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AHO Aktuell - 20.11.2001

"BSE kostet Brandenburg bislang 182 Mio. Mark"


Berlin - Die BSE-Krise hat die Landwirtschaft auch in Brandenburg in die
bislang schwerste Vertrauenskrise gestürzt. Die Mehrkosten belaufen sich im
Land auf 182 Mio. Mark, rechnete heute Brandenburgs Agrar- und Umweltminister
Wolfgang Birthler (SPD) in Berlin vor. Birthler sprach auf einem Symposium zu
"Ein Jahr danach - BSE und die Folgen". Die beiden Gewerkschaften Bauen-Agrar-
Umwelt und Nahrung-Genuss-Gaststätten hatten Experten aus Wirtschaft,
Wissenschaft und Politik um eine erste Bilanz seit dem ersten BSE-Fall in
Deutschland im November 2000 gebeten.

Birthler erneuerte die Kritik, dass es nicht gelungen sei, den Bund stärker
an den Folgekosten der BSE-Bekämpfung zu beteiligen. "Wir sind zwar froh
darüber, dass sich Bundesministerin Künast dazu bereiterklärt hat,
Altbestände an Futtermitteln, die mit Tiermehl vermischt waren und die nach
dem Verbot nicht mehr verfüttert werden durften, zu entsorgen." Die Bund hat
danach die Beseitigung von 266,5 Tonnen Futter im Warenwert von rund 600.000
Mark, die seit dem 2. Dezember 2000 bei den Landwirten lagern, zu hundert
Prozent finanziert. Birthler weiter: "Diese Kosten machen aber nur einen
Bruchteil der Mittel aus, die jetzt als Mehrkosten anfallen."

Landwirte tragen die Hauptlast

"Wir gehen davon aus", so Birthler, "dass von den 182 Mio. Mark Gesamtkosten
etwa 157 Mio. Mark von den Landwirten aufzubringen sind. Bei den Mehrkosten
für die Tierkörperbeseitigung beteiligen sich Land und Kommunen mit etwa 4 Mio.
Mark. Zusätzlich werden aus dem Landeshaushalt 2,4 Mio. Mark für die Durch-
führung eines Überwachungsprogramms bei Schafen auf Scrapie/BSE (TSE-Über-
wachungsprogramm) bereitgestellt." Seitens der Europäischen Gemeinschaft wird
lediglich das TSE-Überwachungsprogramm kofinanziert.

Da die Produktion von Rindfleisch im mehrjährigen Mittel etwa 20 Prozent der
Wertschöpfung in Brandenburg ausmacht, hat vor allem der stark zurückgegangene
Absatz von Rindfleisch zu schmerzlichen Einkommensverlusten für die Landwirte
geführt. Diese resultieren aus den Einkommensverlusten für die Landwirtschaft
zusätzlichen Kosten für die Tierkörperbeseitigung und den notwendigen BSE-
Überwachungsmaßnahmen im Interesse des Verbraucherschutzes.

Die Gefahr, die von einer möglichen Ausbreitung der BSE ausgehen kann, hat
Brandenburg auch vor dem Herbst 2000 nicht unterschätzt. Mit der Beteiligung
an Qualitätsprogrammen, die vom Land finanziell unterstützt wurden und einem
möglichst lückenlosen Herkunftsnachweis für Rindfleisch hatten die Landwirte
und die verarbeitende Wirtschaft bereits einen Beitrag für die Transparenz
von der Weide oder vom Stall bis zur Ladentheke geleistet.

Ein BSE-Fall in Brandenburg

Dennoch blieb Brandenburg nicht völlig von der BSE verschont, gehört aber
absolut als auch relativ zu den am wenigsten betroffenen Ländern. Am 26.
Januar 2001 wurde bei einem im niedersächsischen Nordhorn geschlachteten
Rind aus Hertefeld (Landkreis Havelland) BSE diagnostiziert. Am 8. Februar
wurde die gesamte Herde getötet und beseitigt.

Bei einem aus Mecklenburg-Vorpommern stammendem Rind wurde am 3. August in
einem Betrieb im Landkreis Uckermark BSE festgestellt. Das infizierte Tier
hatte lediglich 14 Tage gestanden, so dass dieser Fall nicht auf Brandenburg
anzurechnen ist.

Inzwischen liegen in Brandenburg rund 42.000 Untersuchungen mit dem BSE-
Schnelltest bei Schlachtrindern sowie verendeten und krankgeschlachteten
Tieren vor. Die ermittelte Prävalenz von 0,005 liegt damit unter der im
gesamten Bundesgebiet.

Akzeptanz für Rindfleisch wieder gestiegen

Birthler: "Nachdem das Thema BSE jetzt wieder nüchterner betrachtet werden
kann, ist es Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Erfreulich ist zunächst,
dass das Vertrauen der Verbraucher in die getroffenen Maßnahmen zum
Verbraucherschutz wieder gewachsen ist, was sich an der deutlich gestiegenen
Akzeptanz von Rindfleisch messen lässt."

Das Land hat in kürzester Zeit bis zum Jahresende 2000 die Erfassung und
Beseitigung des BSE-Risikomaterials gesichert.

In den beiden Staatlichen Veterinär- und Lebensmitteluntersuchungsämtern
Brandenburgs wurden Sicherheitslabore eingerichtet und mit Analysetechnik
ausgestattet. Das Fachpersonal - auch zusätzlich eingestelltes - musste
geschult und eingearbeitet werden. Für die Probengewinnung in den
Schlachthöfen und Tierkörperbeseitigungsanstalten hat Brandenburg
ausschließlich amtliches Fachpersonal eingesetzt. Zur Sicherung kurzer
Untersuchungszeiten für Schlachtrinder war zudem ein zusätzlicher
Labornachtdienst notwendig.

Konferenzvorsitz für weitere Initiativen genutzt

Brandenburg, das gegenwärtig den Vorsitz der Agrarministerkonferenz führt,
nutzte die Chance, um auf den diesjährigen Konferenzen in Berlin, Potsdam
und Prenzlau Eckpunkte für die BSE-Bekämpfung mit auf den Weg zu bringen.
Aus den Erfahrungen von über 100 BSE-Fällen in Deutschland lassen sich
Möglichkeiten zur Änderung der Bekämpfungsstrategie ableiten. Auf der
Septemberkonferenz in Prenzlau wurde eine Reihe zukunftsweisender Beschlüsse
zur Verbesserung des Verbraucherschutzes verabschiedet, so auch zu einem
Verbraucherinformationsgesetz.

Runder Tisch zu BSE

Brandenburg hat zudem im Laufe des Jahres einen "Runden Tisch zu BSE" ins
Leben gerufen. Das in Berlin und Brandenburg verfügbare Wissen über die
BSE sollte damit vor allem für die landwirtschaftliche Praxis verfügbar
gemacht werden. Außerdem befasste sich der aus Landwirten, Wissenschaftlern,
Mitarbeitern des Agrar- und Umweltministeriums und der landwirtschaftlichen
Berufsverbänden sowie Journalisten zusammengesetzte "Runde Tisch" mit
möglichen Strategien zur Verminderung der BSE-Risikofaktoren und des
öffentlichen Umgangs mit der Krise.

Keine Seuche, sondern Einzeltiererkrankung

Birthler: "An der Priorität des Verbraucherschutzes wollen und dürfen wir
keine Abstriche zulassen. Trotzdem muss gefragt werden, ob die umfangreichen
Erfahrungen und Erkenntnisse aus 15 Jahren BSE nicht ausreichen, sachlich
noch fundiertere als viele der derzeitigen Regelungen zu treffen, ohne die
Verbraucher zu gefährden. Erfreulicherweise lässt das neue Gemeinschaftsrecht
zu, nicht mehr Rinderbestände als Ganzes zu töten. Auch in Brandenburg halten
wir die Erkenntnis für entscheidend, dass BSE eine Einzeltiererkrankung ist
und auch so bekämpft werden muss."

Diskussion um Agrarwende

Die Probleme um BSE und MKS haben zu einer lebhaften Debatte um die
Notwendigkeit einer Agrarwende geführt. Angesichts der sich verändernden
EU-Förderpraxis und der labilen öffentlichen Akzeptanz der Landwirtschaft
müssen Prozesse und Strukturen kritisch befragt werden.

Birthler: "Für Brandenburg darf ich ohne Übertreibung sagen, dass vieles,
was mit dem Begriff Agrarwende verbunden wird, hier schon Realität ist. Der
durchschnittliche Viehbesatz mit 0,49 Großvieheinheiten je Hektar
landwirtschaftlicher Nutzfläche liegt noch unter der Forderung des
ökologischen Landbaus. Der Anteil der Ökobetriebe ist in Brandenburg mit
rund 100.000 Hektar flächenmäßig der höchste in Deutschland."
 



 

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