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AHO Aktuell - 11.01.2002

Was ist ein zukunftsfähiger landwirtschaftlicher Betrieb?


(DLG) -`Es gibt drei Typen von Unternehmen: solche, die dafür sorgen, dass
Dinge passieren; solche, die zuschauen, wie die Dinge passieren und solche,
die sich wundern, welche Dinge passiert sind. Zukunftsfähig, das heißt
gesellschafts-, umwelt- und wirtschaftsverträglich, sind selbstverständlich
nur Unternehmen, die zur ersten Gruppe gehören.` Dies erklärte Prof. Dr.
Dr. h.c. Friedrich Kuhlmann vom Institut für landwirtschaftliche Betriebs-
lehre der Justus-Liebig-Universität Gießen anlässlich der DLG-Wintertagung
am 10. Januar 2002 in Berlin.

Nach Professor Kuhlmann müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein, um
in die erste Gruppe zu gelangen bzw. in ihr drin zu bleiben. Für ihn ist
eine zentrale Voraussetzung, dass die Unternehmer ihre Märkte und die
Politik kontinuierlich und systematisch beobachten, dass sie feststellen,
was die Leute wollen bzw. nicht wollen und was die Politik von ihnen
erwartet bzw. nicht erwartet.

Landwirte verhalten sich seit langem kundenorientiert

Immer wieder und insbesondere auch von der neuen Agrarwendepolitik werde
beklagt, dass sich die Landwirtschaft nicht kundenorientiert verhalte und
an den tatsächlichen Verbraucherwünschen vorbeiproduziere. Tatsächlich
würden sich aber die Landwirte seit langem durchaus kundenorientiert
verhalten. `Wenn der Staat, wie es im Agrarbereich für zahlreiche
Produktgruppen seit langem geschieht, mit Preis- und Abnahmegarantien
sowie hohen Subventionen arbeitet, dann muss er sich nicht wundern, dass
die Landwirte ihn und nicht die Verbraucher als ihren eigentlichen Kunden
betrachten. Sie produzieren, um in den Genuss der Preis- und Absatz-
garantien sowie der Subventionen zu gelangen,` betonte der Gießener
Agrarökonom.

Das eigentliche Problem besteht für Professor Kuhlmann darin, dass in der
Agrarwirtschaft die Leistungsempfänger und die Zahler unterschiedliche
Personen bzw. Institutionen sind. `Der Staat ist zum Großteil der Zahler,
aber nicht der Leistungsempfänger.` Die landwirtschaftlichen Unternehmer
würden sich selbstverständlich an den Wünschen des Zahlers ausrichten,
weil sie ihre Einkommen vornehmlich dadurch gesichert sehen. Sie verhalten
sich, so Professor Kuhlmann, mithin durchaus kundenorientiert. `Eine
Kundenorientierung in Verbindung mit Verbraucherorientierung lässt sich
nur dann erreichen, wenn Leistungsempfänger und Zahler identisch sind.
Die Landwirte werden sich an den Zahlern, die gleichzeitig die Leistungs-
empfänger sind, ausrichten und damit nicht nur kunden-, sondern auch
verbraucherorientiert agieren,` hob der Agrarwissenschaftler hervor.

Der Staat macht wieder die altbekannten Fehler

`Wenn nun der Staat den ökologischen Landbau durch massive Interventionen
und Subventionen in besonderer Weise bevorzugt, dann macht er wieder die
altbekannten Fehler,` sagte Professor Kuhlmann. Er unterstelle erstens,
dass er klüger sei als die Verbraucher und die Verbraucherinteressen besser
wahrnehmen könne als die Verbraucher selber und er bewirke zweitens, dass
auch die ökologisch wirtschaftenden Landwirte sich wieder am Staat als
dem Kunden und Zahler ausrichteten. `Vielleicht sollte die Politik endlich
einsehen, dass die Unternehmer und die Verbraucher selbst am besten
beurteilen können, wie sie Angebot und Nachfrage in Übereinstimmung
bringen. Fehlentwicklungen der Produktion wurden durch die Politik
initiiert und sollten im nachhinein nicht noch von ihr beklagt werden.
Wenn es der ernsthafte Wunsch aller Beteiligten ist, verbraucherorientiert
zu arbeiten, dann sollte der Staat Markteingriffe und Subventionen
sukzessive abbauen, die Bevormundung einstellen und sich auf seine
grundsätzliche, ordnungspolitische Fürsorgepflicht besinnen,` so
Professor Kuhlmann.

Der Gießener Agrarökonom ist sich sicher, dass zukunftsfähige Betriebe,
die gesellschafts-, umwelt- und auch wirtschaftsverträglich sind, von
der Politik nur auf diese Weise geschaffen werden könnten. Darüber
hinaus sollte die Politik berücksichtigen, dass es in den Ökosystemen,
das heißt in den ökologischen und ökonomischen Systemen, in denen die
Nahrungsmittelerzeuger wirtschaften, kein Alles oder Nichts, kein Gut
oder Schlecht und kein Sicher oder Unsicher gebe. `Jedes Mehr von
einem führt zu einem Weniger von anderem. Für diesbezügliche Abwägungen
kann man der Politik nur Augenmaß wünschen.`

Augenmaß sei gegenwärtig aber auch in besonderer Weise von den
Unternehmern gefordert. Ihnen rät Professor Kuhlmann:

· Erwarten Sie auf Dauer keine Geschenke von der Politik. Verlassen Sie
sich vor allem auf sich selbst.

· Lassen Sie sich nicht täuschen: Unabhängig davon, ob Sie konventionell
oder unkonventionell wirtschaften, `Wachsen oder Weichen` wird leider
noch für die überschaubare Zukunft der Imparativ in der Landwirtschaft
bleiben.

· Wappnen Sie sich dafür, indem Sie Ihre Produktionsbereiche weiter
durchrationalisieren und gleichzeitig sowohl die Herstellungs- als auch
die Produktqualitäten verbessern.

· Halten Sie die Gesetze ein und nutzen Sie jede Chance zur
Stückkostensenkung.

· Auch wenn - wie es so schön heißt - im Kontor kein Weizen wächst,
nutzen Sie formalisierte Qualitäts-Management- und Controlling-Systeme
zur Unterstützung, Überwachung und systematischen Dokumentation
betrieblicher Entscheidungen.

· Nutzen Sie jede seriöse Chance für die mehrbetriebliche, horizontale
und vertikale Zusammenarbeit, um den jeweiligen Stand der Technik,
spezialisiertes Wissen und Können sowie Marktchancen rasch und voll
zu ergreifen. Gleichzeitig setzen Sie dadurch knappes und teures
Kapital für Investitionen so effektiv wie möglich ein.

· Träumereien von der heilen Welt selbst genügsamer Bauernhöfe sollten
Sie den Politikern überlassen. Sie werden sie sich jedenfalls nicht
leisten können und womöglich auch nicht wollen.
 



 

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