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AHO Aktuell - 19.04.2002

Allergien: Leben wir zu hygienisch?


Washington/Tübingen (aho) - Dank moderner Medizin konnten in Europa
Infektionskrankheiten weitgehend zurückgedrängt werden. Doch ein
anderes Übel macht sich breit: die Allergien sind auf dem Vormarsch.
Häufig werden für diese Allergien Lebensmittelzusatzstoffe, Rückstände
von Tierarzneimitteln in Lebensmitteln tierischer Herkunft oder
Umweltchemikalien verantwortlich gemacht.

Auffällig ist jedoch, dass es auf dem afrikanischen Kontinent, also
dort wo es sehr viele Infektionen, vor allem Parasiteninfektionen
wie Wurmbefall oder Malaria gibt, keine Allergien auftreten. Diese
Feststellung führte schon vor einigen Jahren zur Formulierung der
sogenannten "Hygienehypothese". Sie soll erklären, wie durch die
immunologische, infektionsverursachte Reaktion einer Infektion die
Allergie unterdrückt wird. Es überwiegt die entzündlich zelluläre
Immunantwort (T1) über die Antikörper Immunantwort (T2).

Professor Dr. Peter G. Kremsner vom Universitätsklinikums Tübingen
und Dr. Maria Yazdanbakhsh vom Universitätsklinikum Leiden führten
aufgrund dieser Fragestellung im Albert Schweitzer Hospital in
Lambarene, Gabun, eigene Studien zu Wurmbefall und Malaria durch.
Sie stellten fest, dass die Mechanismen der Allergieunterdrückung
durch Infektionen vor allem antientzündlicher und antiallergischer
Art sind. Dabei kommt der Produktion von des Botenstoffes
"Interleukin-10" eine Schlüsselrolle zu. Dieser Botenstoff wird
insbesondere bei Wurminfektionen produziert. Bei Menschen in
industrialisierten Ländern, die Infektionen seit Generationen durch
(übertriebene?) Hygiene und Impfungen vorbeugten oder sie mit
Antibiotika bekämpften, sei die Produktion dieses Hormons aber häufig
gestört, sagte Kremsner der Nachrichtenagentur "dpa". Bei ihnen werde
Interleukin-10 entweder gar nicht oder nur unzureichend produziert.
Das sei der Grund, weshalb ihre Körper gegen manche Stoffe mit
allergischen Schüben wie Hautekzemen, Heuschnupfen und Asthma reagierten.
"Wir zahlen einen Preis für die Zivilisation", sagte der Mediziner der
"dpa".

Die Wissenschaftler betonen, dass die ständige Herausforderung durch
Erreger unabdingbar für die Entwicklung eines ausgewogenen Abwehrsystems
im Körper sei. Jetzt müsse überlegt werden, wie die T-Zellen des
Immunsystems zur Vorbeugung und Behandlung von Allergien stimuliert
werden könnten, ohne auf die Impfungen gegen lebensbedrohliche
Krankheiten im Kindesalter zu verzichten.

Am 19. April 2002 erscheint in der renommierten Wissenschaftszeitschrift
Science eine Veröffentlichung der Forschergruppen um Professor Dr. Peter
G. Kremsner, Leiter der Sektion Humanparasitologie des Universitäts-
klinikums Tübingen und Dr. Maria Yazdanbakhsh vom Universitätsklinikum
Leiden zum Zusammenhang von Allergien und Parasiteninfektionen.

Der Titel der Originalpublikation lautet:

Allergy, parasites and the hygiene hypothesis
Science Bd. 296, S. 490
 



 

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