziervögel, weiterhin zu den freiver-
käuflichen Arzneimitteln gehören, da diese für Ziergeflügel eine Parallel-
erlaubnis haben und insofern über diesen Umweg automatisch in der Brieftaube
landen würden, da freiverkäuflich!

Der Präsident des Brieftaubenverbandes stellte auf Anfrage klar, dass eine
Einbeziehung des Brieftaubenverbandes in die Beratungen nicht stattgefunden
hat, dass lediglich anlässlich eines Gesprächs im MUNLV Nordrhein-Westfalen
ein Papier vorgelegt wurde, das der Brieftaubenverband unterzeichnen sollte.
Dies war jedoch ein äußerst merkwürdiges Vorgehen des Ministeriums.
(Persönliche Anmerkung: Die Einbeziehung der tierärztlichen Verbände und
Vertreter erfolgte selektiv und häufig nur mittels einer Anhörung ohne die
Argumente aufzugreifen).

Eine Ergänzung, die zusätzlich Sicherheit bedeutet, wäre im § 60 AMG hinter
Brieftauben, "sofern aus ihnen nicht etwa Lebensmittel gewonnen werden"
anzufügen. Die angesprochene Versanderlaubnis für Arzneimittel für Tiere nah
dem § 60 AMG wird durch die Behörde erlaubt und entsprechend überwacht; wie
sollte es besser sein, wenn dies wegfallen würde und die Überwachung damit
ganz andere Dimensionen erreichen würde?

· Die zusätzlich gehörten Veterinäre aus der Überwachung (Bezirksregierung,
Kreisverwaltung) hielten die angestrebte Praxis mit einem Pendant zum
Equidenpass für salopp ausgedrückt, "unsinnig". An mehreren Stellen konnte
aufgezeigt werden, dass die jetzige Gesetzeslage schon eindeutig wieder-
spiegelt, dass die Abgabe von Medikamenten veterinärmedizinisch gerecht-
fertigt und nach Menge angemessen sein muss, da ansonsten bereits jetzt
3-jährige Freiheitsstrafe für den Tierarzt bzw. ein Jahr für den Landwirt
droht. In vielen Fällen konnte, was auch dem Präsidenten der Bundestier-
ärztekammer nicht bekannt war, bereits auf den ausreichenden Regelungsgehalt
aus der aktuellen Gesetzeslage hingewiesen werden.

· Einig war man sich auf breiter Basis, dass die mögliche, bisher aber
nicht bewiesene, mikrobielle Resistenz und deren Übertragung von Tier auf
Mensch zu einem sorgsamen Umgang mit Antibiotika führen muss. Des weiteren
wurde auf die zwingend notwendige Möglichkeit zur "Bevorratung" gewisser
Notfall- bzw. Managementprodukte (Atemstimulans bei Neugeborenen,
Eisenanwendung, Oxytocin-Anwendung etc.) hingewiesen. Dabei war man sich
unter den Experten und nach der Anhörung auch bei den Abgeordneten darüber
im klaren, dass für eine sinnvolle Behandlung nach Diagnosestellung durch
den Tierarzt anhand von erstellten Behandlungsplänen eine entsprechende
Medikation im landwirtschaftlichen Betrieb möglich bleiben muss (z. B.
wiederkehrende Neugeborenendurchfall bei Kälbern oder wiederkehrende,
bereit im Vorfeld diagnostizierte MMA-Erkrankung etc.). Diese Palette ließe
sich um einige Punkte erweitern.

Wiederholt wurde darauf hingewiesen, dass es keinen Grund gibt, die
Fachkompetenz der Tierärzteschaft anzuzweifeln, da durch Ausbildung und
erteilte Approbation sowie Erfahrung aus der Tätigkeit eines praktischen
Tierarztes in der Regel ein umfassendes Wissen vorhanden ist. Die
Abgeordneten stimmten hier voll zu.

Zur Problematik der Spezialisten im veterinärmedizinischen Bereich wurde
auf die Vielzahl von Fachtierarztanerkennungen hingewiesen und der
Unterschied klar gemacht, dass z. B. Kleintierbesitzer die Tiere in der
Regel zur Praxis des Tierarztes oder der Tierklinik, abhängig von der
Entfernung, transportieren und es auch im Bereich der Pferdepraxis üblich
ist, dass über weite Strecken Spezialisten mit dem Pferdetransporter
aufgesucht werden. Dabei musste klargestellt werden, dass das für
landwirtschaftlich Nutztiere in der Regel nicht möglich ist! In dem
Zusammenhang wurde auch die enge Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft
und Tierärzteschaft sowie die entsprechende Verankerung von Betreuungs-
verträgen als Grundprinzip einer guten tierärztlichen Praxis und
Betreuung für die der Lebensmittelproduktion hingewiesen.

Es kam zur Sprache, dass die biologisch dynamischen Systeme ein rasches,
angepasstes Vorgehen verlangen und nicht in Form einer Positivliste von
Verwaltungsbeamten erarbeitet und stark zeitverzögert aktualisiert und
reguliert werden können, dies mache keinen Sinn.

Auch der Vertreter des BfT zweifelte die Sinnhaftigkeit einer Positivliste
für die Medikamentenanwendung im Rahmen der 7-Tageregelung an und hielt
allenfalls evtl. die Möglichkeit einer Indikationsliste für praktikabel.

Ergänzend zu den bereits aufgeführten Aussagen zur 7-Tagefrist konnte klar
festgestellt werden und wurde auch von mir speziell argumentiert, dass das
Abzählen von 1-7 vielen auch ohne Hauptschulabschluss möglich ist und damit
die Sinnhaftigkeit dieser Gesetzesänderung in erster Linie in der
Erleichterung der Aufgaben der Überwachungsbehörde zu sehen ist. Außerdem
bestand Einigkeit darüber, dass der tierärztliche Sachverstand und der
Gesundheitszustand der Tiere entscheidend ist, um eine Therapie einzuleiten
sowie Therapieabläufe zu verfolgen und dass es keinen Grund gibt, den
tierärztlichen Sachverstand in Zweifel zu ziehen.

Aus meiner Sicht zeigte der Vertreter der Bundestierärztekammer nicht
vollen Informationsstand zum aktuellen Stand der Gesetzeslage und der
weitreichenden Konsequenzen, die sich aus der vorliegenden TAMNeuORG
(Bundesratsdrucksache 950/01) sowohl für Tierärzteschaft als auch
Landwirtschaft ergeben werden. Auch wurde der Widerruf der tierärztlichen
Hausapothekenerlaubnis kontrovers erörtert, da ein Tierarzt nach Widerruf
der Hausapothekengenehmigung weiterhin Medikamente verschreiben kann.
Dieses Rezept würde in der Apotheke eingelöst und die Medikamente kämen
ebenso in den Verkehr wie bei der direkten Abgabe, dazu noch ohne
Anwendungs- und Abgabebeleg! Dadurch ergibt sich in keinem Punkt eine
Verbesserung des Verbraucherschutzes.

· Ebenfalls angesprochen wurden die vor allem vom BPT geäußerten
verfassungsrechtlichen Bedenken und entsprechende Überprüfung wurde als
notwendig erachtet.

Vom Vertreter des Verbandes für Tiernahrung wurde auf die Problematik
Fütterungsarzneimittel, § 13- AMG-Betriebe, Spülchargen, Kontamination,
Restmengen von Arzneimitteln etc. hingewiesen und dieser sieht auf Dauer
außerdem durch die eintretende Zeitverzögerung bei der Belieferung
erkrankter Bestände und die Änderung im Umsatzsteuerrecht einen massiven
Rückgang der Nachfrage nach Fütterungsarzneimitteln. In diesem Zusammenhang
wird von dem Vertreter der Tiernahrungsmittelindustrie auch angezweifelt,
ob überhaupt genügend Mischfutterwerke bereit wären, die immensen
Investitionen auf sich zu nehmen. Die Diskussion hierüber kam vor allem
wegen Nachfrage mehrerer Abgeordneten bezüglich der Veränderungen im
Bereich der Hofmischungen zustande. Eine Nulltoleranz wird als unmöglich
angesehen.

Zum Schluss der Veranstaltung wurde sowohl von der SPD-Fraktion (Frau
Irmgard Schmid MdL) und der CDU-Fraktion (Herr Uhlenberg MdL) festgestellt,
dass es sich um einen unausgegorenen Gesetzentwurf handele, der weiter
beraten werden müsse, der wenig praxisgerecht sei und der aktuellen
Tiermedizin nicht entspreche, und dass somit ein zu schnell verabschiedeter
Gesetzentwurf des Bundesrats vorliegt. Sie halten eine Anhörung durch die
Fachausschüsse des Bundestages für erforderlich, damit Präzisierungen
vorgenommen werden. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass sich z. B.
Landwirte vor Eintreffen eines Tierarztes bei der Verabreichung von
Medikamenten in akuten Notfällen gesetzeswidrig verhalten müssten.

Die Abgeordneten stellten dabei fest, dass trotz der einstimmigen
Verabschiedung im Bundesrat keine Zufriedenheit mit der jetzigen Situation
bestehen könne und die Gedanken und Statements, die sich im Plenarsaal
ergeben haben, umgehend nach Berlin weiter gemeldet werden müssen, um den
dringenden Beratungs- und Handlungsbedarf sicher zu stellen. Außerdem war
von den Fraktionen der CDU, FDP und SPD zu erfahren, dass man im
persönlichen Gespräch sich für eine nachhaltige und deutliche Änderung
der bisher verabschiedeten Gesetzesentwürfe einsetzen will und muss.

Dr. Rainer Schneichel
 



 

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