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AHO Aktuell - 23.11.2001

Honigbienen: Biologin entwickelt Bekämpfungsstrategie gegen Milbenplage


(idw) - Honig - wer isst ihn nicht gerne, den gesündesten und natürlichsten
Süßstoff? Doch trotz der Liebe zu dem süßen Erzeugnis ist nur wenigen
bewusst, wie ökologisch bedeutsam sein Produzent, die Honigbiene, ist.
Wird die Biene von Parasiten befallen, hat dies zum Teil dramatische
Auswirkungen zur Folge. So etwa bei der sogenannten "Varroatose", einer
Parasitose der erwachsenen Bienen, Larven und Puppen, die durch die
Milbe Varroa destructor (zuvor jacobsoni) verursacht wird. Sie stellt
zur Zeit weltweit das schwerwiegendste Problem der Bienenzucht und
-haltung dar: Die wirtschaftlichen Schäden an den Bienenvölkern, die
durch die Varroatose verursacht werden, übersteigen die aller anderen
Bienenkrankheiten zusammen - ganz abgesehen von den finanziellen
Einbußen, die durch mangelnde Bestäubung der Nutzpflanzen entstehen.
Wirklich schwerwiegende Konsequenzen hätte der Ausfall der Honigbiene
als Bestäuberin von ca. 80% der Nutz- und Wildpflanzen: Verschiebungen
im Ökologischen Gleichgewicht würden nicht nur zu einer Verarmung der
Flora, sondern auch der Fauna führen. Letztlich wäre unsere Umwelt
starken Veränderungen unterworfen. Um diesen katastrophalen Folgen
entgegenzuwirken und die Honigbiene zu retten, hat die Biologin Dr. Eva
Rademacher von der Freien Universität Berlin in Zusammenarbeit mit der
Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen nun eine Möglichkeit
geschaffen, die Milbenplage derart zu bekämpfen, dass die Behandlung
keinerlei Auswirkungen auf die Honigbiene und den Verbraucher hat.


Die Varroatose der Honigbiene Apis mellifera ist eine der gefürchtetsten
Erkrankungen, da es sich um eine "junge" Parasitose ohne
Wirt-Parasit-Gleichgewicht handelt. Die Unmöglichkeit, die Bienenvölker
zu heilen, führt ohne regelmäßige, flächendeckende und sachgerechte
Bekämpfung des Parasiten zu Totalverlusten. Der Schaden am Bienenbestand
durch Varroatose beträgt in der Bundesrepublik Deutschland knapp 30 Mio.
Mark pro Jahr.

Die Varroamilbe wurde aus Südostasien nach Westeuropa importiert. Die
Übertragung der Varroatose erfolgt über das Verfliegen befallener
Bienen, die den Parasiten in andere Völker einschleppen, und besonders
über Drohnen, die in allen Bienenvölkern Einlass finden. Die Entdeckung
dieser Milbenspezies auf Apis mellifera in Westeuropa (in der
Bundesrepublik im Jahre 1977) stellte nicht nur die Imkerschaft, sondern
auch die Bienenwissenschaftler vor ein Problem bisher unbekannten
Ausmaßes. Während bei allen anderen Bienenkrankheiten Erfahrungen über
die Krankheit als solche sowie probate Gegenmaßnahmen, ggf. in Form von
Medikamenten, bereits vorlagen, standen bei der Varroatose weder über
Erreger und Verlauf der Krankheit noch über Möglichkeiten der Bekämpfung
ausreichende Informationen zur Verfügung.

Nachdem 1982 die Varroamilbe in Berlin aufgetreten war, hat sich Dr. Eva
Rademacher im Forscherteam um Prof. Dr. Randolf Menzel von der Freien
Universität um die Entwicklung möglicher Bekämpfungsmaßnahmen verdient
gemacht. Das kurzfristige Ziel der Forschung ist der Erhalt der
Bienenvölker mit Hilfe von Medikamenten. "Langfristig wird jedoch
angestrebt, über die Zucht ein Zusammenleben von Biene und Milbe zu
ermöglichen - und zwar ohne Schädigung der Biene", erklärt die Biologin.

Bei dem von Dr. Rademacher in Zusammenarbeit mit einem Imker
entwickelten und als Tierarzneimittel zugelassenen Bekämpfungsverfahren
handelt es sich um ein chemisches Verfahren mit Ameisensäure, das sowohl
bei erwachsenen Bienen als auch bei der Brut angewandt werden kann. Dazu
dient der sogenannte "Nassenheider Verdunster", den der Imker mit
einfachen Handgriffen in den Bienenstock hängen kann. Hierbei wird
60%-ige Ameisensäure in eine Plastikvorrichtung gefüllt, in die an
vorgesehener Stelle ein Kartonblättchen senkrecht eingesetzt wird, über
das die Säure verdunstet und ihren Kampf gegen die Milben beginnen kann.

Jedes Bienenvolk erhält ca. 80 ml Ameisensäure pro besetztem Raum.
Zweimal im Jahr kann die Behandlung durchgeführt werden: nach der
Abschleuderung des Honigs im Juli und nach der Auffütterung des Volkes
mit Winterfutter im September. Nach der Abschleuderung sollte eine
tägliche Verdunstungsmenge von 15-20 ml über einen Zeitraum von ca. fünf
Tagen sicher gestellt werden, nach der Auffütterung sollte die tägliche
Verdunstungsmenge 6-10 ml über einen Zeitraum von ca. zehn Tagen
betragen. Die Behandlungen können bei Tagestemperaturen von bis zu 30° C
erfolgen, die Nachttemperaturen sollten nicht unter 5° C liegen.

"Der Vorteil dieser Behandlungsmethode mit Ameisensäure liegt darin,
dass sie hochwirksam gegen den Parasiten ist, von der Honigbiene aber
gut vertragen wird und die Bildung von Resistenzen bei der Milbe
ziemlich unwahrscheinlich ist", so Dr. Rademacher. "Wichtig ist
außerdem, dass die Behandlung nicht zu Rückständen im Honig führt."
Ameisensäure in dieser Anwendungsform wurde im Juli 2000 als
Tierarzneimittel zur Bekämpfung der Varroatose für die Bundesrepublik
zugelassen. Heute wird sie in verschiedensten Regionen der Welt
eingesetzt.

Aufgrund der Biologie des Parasiten und seines Wirtes werden zusätzlich
Medikamente benötigt, die an der Wintertraube des Bienenvolkes während
der kalten Jahreszeit eingesetzt werden können. Hier ist eine weitere
organische Säure mit ebenfalls sehr günstigen Eigenschaften hinsichtlich
Wirksamkeit, Verträglichkeit und Rückstandsfreiheit - die Milchsäure -
geeignet. Milchsäure wurde gemeinsam mit der Staatlichen Lehr- und
Versuchsanstalt (Fachbereich Bienenkunde) in Mayen und dem Deutschen
Imkerbund in das Zulassungsverfahren gebracht, das kurz vor dem
Abschluss steht.

Die Milbe Varroa jacobsoni ist an das Leben im Bienenvolk sehr gut
angepasst. Sie befällt Arbeiterinnen und Drohnen sowie deren Brut, bei
starker Invasion auch Königinnen und ihre Larven. Erwachsene Bienen
werden von der Milbe nur vorübergehend aufgesucht; vorwiegend
parasitiert sie in den gedeckelten Bienenzellen auf der Brut. Bei
erwachsenen Bienen schiebt sich der Parasit zumeist zwischen die Bauch-
oder Rückenschuppen, wo er durch seine Haftorgane und Behaarung sehr
fest sitzt und von dem Wirt nicht abgestreift werden kann. Varroa
jacobsoni hält sich auch zwischen den einzelnen Körperabschnitten
(Kopf-Brustteil-Hinterleib) der Biene auf. Die meisten Parasiten sind
auf Ammenbienen zu finden, im Allgemeinen aber sind Stockbienen und
-drohnen deutlich stärker befallen als Flugbienen und -drohnen.

Die Milbe durchbohrt mit Hilfe der Mundwerkzeuge (Gnathosoma) die
Körperdecke ihres Wirtes und saugt wiederholt, in kleinen Portionen,
Hämolymphe (Blut) der Bienen oder Bienenbrut, ohne jedoch dabei
anzuschwellen. Hungrige Milbenweibchen können in einem Zeitraum von zwei
Stunden etwa 0,1 mg Hämolymphe aufnehmen. Die Entwicklungszyklen von
Biene und Milbe sind eng verknüpft: Ohne Bienenbrutzellen kann keine
Vermehrung der Parasiten stattfinden; folglich ist die Vermehrungsphase
der Milbe zeitlich an die Brutphase der Bienen gekoppelt. Legt die
Bienenkönigin Eier (in Mitteleuropa etwa von Februar bis September),
kann das Milbenweibchen zur Eilage in die Bienenzelle mit einer Larve
entsprechenden Alters einwandern. Dabei werden Drohnenmaden etwa 8,6 Mal
häufiger befallen als die Arbeiterinnenbrut. Zu Saisonbeginn ist die
Anzahl der Milben im Volk relativ gering. Mit Aufnahme der Bruttätigkeit
der Bienen (Februar) nimmt die Zahl der Milben schnell zu. Im Mai/Juni,
dem Höhepunkt der Volksentwicklung und der Erbrütung von Drohnen, steigt
die Milbenzahl im Volk stark an; das Maximum ist im Spätsommer erreicht.
Gegen Herbst reduziert die Bienenkönigin die Eiablage stark, so dass die
Milben nur noch wenige Brutzellen vorfinden. In diesen Zellen
konzentrieren sich die eiablagebereiten Milbenweibchen. Bei Beendigung
des Brutgeschäftes ist die Milbe nur noch auf den erwachsenen Bienen
anzutreffen. Varroa jacobsoni-Weibchen überdauern auf diese Weise den
Winter, um im Frühjahr von neuem in die Brutzellen ihres Wirtes zur
Vermehrung einzudringen.

von Ilka Seer

Literatur:
"Varroa unter Kontrolle. Wie wird's gemacht?", Eine Empfehlung hg. von
der Arbeitsgemeinschaft der Institute für Bienenforschung e.V., München:
BLV Verlagsgesellschaft mbH, o.J.

Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
Dr. Eva Rademacher, Institut für Biologie der Freien Universität Berlin,
Königin-Luise-Str. 28-30, 14195 Berlin, Tel.: 030 / 838-52847, E-Mail:
radem@zedat.fu-berlin.de

Informationsdienst Wissenschaft (idw) - Pressemitteilung
Freie Universität Berlin, 23.11.2001
 



 

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