Aktuelle Meldungen  -  Nachrichten suchen  -  kostenloses Abo  -   Nachricht weiterempfehlen

 

AHO Aktuell - 09.01.2002

Extreme Lebensumstände für Fische im Kanal


(idw) - Anspruchslose Fischarten wie Flussbarsch und Plötze sind im
Oder-Havel-Kanal relativ häufig. Dagegen müssen Hechte, Schleien und
Karpfen, auf die sich Angler freuen, jedes Jahr neu eingesetzt werden.
Der Grund: Sie finden im Oder-Havel-Kanal nur schlechte Bedingungen,
sich fortzupflanzen oder einzuwandern. Doch ohne die Schifffahrt zu
beeinträchtigen, könnten für die Fische bessere Laichplätze und
Lebensbedingungen geschaffen werden. Am Institut für Gewässerökologie
und Binnenfischerei (IGB) in Berlin wurde eine Studie erarbeitet, aus
der sich Managementempfehlungen für die Fischerei und den weiteren
Ausbau von Wasserstraßen ableiten lassen.

Mit seiner wissenschaftlichen Arbeit betritt Diplom-Agraringenieur
Robert Arlinghaus fischökologisches Neuland. Er hat am Beispiel des
Oder-Havel-Kanals untersucht, welche Fischarten in einem künstlichen
Gewässersystem leben, wo sie gute Fortpflanzungsbedingungen finden und
in welchen Bereichen des Kanals Jungfische eine Chance haben
aufzuwachsen.

Der Oder-Havel-Kanal liegt schnurgerade in der Landschaft. Große
Steinblöcke begrenzen die Ufer. Für Fische sind Kanäle extreme
Lebensräume: "leergefegt", wenig Wasserpflanzen, kaum Fischunterstände.
Zusätzlich wirkt sich schifffahrtsbedingter Wellenschlag negativ auf die
Fische aus. Über 7700 Kilometer Bundeswasserstraßen als künstliche
Kanäle und regulierte Flüsse durchziehen die Bundesrepublik.
"Natürliche" Fließgewässer werden zunehmend weiter zu Wasserstraßen
ausgebaut. Für Fische wird der Lebensraum enger.

Im Extremlebensraum Oder-Havel-Kanal schwimmen trotzdem immerhin 20
Fischarten. Etwa die Hälfte steht auf Roten Listen. Sie sind in ihrem
Bestand gefährdet oder vom Aussterben bedroht, wie Döbel, Rapfen und
Moderlieschen. Besonders weit verbreitet sind Fischarten mit geringen
Ansprüchen an ihre Laichplätze, wie Flussbarsch und Plötze. Dagegen
müssen Hechte, Schleien oder Karpfen, die fischereiwirtschaftlich und
für Angler interessant sind, zusätzlich eingesetzt werden. In den
künstlichen Wasserstraßen vermehren sie sich kaum von allein. Das Ziel
sollte es aber sein, möglichst auf den Fischbesatz zu verzichten. In
einem Schifffahrtskanal fehlen für die meisten Jungfische geeignete
Lebensräume. Das Gewässer windet sich nicht in Schlaufen und bremst die
Fließgeschwindigkeit des Wassers in Ufernähe nicht. Flachwasserbereiche
fehlen, selten wachsen Schilf und Unterwasserpflanzen, die den
Jungfischen Unterstände und Schatten bieten könnten. Döbel oder
Gründling bevorzugen Kies und Sand, um ihren Laich abzulegen. Im
ausgebauten und befestigten Kanal bleiben ihnen nur die großen
Blocksteine. Nach dem Schlüpfen halten sich die Fischlarven bis zu ihrem
Jungstadium in der Regel in Randbereichen eines Gewässers auf, wo die
Strömung weniger stark ist und sie Nahrung und Schutz vor Räubern
finden. In einem Kanal dagegen, der lang und gerade gebaut ist, sind
solche schwachströmenden Zonen selten. Wenn die Wellen der Frachtschiffe
an den großen Steinblöcken "anschwappen", ziehen sie die Jungfische vom
Ufer mit sich fort.

Handlungsempfehlungen

Robert Arlinghaus hat Handlungsempfehlungen erarbeitet, wie der
Fischbestand erhöht und die Fischgemeinschaft vielfältiger werden kann.
Seine Vorschläge schränken die Schifffahrt nicht ein. Der
Wissenschaftler hat festgestellt, dass die Fische etwas bessere
Lebensumstände in Ausbuchtungen von Kanälen finden, die dafür gebaut
sind, dass die Schiffe wenden können. Hier ist die Strömung, nachdem ein
Schiff durchgefahren ist, geringer. Außerdem wachsen mehr Wasserpflanzen
zwischen den Blocksteinen und im Schlamm. Im Mai und Juni, wenn die
meisten Fischlarven schlüpfen, hat Robert Arlinghaus in den Buchten
viele Fische finden können. In den geraden Bereichen des Kanals dagegen
fast keine. Eine Empfehlung lautet daher, zusätzlich kleine Buchten in
Kanäle einzubauen. Die Kanäle könnten auch zu naheliegenden Baggerseen,
Gräben oder Altarmen geöffnet werden. Die Fische könnten sich dort
fortpflanzen und die Jungfische später in den Kanal zurückschwimmen.
Nicht zuletzt würden die auf Kies laichenden Fischarten davon
profitieren, wenn der Mensch in die Blocksteinschüttungen mosaikartig
Kies und kleine Steine einbrächte.

Die Ergebnisse der Arbeit sind insbesondere vor dem Hintergrund der
neuen Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union vom 22. Dezember
2000 zu bewerten. Die Richtlinie verlangt, dass auch für Kanäle und
städtische Gewässer der bestmögliche ökologische Zustand zu definieren
und zu erhalten ist.

Robert Arlinghaus hat für seine Diplomarbeit bereits mehrere Preise
erhalten: Den
Förderpreis 2001 vom Verband deutscher Fischereiverwaltungsbeamten und
Fischereiwissenschaftler e.V., den Förderpreis 2001 vom Ministerium für
Landwirtschaft, Umwelt und Raumordnung Brandenburg und zuletzt den
Humboldt-Preis 2001 der Humboldt Universität zu Berlin.

Kontakt: Tel.: 030 64181-653; Fax. 030 64181-750; e-mail:
arlinghaus@igb-berlin.de

Informationsdienst Wissenschaft (idw) - Pressemitteilung
Forschungsverbund Berlin e.V., 08.01.2002
 



 

  zum Seitenbeginn


© Copyright

AHO Aktuell ist ein Service von ANIMAL-HEALTH-ONLINE und @grar.de