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AHO Aktuell - 15.11.2001

Creutzfeldt-Jacob bei jungen Leuten: Sind die Rinder etwa unschuldig?


HAMILTON/LONDON (MTD) - War das ganze Theater um BSE letztlich völlig über-
flüssig? Dass die Creutzfeldt-Jacob-Erkrankung (vCJD) und BSE von ein und
demselben Prionprotein ausgelöst werden, ist unwahrscheinlich, behauptet ein
schottischer Kollege. Und er hat auch Argumente für seine These.

Die 1996 erstmals gefundene neue Variante von Creutzfeldt-Jacob ist vielleicht
gar keine neue Erkrankung und hat auch nichts mit BSE zu tun. Mit dieser
Hypothese verwirrte George A. Venters, Amtsarzt beim Lanarkshire Health Board
in Hamilton, kürzlich die Fachwelt. Wahrscheinlich hätte der Schotte keine
große Beachtung gefunden, wenn sein Statement nicht im renommierten "British
Medical Journal" 1) erschienen wäre. Dann muss doch was dran sein, oder nicht?
Der "New Scientist" 2) machte sich die Mühe, Venters Argumente zu durch-
leuchten und Experten zu befragen.

Scrapie springt doch auch nicht ...

Als BSE begann, unter Rindern zu wüten, stieg die Zahl der infizierten Tiere
exponentiell an. Wenn sich der Erreger durch den Verzehr erkrankter Kühe
übertragen ließe, müsste die Anzahl menschlicher Opfer am Beginn der Epidemie
genau so sprunghaft ansteigen. Das ist aber nicht passiert, so Venters. Und
warum trifft die neue CJK-Variante fast nur Menschen unter 30 - auch das
spricht nicht für eine Übertragung durch die Nahrung. Falsch, halten die
BSE-Spezialisten dagegen. Zum einen stimmt die vCJK-Kurve genau mit der
Exposition in den späten 80er-Jahren überein. Zum anderen essen junge Leute
nun mal mehr Hamburger und sind möglicherweise anfälliger für Prionen.
Vielleicht kommen die Alten ja auch noch dran, nur später.

Und was ist mit den Mäuse-Studien? Nager, die Hirngewebe von vCJD-Patienten
oder an BSE erkrankten Kühen injiziert bekamen, entwickelten ein und dieselbe
Erkrankung. Das war das falsche Experiment, bemängelt Venters. Denn die
transgenen Mäuse trugen statt ihrem eigenen Prion-Gen das Rinder-Äquivalent.
Stattete man sie jedoch mit dem humanen Prion-Gen aus, gelang die Infektion
nicht. Außerdem ist es bisher nicht gelungen, das BSE-Prion im Hirn erkrankter
Menschen nachzuweisen. Das ist doch egal, protestieren die BSE-Experten. Das
Mäuse-Experiment beweist, dass sich BSE und vCJD genau so verhalten, wenn sie
in derselben genetischen Umgebung wirken. Also liegt wahrscheinlich derselbe
Erreger zugrunde. Indizien dafür sind auch übereinstimmende biochemischen
Eigenschaften, Inkubationszeiten und morphologischen Hirnveränderungen.

So leicht überspringen prionenbedingte Erkrankungen die Speziesbarriere aber
nicht, meint Venters. Nehmen wir Scrapie - diese Erkrankung gibt es seit 250
Jahren und noch nie wurde ein Mensch über Schaffleisch infiziert. Außerdem
gebe es keinen Beweis dafür, dass Prionen nicht durch Kochen, Verdauungsenzyme
oder das menschliche Immunsystem zerstört werden. Experimente zeigen jedoch,
dass zumindest Tiere, darunter auch Primaten sehr wohl an BSE erkranken, wenn
sie BSE-infiziertes Fleisch essen, halten die Fachleute dagegen.

Aber wenn vCJD nicht BSE ist, was ist es dann? Warum nicht Kuru - die spongiöse
Enzephalopathie - an der Stämme aus Papua Neu-Guinea erkrankten, nachdem sie
die Hirne ihrer verstorbenen Verwandten verzehrt hatten. Hat da schon mal
jemand dran gedacht? fragt Venters. Hat man durchaus. Aber Kuru macht andere
Hirnläsionen als vCJD, so die BSE-Experten.

Und was eigentlich unterscheidet vCJD von der klassischen sporadischen Form?
Hauptsächlich, dass fast nur junge Leute erkranken. Doch möglicherweise hat
man vor der BSE-Ära viele spongiöse Enzephalopathien einfach übersehen bzw.
falsch eingeordnet. Vielleicht gab es auch damals schon junge CJD-Opfer,
vermutet Venters. Er jedenfalls will die Debatte um die Hirnkrankheit neu
eröffnen.


VS
1) George A. Venters, BMJ 2001, 323: 858 - 861
2) New Scientist 2001, 172: 12 - 13
Quelle: medical-tribune.de / MTD 45 / 2001 S. 4
 



 

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