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AHO Aktuell - 12.01.2002

David Byrne: verstärkte Lebensmittelkontrollen notwendig


Die Europäische Union misst der Lebensmittelsicherheit grösste Bedeutung
bei. In den nächsten Monaten wird die neue Europäische Behörde für Lebens-
mittelsicherheit ihre Arbeit aufnehmen. Weitere Herausforderungen liegen
darin, sicherzustellen, dass die strenge EU-Gesetzgebung im Bereich der
Lebensmittelsicherheit auch von den Beitrittsländern übernommen und umgesetzt
wird und die Kontrollsysteme der EU verstärkt werden. Dies betonte David Byrne,
als Mitglied der Europäischen Kommission für Gesundheit und Verbraucherschutz
zuständig, in seiner Eröffnungsrede des neunten Ost-West Landwirtschaftsforums
auf der Grünen Woche in Berlin. Es gehört zu den Grundsätzen der Arbeit der
Kommission, die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher in allen
Politikbereichen zu berücksichtigen. David Byrne gratulierte Renate Künast zu
ihrem ersten Jahr im Ministeramt und wünschte ihr weiterhin viel Erfolg.

Erweiterung


David Byrne sagte in seiner Eröffnungsrede, dass die Erweiterung für die
Kommission oberste politische Priorität habe. Trotz des Umfangs des Vorhabens
werden enorme Fortschritte erzielt. "Aus meiner Sicht sind große Fortschritte
bei der Tier- und Pflanzengesundheit zu vermelden, die in meine Zuständigkeit
im Landwirtschaftsbereich fallen."
Die Kommission hat kürzlich ihre sogenannte endgültige Stellungnahme für ein
Beitrittsland, nämlich Slowenien, vorgelegt. Dies bedeutet, dass sie mit der
Übernahme und Umsetzung der EU-Gesetzgebung in Slowenien zufrieden ist. " Dies
sendet ein positives Signal und zeigt, dass Verhandlungen erfolgreich abge-
schlossen werden können, wenn guter Wille und Konsens vorhanden sind", sagte
Byrne und fügte hinzu: "Was jedoch andere Beitrittskandidaten angeht, möchte
ich ganz offen sagen: Wenn wesentliche Informationen nicht in den nächsten
Wochen übermittelt werden, kann sich der Abschluss des Kapitels verzögern. Die
Zeitplanung liegt weitgehend in der Hand der Beitrittsländer."
Bei den Verhandlungen geht es der EU darum, sicherstellen, dass die Lebens-
mittelsicherheitsstandards der Gemeinschaft gewahrt bleiben und die Gesundheit
der jetzigen sowie der zukünftigen Bürgerinnen und Bürger geschützt ist. Die
Kommission gibt im Auftrag der Mitgliedstaaten große Summen dafür aus, die
Beitrittsländer bei der Verbesserung ihrer Einrichtungen zu unterstützen. Die
EU hat für diese Zwecke etwa drei Milliarden € im Rahmen des Programms SAPARD
vorgesehen.

Byrne sagte in diesem Zusammenhang: "Obwohl so hervorragend an der Verbesserung
der Einrichtungen gearbeitet wird, werden viele nicht rechtzeitig bereit sein.
In diesen Fällen werden die Beitrittsländer um mehr Zeit für die Verbesserungen
bitten - man spricht hier gemeinhin von Übergangsfristen. Dennoch müssen wir
sicherstellen, dass die Sicherheit unserer Bürger in möglichst großem Umfang
gewährleistet ist. Ich versichere Ihnen, dass Übergangsregelungen entsprechend
dem Grundsatz gestaltet werden, dass die Erzeugnisse der betreffenden Ein-
richtungen nur in dem jeweiligen Beitrittsland auf den Markt gebracht werden
dürfen."

Die Kommission wird auch weiterhin sehr genau die Entwicklungen bei den
Beitrittskandidaten überwachen. Bis zu einem Viertel der Mittel des
europäischen Lebensmittel- und Veterinäramts sind für Inspektionen in den
Beitrittsländern veranschlagt. Das Hauptziel der Kontrollbesuche besteht
darin, die Umsetzung der EU-Regeln, des sogenannten gemeinschaftlichen
Besitzstandes, vor Ort zu überprüfen. Außerdem sollen die Beitrittsländer bei
der Anpassung ihrer Systeme an die geforderten Gemeinschaftsnormen unterstützt
werden.

Amtliche Kontrollen: Byrne schlägt Aufteilung von Kompetenzen vor

David Byrne nutzte seinen Besuch der Grünen Woche um seine bevorstehenden
Vorschläge zur Stärkung und Vereinfachung der Umsetzung von Lebensmittel-
kontrollen in der Europäischen Union vorzustellen und zu erläutern. "Schon
lange bin ich der Meinung, dass das System der Gemeinschaft zur Durchführung
der amtlichen Kontrollen den Anforderungen im 21. Jahrhundert bei weitem nicht
mehr gerecht wird. Sie sind zusammenhangloses Flickwerk. Und sie zeigen nicht
mit der nötigen Deutlichkeit auf, wo die jeweiligen Kompetenzen der Mitglied-
staaten einerseits und der Kommission andererseits liegen." Byrne wird deshalb
in näherer Zukunft eine umfangreiche Reform des in der EU geltenden Systems
amtlicher Kontrollen vorschlagen. Diese Vorschläge werden vor allem zwei Ziele
anstreben:
Schaffung klarer gemeinschaftlicher Rahmenbedingungen in Bezug auf die
Kontrollsysteme, und zwar dergestalt, dass die jeweiligen Kompetenzen der
Mitgliedstaaten und der Kommission genau festgelegt sind; Schaffung eines
harmonisierten, koordinierten, effizienten Kontrollsystems für Einfuhren von
Lebens- und Futtermitteln.

"Die Verantwortung liegt in erster Linie natürlich bei denen, die Lebensmittel
verarbeiten. Diese Verantwortung ist inzwischen in unserem neuen Allgemeinen
Lebensmittelrecht gesetzlich verankert. Nach meiner Überzeugung müssten aber
die Mitgliedstaaten eine weitaus aktivere und wirksamere Rolle beim Überwachen
der praktischen Durchführung der Lebensmittelrechtsvorschriften spielen", so
Byrne. "Genau deshalb möchte ich eine harmonisierte, EU-weite Vorgehensweise
vorschlagen zum Entwickeln und Voranbringen nationaler Kontrollsysteme. Dies
sieht u. a. die Festlegung operationeller Kriterien für die nationalen
Kontrollbehörden vor, Qualifikationsprofile- und Ausbildungsanforderungen für
die Bediensteten dieser Behörden und die Anwendung von Kontrollverfahren, die
durch Nachweise abgesichert sind." In diesem Zusammenhang wäre es Aufgabe der
Mitgliedstaaten, nationale Kontrollprogramme zu erstellen. Die Rolle der
Kommission würde klarer definiert. Sie sollte die nationalen Behörden bei der
Erstellung ihrer nationalen Kontrollprogramme unterstützen, deren Programme
regelmäßig einem allgemeinen Audit unterziehen und, je nach Notwendigkeit,
Inspektionen in spezifischen Bereichen bzw. an speziellen Kontrollpunkten
durchführen.

Byrne ist überzeugt: "Eine derartige deutliche Abgrenzung der Kompetenzen
zwischen Kommission einerseits und nationalen Behörden andererseits würde
dazu beitragen, dass System rationeller und effektiver zu machen. Diese Art
des Vorgehens lehnt sich an bestehende vorbildliche Praktiken oder 'best
practices' an. Aus makro-ökonomischer Sicht betrachtet, beinhaltet es genau
das, was die Mitgliedstaaten in Sachen EU-Vertragsreform fordern: eine
deutlichere Abgrenzung der jeweiligen Kompetenzen."

Eine Struktur der "Drei Pfeiler"

Dieser neue Ansatz, der den Mitgliedstaaten - ganz im Sinne des Subsidiari-
tätsprinzips - deutlich mehr Verantwortung und Autonomie überträgt, muss mit
einem wirksamen Bündel von Sanktionensmöglichkeiten einhergehen, sowohl auf
nationaler als auch auf europäischer Ebene. "Ich bin überzeugt, dass die
Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa mit einem Kontrollsystem wenig
zufrieden wären, das Verstösse unbestraft lassen würde. Ich denke, wir müssen
selbst strafrechtliche Schritte als Möglichkeit in Erwägung ziehen, als
Ergänzung zu behördlichen Rechtsmitteln. Auf Gemeinschaftsebene müssen wir
gleichfalls wirksamere Mittel als die sogenannten Vertragsverletzungsverfahren
ins Auge fassen. Ich könnte mir das Einfrieren oder gar Aussetzen von
Gemeinschaftszahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik oder unter dem
Veterinärfond als Möglichkeit vorstellen", sagte Byrne.
Die Entwicklung eines neuen Ansatzes in Sachen amtlicher Kontrollen fügt der
Gemeinschaftspolitik zur Lebensmittelsicherheit einen "dritten Pfeiler" hinzu.
Der erste Pfeiler umfasst ein effizientes Instrumentarium an Rechtsvor-
schriften zur Lebensmittelsicherheit. Zweiter Pfeiler wird die Europäische
Behörde für Lebensmittelsicherheit, die in diesem Jahr ihre Arbeit aufnimmt
und deren Aufgabe darin bestehen wird, Gefahren zu identifizieren und die
Öffentlichkeit zu unterrichten. "Erst wenn alle drei Pfeiler stehen, können
wir vernünftigerweise sicher sein, dass unsere Versorgung mit Lebensmitteln
über die gesamte Lebensmittelkette - vom Bauernhof bis auf den Esstisch -
sicher ist", stellte Byrne abschliessend fest.

IP/02/52
Berlin/Brüssel, den 12. Januar 2002
 



 

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