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AHO Aktuell - 22.12.2001

Zum Fest: Magere Indizien gegen fette Speisen


von Brigitte Neumann, Pfefferkorn

"Fit ohne Fett". Für die meisten ist die Aussage längst zu einer Binsenweisheit
geworden, viele mühen sich tagtäglich, möglichst wenig von diesem Nährstoff zu
essen. Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Tumorbildungen werden einem
erhöhten Fett-Konsum angelastet.

Längst lässt der Verzicht auf Fett den Dollar rollen. In den USA stehen über
15.000 fettarm deklarierte Produkte im Angebot der Lebensmittelläden;
Milliarden von Dollar fließen jährlich in Werbekampagnen, um die Bevölkerung
vom Nutzen der fettarmen Nahrungsmittel für Gesundheit, Schönheit und
Schlankheit zu überzeugen. Auch bei uns hat der Trend zum fettarmen Produkt
die Warenregale erobert.

Wer dennoch zuschlägt bei Sahne und Co, isst oft mit schlechtem Gewissen.
Denn er "versündige" sich an seiner Gesundheit, verkünden unisono viele
Ernährungsexperten. Sie berufen sich auf die Wissenschaft, nach der der
Zusammenhang zwischen der Höhe des Fettverzehrs und der Entstehung der so
genannten Zivilisationskrankheiten gesichert sein soll. Die tatsächliche
Entwicklung hingegen zeigt: Obwohl in den vergangenen drei Jahrzehnten die
reale Fettaufnahme gesunken ist, nahm im gleichen Zeitraum die Zahl der
Todesfälle an Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht ab und die Zahl der
Übergewichtigen deutlich zu.

Der regelrecht Kampf gegen das Fett begann mit der "Fresswelle" der
Nachkriegsjahre. Parallel zu Kartoffelsalat, Würstchen und Schwarzwälder
Kirschtorte nahmen die so genannten Zivilisationskrankheiten zu. Was lag
näher, als der "falschen" Ernährung die Schuld in die Schuhe zu schieben?

Schlechtes Gewissen - gut geschmiert

Es schlug die Stunde der Ernährung als Wissenschaft. Gemessen, gewogen und
zu schwer befunden wurden all jene, die sich das Essen schmecken ließen und
das Ergebnis im Gewicht widergespiegelt bekamen. In den Bereich der "Sünde"
verbannte man tatsächlich alles Essbare, das fett war. Der amerikanische
Forscher David Kritchevsky veröffentlichte 1958 das erste Buch über
Cholesterin mit den einleitenden Worten "Wir fürchten weder Gott noch die
Kommunisten. Wir fürchten das Fett". Gegen das Fett kämpften Gesundheits-
politiker, Journalisten, Ärzte - und große Teile der Bevölkerung. Ebenso
plötzlich wie sie begannen, endeten die Zeiten unbefangenen Schlemmens.
Wenn schon genießen, dann wenigstens mit schlechtem Gewissen.

Gesundheitspolitiker profilierten sich fortan durch das Aufstellen von
Regeln zur gesunden Ernährung. Energiearm, vor allem fettarm sollte sie
sein. Die Wirksamkeit zu testen blieb keine Zeit, denn schließlich musste
ja schnell gehandelt werden. Menschen essen nun mal in der Regel mehrmals
täglich. Also setzte man lieber auf Überzeugungskraft statt auf Wissenschaft.

Doch über einen 11-jährigen Zeitraum gelang es einer US-amerikanischen
Forschungsgruppe nicht, den gesundheitsfördernden Effekt von fettarmer
Ernährung zu belegen. Nachdem vier Projektleiter nacheinander ihr Amt
niedergelegt hatten, gestanden die Experten der Gesundheitsbehörde ein,
dass die Aussagen von gestern heute keine Gültigkeit mehr hätten.

Volltreffer ins Fettnäpfchen

Ob ein Verzicht auf Butter und Sahne oder der Ersatz tierischer Fette durch
pflanzliche Öle doch vor koronaren Herzerkrankungen schützt, wollten Forscher
der Universität Manchester wissen. Sie werteten nahezu 17.000 Studien der
letzten 35 Jahre zum Einfluss des Fettverzehrs auf die Gesundheit aus. Gerade
einmal 27 Untersuchungen hielten den Auswahlkriterien der Wissenschaftler
stand. Sie kamen insgesamt zu dem Ergebnis, dass trotz jahrzehntelanger
Bemühungen und Tausender ausgewählter Versuchspersonen bis heute kein
negativer Einfluss des Verzehrs von cholesterinreichen Fetten wie Butter,
Eigelb oder Sahne auf die Entstehung von koronaren Herzerkrankungen
nachgewiesen werden kann.

Die Wissenschaftler der Universität von Hawaii setzen noch eins drauf: Über
einen zwanzigjährigen Zeitraum beobachteten sie den Verlauf der Sterberaten
in Abhängigkeit zur Höhe des Cholesterinspiegels bei Senioren. Und siehe da:
diejenigen mit einem höheren Cholesterinspiegel hatten die höhere
Lebenserwartung.

Aber bitte mit Sahne?

Vorbei also die Zeiten, in denen bei jedem Messerstich Butter auch das
schlechte Gewissen zuschlägt? Fette in der Ernährung gar zur Steigerung der
Lebenserwartung? In erster Linie geht es doch eigentlich gar nicht um die
Frage, wie viel Butter, Sahne und Öl gegessen werden darf. Wenn nun die
Wissenschaft endlich gezeigt hat, dass der Verzicht auf Fett nicht gesünder
erhält, ist das doch längst eine Binsenweisheit für jene, die auch vorher
schon überzeugt waren, das Gesundheit und Krankheit mehr sind als Essen und
Trinken.

Natürlich liefert Fett konzentrierte Energie - und wer davon zu viel aufnimmt,
kann Probleme mit dem Gewicht bekommen. Gleichzeitig sättigen fettere Speisen
länger, liefern wertvolle fettlösliche Vitamine und erleichtern deren Aufnahme
über den Darm. Die Ergebnisse der Fettforschung offenbaren jedoch etwas ganz
anderes: Die Untersuchung eines einzelnen Nährstoffes bringt nur sehr
unzulängliche Erkenntnisse über dessen Wirkung auf unseren Organismus. Denn
wir ernähren uns nun mal nicht von Fett pur. Wir essen die Leberwurst mit Brot
und den Sahnehering zu Kartoffeln.. Entscheidender als auf das Gramm Fett zu
schauen ist es deshalb, abwechslungsreich zu essen und zu genießen - und
aufzuhören, wenn man satt ist.

Mit freundlicher Unterstützung von

Pfefferkorn: Wissen und Unterhaltung rund um die Ernährung
 



 

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