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AHO Aktuell - 21.02.2002

Keulung von Tieren: Ein Trauma, das bleibt


(aid) - Tierseuchen in der Landwirtschaft stellen nicht nur rein betrieblich
eine große Belastung dar, sondern bedeuten auch persönlich für die
Landwirtsfamilien eine schwere Zeit. Welche psychosozialen Folgen Tierseuchen
auslösen können, wurde in einer Doktorarbeit an der Georg-August-Universität
(Abteilung Land- und Agrarsoziologie) in Göttingen exemplarisch an den in den
90er Jahren von der Schweinepest betroffenen Landwirtsfamilien in Nordwest-
deutschland untersucht. In der Studie wurden die Familienmitglieder nach ihren
Empfindungen bei der konkreten Situation der Keulung gefragt. Hier zeigte sich,
dass die diffusen Ängste vor der Keulung, die Absurdität und Sinnlosigkeit
ihres Akutwerdens sowie die Entsetzlichkeit ihrer Durchführung die Keulung für
die Betroffenen zu einem Trauma gemacht hat. Ebenso dramatisch empfanden die
Betroffenen die Zeit nach der Keulung - die "Zeit des leeren Stalls". Neben dem
Verlust der Tiere mussten sie zudem mit den veränderten Arbeits- und Lebens-
inhalten fertig werden. Dies führte bei den Betroffenen zu einer wirtschaft-
lichen, sozialen und individuellen Existenzbedrohung. Als weitere Phase der
Betroffenheit wird das andauernde Pestgeschehen beschrieben. Die Landwirte
und Landwirtinnen empfanden auch diese Situation als verhängnisvoll: Erstens
durch die andauernde Angst vor den Folgen der Schweinepest, zweitens durch
die ständig neue Konfrontation mit Massentiertötungen und seuchenrechtlichen
Restriktionen und drittens durch die fehlenden Rückzugsmöglichkeiten
Betroffener, da das Thema in Medien und Öffentlichkeit stark im Blickpunkt war.
Die Befragung von Betroffenen zeigte, dass die Bauern und Bäuerinnen im Moment
der Krise vor allem Familienmitglieder, Verwandte und Freunde um Hilfe baten.
Selten wandten sie sich hingegen an Ärzte und Psychologen. Einen Halt fanden
viele in Kirche und Religion, konfessionelle Denkmuster erschwerten jedoch
auch manchmal die Bewältigung der Krise. Albträume, bleibende Ängste,
Schlaflosigkeit, Depressionen und sogar Selbstmordgedanken sind die psychischen
Begleiterscheinungen des Traumas, das die Betroffenen der Tierseuche davon-
getragen haben. Die Ergebnisse der Arbeit weisen darauf hin, dass nicht nur
in der Agrarpolitik, sondern auch in der kirchlichen bzw. ländlichen Fach- und
Familienberatung ein besonderes Augenmerk auf die Seuchenbetroffenheit von
Landwirtsfamilien gelegt werden muss. Die Ergebnisse lassen sich sicherlich
auch auf die im vorigen Jahr durch BSE oder Maul- und Klauenseuche betroffenen
Landwirtsfamilien übertragen.

aid, Dr. Marion Morgner
Ausgabe Nr. 08/02 vom 21.02.2002
 



 

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