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AHO Aktuell - 22.04.2002

Artgerechte Tierhaltung ist für Bauern ein Gesundheitsrisiko


(idw) - Werden Stallungen gut gelüftet und die Tiere ohne Stroh oder
Sägespäne auf dem Boden gehalten, ist die Luft allgemein besser als
bei "artgerechter" Haltung. Weil die aber politisch gewünscht ist, fordert
die Wuppertaler Arbeitsmedizinerin Dr. med. habil. Monika Rieger
besseren Arbeitsschutz für die Beschäftigten in der Landwirtschaft.

Für ihre Arbeiten zur Belastung und Beanspruchung von Beschäftigten in
der Land- und Forstwirtschaft durch biologische Arbeitsstoffe hat die
Wuppertaler Arbeitsmedizinerin Dr. med. Monika Rieger den mit 10 000
Euro dotierten E.W.Baader-Preis 2002 erhalten. Eines ihrer wichtigsten
Forschungsergebnisse: Die sogenannte artgerechte Haltung von Tieren im
Stall kann für die Bauern ohne Schutzmaßnahmen gesundheitsschädlich
sein. Der von der E.W. Baader-Stiftung jährlich ausgelobte Preis zur
Förderung der Arbeitsmedizin in der Bundesrepublik Deutschland ist die
höchste Auszeichnung, die von der Deutschen Gesellschaft für
Arbeitsmedizin und Umwelt-medizin vergeben wird. Die Betreuung hat der
Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft.

Die durch den direkten Umgang mit Tieren und Pflanzen gekennzeichnete
Arbeit von Landwirten hat mit Idylle auf dem Bauernhof in der Regel
nicht viel zu tun - im Gegenteil gibt es ein hohes Unfallrisiko und eine
Vielzahl gesundheitlicher Gefahren, wie sie von Dr. Monika Rieger
untersucht wurden. Für die gebürtige Freiburgerin und Tochter eines
Tierarztes lag der Schwerpunkt ihrer Untersuchungen im Bereich der
Infektionskrankheiten und der Belastungen durch Bakterien, Schimmelpilze
und ihre Abbauprodukte.

So hängt die Belastung der Stallluft mit Bakterien und Schimmelpilzen
nach den Mess-Ergebnissen von Dr. Rieger unmittelbar mit der
Stallgestaltung und den Haltungsbedingungen der Tiere zusammen: Werden
Stallungen gut gelüftet und die Tiere ohne Stroh oder Sägespäne auf dem
Boden gehalten, ist die Luft allgemein besser als bei "artgerechter"
Haltung. Weil die aber politisch und von vielen Verbrauchern und
Landwirten gewünscht und deshalb weitere Verbreitung finden wird,
fordert Dr. Rieger besseren Arbeitsschutz für die Beschäftigten. Sie
empfiehlt den Landwirten, möglichst wenig Zeit im Stall zu verbringen
und wegen der hohen Keimkonzentrationen in der Stallluft, die mit dem
Stroh oder anderen Einstreumaterialien zu tun haben, in jedem Fall eine
Staubmaske zu tragen, wenn sie die Tiere füttern, Kühe melken oder den
Stall ausmisten.

Die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V.
wurde 1962 gegründet. Ihr gehören heute ca. 1000 Arbeits- und
Umweltmediziner an. Professor Dr.med. Helmut Valentin, erster
Lehrstuhlinhaber im Fach Arbeitsmedizin in Deutschland bezeichnete die
von Dr. Rieger als Habilitationsschrift an der Uni Wuppertal
eingereichte Arbeit vor allem deshalb als preiswürdig, weil sich bislang
noch niemand in der deutschen Arbeitsmedizin wissenschaftlich so
eingehend und jahrelang mit den Problemen der Land- und Forstwirtschaft
beschäftigt habe.

Die Wissenschaftlerin, die in ihrer Heimatstadt Freiburg Medizin
studierte (Promotion mit "magna cum laude"), gehört seit 1998 der
Bergischen Universität an, wo sie im Fachbereich Sicherheitstechnik im
Lehr- und Forschungsgebiet für Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und
Infektionsschutz (Professor Dr. Dr.med. Friedrich Hofmann) tätig ist.

Dr. Ernst W. Baader war übrigens der erste Arzt, der an einer
arbeitsmedizinischen Institution in Deutschland arbeitete: 1925 wurde
Baader Leiter der ersten gewerbeärztlich-klinischen Abteilung
Deutschlands, der "Station für Gewerbekrankheiten" im
Kaiserin-Auguste-Viktoria-Krankenhaus in Berlin-Lichtenberg. Damit
verfügte Deutschland nach Italien (1910) und Russland (1923) als drittes
Land in der Welt über eine derartige Einrichtung. Unter der Leitung von
Dr. Baader entwickelte sich das Haus zu einem arbeitsmedizinischen
Zentrum von internationalem Rang. Heute befindet sich dort der
Fachbereich Arbeitsmedizin der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und
Arbeitsmedizin.

Für Dr.med. habil. Monika Rieger geht es jetzt erst einmal im
Schweinestall weiter: Der Baader-Preis und ein Stipendium der Lieselotte
und Dr. Karl-Otto Winkler-Stiftung für Arbeitsmedizin ermöglichen das
nächste Forschungsvorhaben, in dem es darum geht, die Luftbelastung in
Abhängigkeit von den Haltungsbedingungen zu untersuchen. Dr. Rieger:
"Schweinestall ist ja nicht gleich Schweinestall. Wir wollen
verschiedene Bodenformen, Lüftungssysteme, Fütterungssysteme und eben
den Faktor Einstreu untersuchen. NRW-Umweltministerin Höhn fordert ja
für neue Ställe generell die Verwendung von Stroh im Schweinestall - das
finde ich aus Arbeitsschutzsicht ziemlich kontraproduktiv." Der
Verbraucher solle eben den Eindruck haben, das Schweineschnitzel sei
glücklich gewesen, bevor es auf den Teller kam. Wie es dem arbeitenden
Menschen, in großen Ställen viele Osteuropäer, aber auch Inder,
Pakistani etc., gehe, daran denke der Esser nicht. Die Arbeitsmedizinerin:
"Es ist also auch ein politischer Themenkreis, in dem ich mich bewege."

Kontakt:
0202/439-2838, -2088, Fax -2068
e-mail rieger@uni-wuppertal.de

Informationsdienst Wissenschaft (idw) - Pressemitteilung
Universität Wuppertal, 22.04.2002
 



 

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