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AHO Aktuell - 14.11.2001

Zukunftspessimismus in der Landwirtschaft auf Dauer nicht tragbar


Nationale Alleingänge belasten den Arbeitsmarkt - Probleme des 21.
Jahrhunderts nur mit Maschinen, modernsten Technologien und professioneller
Organisationen zu lösen - Max-Eyth-Abend auf der Agritechnica am
12. November 2001


(DLG). "Am Beginn dieses 21. Jahrhunderts herrscht vielerorts in der
Landwirtschaft Pessimismus vor. Nationale Antworten der EU-Staaten auf
europäische Probleme wie Umweltschutz, Tierschutz, Gentechnik oder
Lebensmittelsicherheit sind in einem gemeinsamen Binnenmarkt unzureichend
und führen zu Wettbewerbsverzerrungen." Dies erklärte der Präsident der
Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) Philip Freiherr von dem
Bussche anlässlich des Max-Eyth-Abends, der Eröffnungsveranstaltung der
Landtechnik-Ausstellung Agritechnica am 12. November 2001 in Hannover.

Nach Ansicht des DLG-Präsidenten ist die Verunsicherung unter den
Landwirten angesichts solcher Alleingänge, wie jüngst in der
ennenhaltung, groß, zumal dem offensichtlich weitere folgen sollen.
"Die Landwirte wehren sich nicht gegen die Verbesserung der Tierhaltung,
sondern sie wollen eine Umsetzung auf fachlich-wissenschaftlicher
Grundlage und einheitlich im gemeinsamen Binnenmarkt," betonte Freiherr
von dem Bussche. Das Vertrauen der Landwirte in die Politik werde
andernfalls erheblich belastet. "Eine so große Diskrepanz zwischen
wirtschaftlich befriedigenden Ergebnissen und einem vorherrschenden
Zukunftspessimismus in der Landwirtschaft wie zur Zeit hat es jedenfalls
bisher noch nicht gegeben und ist auf Dauer nicht tragbar. Es fehlt die
langfristige Planungssicherheit mit der Folge des gegenwärtig zu
verzeichnenden Investitionsstaus, vor allem in der Tierhaltung."

"Dieser Zustand muss sich ändern." Die Landwirtschaft sei das zentrale
Bindeglied zwischen der Landmaschinen-, Pflanzenschutz und Düngemittel-
industrie einerseits und der Ernährungsindustrie und des Handels
andererseits. Jeder neunte Arbeitsplatz in unserer Volkswirtschaft hänge
von der Landwirtschaft ab. Nach Meinung des DLG-Präsidenten belasten die
nationalen Alleingänge den Arbeitsmarkt im ländlichen Raum. Es bestehe
die Gefahr eines dramatischen Trendwechsels bei den Terms of Trades.
"Mit nationaler Politik in einem offenen Binnenmarkt sorgen wir für den
Export von Arbeitsplätzen und den Import von Nahrungsmitteln. Auf die
Qualität dieser Nahrungsmittel und die Umwelt- sowie Tierschutzbedingungen
ihrer Erzeugung haben wir kaum Einfluss. Damit werden nicht nur Landwirte,
sondern auch Mittelstand und Arbeitsplätze im ländlichen Raum gefährdet.
Vor derart weitreichenden Entscheidungen der Politik, wie etwa im Bereich
der Hennenhaltung, müssen tragfähige Alternativen und wissenschaftliche
Bewertungen berücksichtigt werden.

Der DLG-Präsident führte weiterhin unter anderem folgendes aus:

Ohne Armuts- und Hungerbekämpfung gibt es weder Frieden noch Freiheit in
der Welt. Die Landwirtschaft muss hierzu einen entscheidenden Beitrag
leisten: Unter Schonung der Flächen und weiterer Ressourcen ausreichend
Nahrungsmittel zu erzeugen, um den Grundstein für die weltweite Wohlstands-
entwicklung zu legen. So steht es auch im Abschlussdokument der Konferenz
von Rio, im Kapitel 14 der Agenda 21. Mit den Worten des Landwirts könnte
man es so beschreiben: Wer zur Produktion von 10 Tonnen Weizen einen Hektar
statt zwei benötigt, erbringt einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen
Entwicklung, vor allem weil moderne Verfahren hierbei eine wesentlich
verbesserte Ressourcen-Eiffizienz ermöglichen.

Ressourcen- und Umweltschonung durch moderne Technologie, nicht durch Politk

Die Landwirtschaft wird sich vom globalen Wettbewerb nicht ausschließen
können. Die bevorstehenden WTO-Verhandlungen und die Erweiterung der EU
werden zu einer weiteren Liberalisierung der Agrarmärkte führen. Der
zunehmende Wettbewerb wird den Kostendruck auf die Betriebe erhöhen und
den Strukturwandel in der europäischen Landwirtschaft voran treiben. Die
landwirtschaftlichen Betriebe werden sich weiter spezialisieren.
Gleichzeitig wird die Erzeugung ressourcenschonender und umweltfreundlicher
stattfinden, als wir uns das heute vorstellen können. Den entscheidenden
Beitrag zu dieser positiven Entwicklung wird die Technologie leisten und
nicht die Politik. Diese zunehmende Vielfalt unseres Sektors deckt die
Agritechnica schon heute mit ihren Botschaften ab: Es werden Problem-
lösungen sowohl für die Kostenführer auf den Weltmärkten angeboten als
auch für die regionalen Spezialisten, die ihr Wertschöpfungspotential
im Gemüsebau, im Ökoanbau oder in der Landschaftspflege weiter ausbauen
wollen. Selbstverständlich stehen dabei immer die Umweltverträglichkeit
der Produktion und die Sicherheit der Lebensmittel für alle Wirtschaftsweisen
im Blickpunkt.

Ökonomische, ökologische und soziale Anforderungen berücksichtigen

Aus gesellschaftlicher und globaler Verantwortung heraus reicht es nicht mehr
aus, in reichen Volkswirtschaften die Lebensmittelqualität zu verbessern und
hochpreisige Nischen zu besetzen, wenn in vielen Teilen der Welt Armut und
Hunger herrschen. Im übrigen gibt es auch in den hochentwickelten Gesell-
schaften einen zunehmenden Anteil von Verbrauchern, die aus sozialen Gründen
auf niedrige Lebensmittelpreise angewiesen sind, ohne deswegen bei Qualität
und Sicherheit Abstriche machen zu müssen. Das dafür erforderliche Angebot
wird der Handel zunehmend im Ausland beziehen mit Tierschutz- und Umwelt-
standards, auf die wir keinen Einfluss nehmen können. Wir brauchen eine
nachhaltige Landwirtschaft, die langfristig den ökonomischen, den
ökologischen und den sozialen Anforderungen unserer Industriegesellschaften
entspricht. Diese nachhaltige Landwirtschaft ist keine Utopie, sondern
vielmehr ein Konzept, um die Ressourcen unseres Planeten zu schonen, die
Bedürfnisse der verschiedenen Gesellschaften zu berücksichtigen und die
Vorteile der Globalisierung zu nutzen. Die nachhaltige Wirtschaftsweise
ist ein dynamischer Prozess, der durch die Umsetzung technischer und
wissenschaftlicher Innovationen in der Praxis stetig optimiert wird.
Nachhaltigkeit im Sinne der Agenda 21 setzt Wissen, Kapital und Innovationen
voraus und ist genau das Gegenteil von einem Museumsbauernhof. Dies
unterstreicht die Agritechnica in ihrem Special "Bodenschutz". Hier wird
demonstriert, wie durch innovative technische Entwicklungen und
standortangepasste Verfahren eine nachhaltige Bodennutzung realisiert wird.

Desinformation ist die Wurzel für die Technologiefeindlichkeit der Gesellschaft

Der entscheidende Motor des gesellschaftlichen Wohlstandes Europas, und ganz
besonders Deutschlands, war die herausragende Ingenieurskunst. Die erzielten
Produktivitätsgewinne der Landwirtschaft wurden an den Verbraucher weiter-
gegeben und bescherten ihm eine große Auswahl von qualitativ hochwertigen
Lebensmitteln zu einem historischen Niedrigpreis. Heute betrachtet die
Wohlstandsgesellschaft den technischen Fortschritt in der Landwirtschaft
zunehmend kritischer. Das ist ungerechtfertigt, denn die immer weiter
steigenden Löhne und Gehälter der Industriegesellschaft sind der eigentliche
Auslöser der Mechanisierung der Landwirtschaft. Die gut verdienende
Gesellschaft zwingt den Landwirt zu einem mit ihr konkurrenzfähigen
Arbeitseinkommen. Und das geht nur mit dem Einsatz von Maschinen und
Computern. Eine moderne Gesellschaft bringt also zwangsläufig eine moderne
Landwirtschaft hervor. Diese Herausforderung muss die Gesellschaft als
Ganzes meistern. Das heißt auch, dass die Probleme des 21. Jahrhunderts ohne
Maschinen, modernste Technologien und professionelle Organisationen nicht
gelöst werden können. Die Zukunft der Menschheit ist eine gigantische
Herausforderung an ihre eigene Technologie. Durch den Einsatz neuer
technischer Verfahren wie Satellitenbilder, Stickstoff-Sensoren, Bodenschonung
oder auch gentechnisch veränderte Pflanzen wird sich der Pflanzenbau weiter
entwickeln. Technische und wissenschaftliche Innovationen sind in Zukunft
mehr denn je gefragt. Ich glaube, wir alle brauchen den Mut, uns zu unserer
modernen, von Technik bestimmten Landwirtschaft zu bekennen. Wir müssen die
Technologiefeindlichkeit unserer Gesellschaft an ihrer Wurzel - nämlich der
verbreiteten Desinformation - angehen und den Nutzen moderner Technik für
Mensch, Tier und Umwelt aufzeigen. Eine prinzipielle Technikfeindlichkeit
führt an den Realitäten vorbei und ist zutiefst inhuman.
 



 

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