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AHO Aktuell - 22.11.2001

Zellversuche statt Versuchstiere


(BgVV) - Zwei Tierversuchs-Modelle, die bisher international für die Prüfung
von Arzneimitteln, Chemikalien und auch von Kosmetika vorgeschrieben waren,
werden voraussichtlich bald weltweit durch tierversuchsfreie Tests
ersetzt. Expertengremien der OECD (Organisation for Economic
Co-operation and Development) haben den OECD-Mitgliedsstaaten auf einer
Sitzung vom 30.10. - 2.11. im BgVV in Berlin den Ersatz der Tierversuche
durch tierversuchsfreie Zelltests empfohlen. Es ist damit zu rechnen,
dass dies zu einer raschen Anerkennung der Tests durch diese Staaten und
in der Folge zu einer weltweiten Anerkennung dieser Prüfmethoden führen
wird. Diese Tests ermöglichen es, das Gefahrenpotential chemischer
Stoffe ebenso gut einzuschätzen wie die bisher üblichen Tierversuche.
Nach einer Anerkennung durch die OECD dürfen in diesen Staaten dann zur
Prüfung von Substanzen auf Phototoxizität und Ätzwirkung an der Haut
keine zusätzlichen Tierversuche mehr durchgeführt werden.

Die tierversuchsfreien Alternativmethoden - es handelt sich um einen
Phototoxizitätstest und zwei Prüfungen auf Ätzwirkungen an der Haut -
wurden vom BgVV und der Industrie entwickelt und unter Federführung des
BgVV experimentell auf ihre Anwendbarkeit geprüft (Validierung). Diese
Prüfungen führten zu dem Ergebnis, dass alle Sicherheitsansprüche des
Verbraucher- und Arbeitsschutzes garantiert werden. Die Tests werden
bereits seit dem Jahr 2000 in den Mitgliedsstaaten der Europäischen
Union akzeptiert. Nach den einstimmigen Empfehlungen der
Expertenkommissionen der OECD ist mit einer raschen Anerkennung durch
die OECD-Mitgliedsstaaten zu rechnen, zu denen alle wichtigen
Industrienationen gehören. Diese Anerkennung ist besonders wichtig, weil
Ergebnisse, die mit Prüfmethoden der OECD erzielt werden, weltweit
akzeptiert werden.

In Tests zur Phototoxizität ("Licht-Giftigkeit") wird untersucht, ob
chemische Stoffe, wie z. B. Inhaltsstoffe von Sonnenschutz- und
Arzneimitteln, unter dem Einfluss von Licht schädliche Eigenschaften
entwickeln. Ein chemischer Stoff wird dann als phototoxisch bezeichnet,
wenn an der Haut, die dem Sonnenlicht ausgesetzt ist, nach dem Auftragen
oder der Einnahme dieses Stoffes Rötungen, Schwellungen oder andere
Reaktionen bzw. Schädigungen auftreten. Die Prüfung der Phototoxizität
ist unter anderem bei Arzneimitteln erforderlich und bei Substanzen,
die in kosmetischen Mitteln als Sonnenschutzfilter verwendet werden. In
der Praxis erfolgte üblicherweise diese Prüfung in Tierversuchen an
Mäusen, Ratten, Meerschweinchen oder Kaninchen. Bei der
tierversuchsfreien Methode werden Zellen von Mäusen oder der
menschlichen Haut während der Kultivierung im Brutschrank mit
Prüfsubstanzen behandelt und mit UV-Licht bestrahlt. Dieser Test wurde
in einer Zusammenarbeit zwischen dem europäischen Verband der Hersteller
von Kosmetika COLIPA (The European Cosmetic Toiletry and Perfumery
Association) und der Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von
Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch (ZEBET) des BgVV
entwickelt und mit finanzieller Unterstützung der EU-Kommission
experimentell validiert. Überraschenderweise sagt der Zellkultur-Test
phototoxische Reaktionen beim Menschen erheblich besser voraus als die
Tierversuche. Weltweit setzt die kosmetische Industrie den neuen Test
bereits zur Prüfung der Unbedenklichkeit von UV-Filterstoffen in
Sonnenschutzmitteln ein.

Die beiden weiteren Zellkultur-Tests ersetzen die besonders belastende
Prüfung auf Ätzwirkung an der Haut, die bisher am lebenden Kaninchen
durchgeführt wurde und für diese Tiere sehr schmerzhaft war. Es handelt
sich zum einen um eine in England entwickelte In-Vitro-Methode mit
isolierten Rattenhaut-Präparaten und zum anderen um eine bei ZEBET im
BgVV entwickelte Methode, bei der biotechnologisch hergestellte,
künstliche menschliche Hautmodelle verwendet werden, wie z. B. das
kommerziell vertriebene Modell EpidermTM. Die Prüfung auf Ätzwirkung an
der Haut ist für gefährliche Stoffe international im Rahmen des
Arbeitsschutzes und der Transportsicherung vorgeschrieben und hat
direkte Konsequenzen für die Kennzeichnung, die Aufbewahrung, den
Transport gefährlicher Güter und den Arbeitsschutz (Handschuhe,
Schutzbrille etc.). Die Zustimmung des Vertreters der internationalen
Transportkommission GESAMP während des OECD-Expertentreffens dürfte zu
einem weltweiten Verbot der bisherigen, belastenden Tierversuche mit
ätzenden Stoffen am Kaninchen führen.

Für den Tierschutz und den Verbraucherschutz in Deutschland, Europa,
Asien und Amerika, aber auch für das BgVV bedeutet der Erfolg des
OECD-Expertentreffens einen ermutigenden Durchbruch. Das Institut konnte
am Beispiel der Prüfungen auf Phototoxizität und Ätzwirkung an der Haut
erstmals eindrucksvoll zeigen, dass es möglich ist, mit Hilfe
experimentell validierter Zellkulturmethoden die Gefährlichkeit
chemischer Stoffe für den Menschen richtig einzuschätzen und auf diese
Weise belastende Tierversuche zu ersetzen.

bgvv - Pressedienst / 36/2001, 15. November 2001
Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und
Veterinärmedizin
Thielallee 88 - 92, D - 14195 Berlin, Telefon: 01888/412-4300, Telefax:
01888/412-4970 Presserechtlich verantwortlich: Dr. Irene Lukassowitz

 



 

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